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Kritische Metalle: In Kasachstans Boden schlummert nicht nur Öl
Kasachstan will sein Potenzial bei kritischen Rohstoffen besser ausschöpfen. Dafür sollen neue Lagerstätten erkundet und die Förderung und Verarbeitung von Erzen gesteigert werden.
24.11.2023
Von Jan Triebel | Almaty
Für Schlüsseltechnologien und die Energiewende wird eine Reihe strategischer Metalle benötigt. Lieferungen aus Kasachstan könnten bei der Versorgung mit diesen Rohstoffen zukünftig einen wichtigen Beitrag leisten. Mehrere Lagerstätten sollen deshalb in den nächsten Jahren in dem zentralasiatischen Land an den Start gehen. Für neue Anlagen zur Aufbereitung und Verarbeitung der Erze werden zudem Investoren und Zulieferer gesucht.
Investitionen und deutliche Produktionssteigerungen angekündigt
Neben umfangreichen Investitionen der Privatwirtschaft ist für mehrere dieser Projekte eine öffentliche Förderung vorgesehen. In einem Strategiepapier der kasachischen Regierung zu kritischen Rohstoffen ist von umgerechnet etwa 26 Millionen US-Dollar (US$) die Rede, die zwischen 2024 und 2028 bereitstehen.
Im Vordergrund steht ein deutlicher Anstieg bei der Förderung, Aufbereitung sowie eigener Weiterverarbeitung der Erze. Die Regierung peilt bis 2028 ein Plus von etwa 40 Prozent gegenüber dem aktuellen Stand an. Aktivitäten zur geologischen Erkundung haben zunächst Vorrang. Mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen könnten schrittweise etwa zehn neue Lagerstätten für kritische Rohstoffe ihren Betrieb aufnehmen.
Daneben werden in den kommenden Jahren beträchtliche Investitionen fällig, um die geförderten Erze aufbereiten und verarbeiten zu können. Bereits bestehende Werke sind auszubauen und zu modernisieren, mindestens fünf Anlagen sollen neu hinzukommen. Dabei strebt Kasachstan einen gezielten Transfer internationaler Spitzentechnologien an.
Das Land verfügt laut Regierungsangaben über etwa 600 Lagerstätten für kritische Metalle. Darunter sind mehrere Vorkommen mit Seltenerdmetallen. Sie sind auch Nebenprodukte in weiteren Lagerstätten, die hauptsächlich Molybdän, Wolfram, Vanadium, Titan oder Zirconium enthalten.
Verstärkte Erkundung von Lithiumlagerstätten
Eine größere Rolle soll zukünftig das Leichtmetall Lithium spielen, das insbesondere für moderne Batterietechnologien benötigt wird. Die geologische Erkundung von zwei potenziellen Erzlagerstätten für Lithium, Bayankol und Kalba-Narym wird intensiviert, ebenso wie die Suche nach Lithium in Salzseen in der Nähe des Aralsees und des Kaspischen Meeres. Vorerst ungewiss ist, wie teuer das Engagement zur Erkundung und Erschließung dieser und anderer Vorkommen mit kritischen Rohstoffen ausfallen wird.
Metall | Lagerstätte |
---|---|
Vanadium | Kurumsak, Bala-Sauskandyk |
Titan, Zirconium | Karaotkel, Obukhovskaya, Shokash, Shpakovka, Kumkol, Sabyndykol, Prognoznoe, Gorkovskoye, Berezovskoye, Zayachya, Druzhba, Akespe |
Tantal, Niob | Verkhniy-Irgiz, Kvartsevoye, Verkhne-Baymurzinskoye, Kalai-Tapkan |
Lithium | Yubileinoye, Verkhne-Baymurzinskoye, Bakenny, Belogorskoye, Akhmetkino, Medvedka |
Molybdän, Wolfram | Koktenkol, Drozhilovskoye, Verkhneye Kairakty, Smirnovskoye, Yuzhny Zhaur, Zhanet, Batystau, Akshata, Karaoba, Baynazar |
Beryllium | Nurataldy, Darat |
Seltenerdmetalle | Akbulak, Kundybay, Verkhnee-Espe, Moyynkum, Akdala, Talairyk, Melovoe, Tomak, Taibogar, Tasmurun |
Informationen zu Reserven sind noch rar
Informationen zur Höhe der Erzreserven dieser Vorkommen sind öffentlich kaum zugänglich. Überhaupt besteht hinsichtlich der betroffenen Metalle ein großes Datendefizit. Dafür ist ein besonderer Geheimnisschutz verantwortlich, dem kritische Rohstoffe wegen ihrer strategischen Bedeutung in Kasachstan unterliegen.
Nicht zuletzt auch um das Interesse von Investoren zu wecken, drängt die Regierung auf mehr Transparenz bei Informationen über kritische Rohstoffe. In ihrem Strategiepapier strebt sie an, die bislang geltenden Geheimhaltungsregeln bis spätestens 2025 aufzuheben.
Noch aber hält auch das nationale Statistikamt Qazstat so gut wie keine Angaben zu diesen Metallen bereit. Bekannt sind lediglich allgemeine Daten. Die Produktion in den Kategorien Seltenerdmetalle und Halbleitermaterialien sowie Titan und Pulverprodukte aus Titan, Wolfram und Molybdän lag 2022 bei umgerechnet rund 290 Millionen US$.
Titan und Zirconium werden bereits erfolgreich abgebaut
Von den bekannten Vorkommen für kritische Rohstoffe beutet Kasachstan bislang nur einige wenige in größerem Stil aus. Titan ist dabei einer der Schwerpunkte. Der Industriekomplex Ust-Kamenogorsk Titanium and Magnesium Plant zählt auch auf internationaler Ebene zu den Hauptproduzenten von Titanschwamm, dem in der Praxis gängigsten Titanprodukt. Der im Gebiet Ostkasachstan ansässige Betrieb umfasst mit Satpaevskoye eine Großlagerstätte für Titaneisenerze.
Hauptakteur bei Zirconium ist das Unternehmen Expoengineering. Als Rohstoffquelle dient das Vorkommen Shokash im Gebiet Aktobe, das neben Zirconium auch größere Mengen Titan enthält.
Einige kritische Metalle fallen zudem als Nebenprodukte der metallurgischen Aufbereitung von Erzen an, bei denen der Schwerpunkt bei anderen Metallen liegt. So verkauft etwa der Zinkspezialist Kazzinc auch Wismut, Indium und Thallium. Das Uran verarbeitende Ulba Metallurgical Plant produziert Beryllium, Tantal und Niob. Kazakhmys, einer der größten Hersteller des Landes von Kupfer, gewinnt als Nebenprodukt das seltene Halbmetall Tellur. Mit Gallium beliefert zudem Aluminium of Kazakhstan den Markt.
Die meisten der in Kasachstan als strategisch bedeutsam klassifizierten Metalle finden sich auch auf einer Liste der EU zu kritischen Rohstoffen wieder. Sie sind besonders wichtig für den angestrebten grünen und digitalen Wandel. Die aktuelle Fassung der Liste umfasst 34 Positionen. Bei den betreffenden Rohstoffen, unter denen Metalle dominieren, ist die EU fast ausschließlich auf Einfuhren angewiesen. Als Lieferanten kommt nur eine kleine Zahl von Drittländern infrage. Diese bestimmen sowohl die Förderung als auch die Verarbeitung der Rohstoffe. |
Intensivere Verwertung von Abraum, Prozessrückständen und Elektronikschrott
Mit Blick auf den weltweit stark wachsenden Bedarf bei kritischen Rohstoffen plant Kasachstan zukünftig auch stärker als bisher Abfälle zu verwerten. Vor allem größere Halden von früheren Bergbauaktivitäten sind dafür unter die Lupe zu nehmen, um verwertbare Mengen kritischer Metalle aufzuspüren. Das Gleiche gilt für Rückstände aus der Fertigung metallurgischer und chemischer Erzeugnisse. Landesweit wurden bereits rund 40 Objekte zur Lagerung von Abraum und festen Industrieabfällen identifiziert, wo lohnende Mengen vermutet werden.
Das staatliche Unternehmen Zhezkazganredmet setzt bei seinen Hauptprodukten, den Metallen Rhenium und Osmium, bereits jetzt auf metallurgische Rückstände aus den Kupferschmelzen von Kazakhmys. Mit einer neuen Fertigungslinie will Zhezkazganredmet Rhenium zukünftig auch aus Überbleibseln der Produktion von Rheniumsulfid und von hitzebeständigen Nickellegierungen gewinnen.
Ebenso rückt in Kasachstan eine gezielte Verwertung von Elektronikschrott stärker ins Blickfeld. Die Regierung sucht nach Investoren für ein erstes Werk zu dessen Verarbeitung. Interessenten aus dem In- und Ausland können für den Bau einer solchen Anlage mit einer staatlichen Anschubfinanzierung von umgerechnet knapp 8 Millionen US$ rechnen, heißt es in dem Strategiepapier der Regierung.