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Wirtschaftsumfeld I Libyen

Libyens mühsamer Weg zur Stabilität

Hohe Erdölpreise und steigende Produktionsmengen sorgen für mehr Einnahmen. Einzelne deutsche Unternehmen nutzen die Chancen in einem schwierigen Umfeld.

Von Michael Monnerjahn | Bonn

Nach zehn Jahren Bürgerkrieg erlebt Libyen nun eine Phase relativer politischer Stabilität. Davon profitiert auch die Wirtschaft des Landes. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für das Jahr 2021 ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 123,2 Prozent. Im Vorjahr hatte das BIP jedoch einen Rückgang von 59,7 Prozent erlitten, verursacht durch die zwischenzeitlich fast vollständig eingestellte Erdölförderung. Für das Jahr 2022 erwartet der IWF ein Wachstum von 5,3 Prozent.

Im März 2021 hatte eine Einheitsregierung unter Premierminister Abdelhamid Dabeiba die Regierungsverantwortung übernommen. Ihr Ziel und Auftrag war es, bis zum Ende des Jahres Wahlen sowohl für ein Staatsoberhaupt als auch für ein Parlament zu organisieren. Die für den 24. Dezember 2021 geplanten Wahlen wurden zwar abgesagt. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass nicht unmittelbar ein erneuter Bürgerkrieg droht, sondern stattdessen das politische Ringen relativ friedlich fortgesetzt wird.

Erdöl ist von zentraler Bedeutung für die Wirtschaft

Der Erdölsektor dominiert die libysche Wirtschaft. In der Vergangenheit lag sein Anteil am BIP bei bis zu zwei Dritteln. Nach Schätzungen von BP verfügt Libyen über 2,8 Prozent der weltweiten Erdölreserven. Damit ist es das erdölreichste Land Afrikas. Die tägliche Förderung lag 2021 bei durchschnittlich knapp 1,2 Millionen Barrel. Im Jahr 2020 war die Produktion dagegen zeitweise fast komplett eingebrochen, aufgrund der schwierigen Sicherheitslage in allen wichtigen Fördergebieten des Landes. Erst seit Oktober 2020 konnte die Produktion wieder langsam hochgefahren werden.

Diese Schwankungen spiegeln sich auch im Handel zwischen Libyen und Deutschland wider. Als Lieferant von Erdöl spielt Libyen für Deutschland eine wichtige Rolle. Im Jahr 2019 war hierzulande Libyen nach Russland das zweitwichtigste Erdöllieferland mit einem Anteil von 9,9 Prozent. In Libyen fördert seit mehr als sechs Jahrzehnten die Wintershall Dea AG. Die Betriebsführerschaft der Förderung hat das Unternehmen nach eigenen Angaben jedoch im Jahr 2020 an Sarir Oil Operations (SOO) abgegeben, ein Gemeinschaftsunternehmen mit der libyschen National Oil Corporation (NOC).

Deutsche Unternehmen engagieren sich wieder stärker

Die deutschen Unternehmen haben ihre wirtschaftlichen Beziehungen auch in den Jahren gepflegt, als Libyen politisch gespalten und die Sicherheitslage sehr schwierig war. Allerdings waren viele deutsche Unternehmensvertreter teilweise längere Zeit nicht mehr direkt vor Ort. Stattdessen haben sie ihre Geschäfte mit der Hilfe von eigenem lokalem Personal oder mit Handelsvertretern abgewickelt.

„Die deutsche Qualität und Zuverlässigkeit sind sehr gefragt“, sagt Werner Moser, Geschäftsführer der TECO Anlagenvertriebs GmbH. Das auf die Planung und Installation von Anlagen spezialisierte Unternehmen ist seit über 35 Jahren in Libyen tätig. Es hat in Benghazi eine Niederlassung mit elf Mitarbeitern und in Tripolis einen Vertreter. „Wir sind die ganze Zeit im Land geblieben und haben auch eine längere Durststrecke überbrückt“, berichtet Moser. Zuletzt ist das Geschäft wieder angezogen. Den Umsatz hat TECO in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. In Benghazi konnte das Unternehmen etwa Getriebe des Unternehmens Flender an ein Zementwerk liefern.

Experten-Forum Libyen bringt Privatwirtschaft zusammen

Bereits seit 2016 bringt das „Experten-Forum Libyen“ rund 30 deutsche Unternehmen zusammen. Die Gründung des Forums geht maßgeblich auf das Engagement von Sven Luthardt, Geschäftsführer der gleichnamigen Luthardt Group, zurück. Das Unternehmen besteht seit 2008 und ist auf Ingenieurdienstleistungen in den Bereichen Energieerzeugung und Energieverteilung spezialisiert.

Am Anfang kamen rund ein Dutzend Unternehmen zusammen, um sich über die aktuelle Situation in Libyen auszutauschen. Es gab keine deutsche Botschaft in Tripolis und auch der Kontakt zu libyschen Institutionen war praktisch unmöglich. Umso mehr stellten sich Fragen nach aktueller Sicherheitslage, Einreisebestimmungen und Flugverbindungen sowie zu den Themen Zahlungsverkehr und Transport. Inzwischen haben an dem Forum auch Vertreter von deutschen und libyschen Institutionen teilgenommen.

„Deutschland hat mit Libyen ein extrem gutes Verhältnis“, ist Sven Luthardt überzeugt. „Ein Großteil der in Libyen vorhandenen Technologie kommt aus Deutschland“, weiß der Betriebswirt aus eigener Erfahrung. Deutsche Traditionsunternehmen wie MAN, Siemens oder ThyssenKrupp haben in der Vergangenheit ihre Anlagen nach Libyen geliefert. Beim Bau von Pipelines, der Errichtung von Strominfrastruktur und auch im Anlagenbau waren die deutschen Unternehmen aktiv.

Auch aktuell profitieren deutsche Unternehmen von ihrem guten Ruf und den langjährigen Geschäftsbeziehungen. Siemens hatte 2017 eine Vereinbarung mit dem libyschen Energieunternehmen GECOL über die Lieferung und Wartung von Gasturbinen bekannt gegeben. Deren Auslieferung dürfte ab Januar 2021 erfolgt sein, da die Ausfuhren von Gasturbinen in den ersten elf Monaten des Jahres 2021 auf einen Wert von 132,5 Millionen Euro kletterten (2020: 7,6 Millionen Euro). Insgesamt wuchsen die deutschen Exporte nach Libyen im Zeitraum Januar bis November 2021 um 61,3 Prozent auf 494,6 Millionen Euro.

Chancen für Unternehmen könnten zunehmen

Seit Bildung der Einheitsregierung hat sich die Sicherheitslage in Libyen verbessert und die Wirtschaft stabilisiert. Die steigenden Preise und Fördermengen im Erdölsektor erhöhen außerdem die Einnahmen der libyschen Regierung. Das schafft neue Aufträge und macht dringend notwendige Investitionen möglich. Aber auch mehr als ein Jahrzehnt nach Ende des Regimes von Muammar al-Gaddafi ist das nordafrikanische Land weit von einer Normalität entfernt. Dennoch ergeben sich in dieser schwierigen Situation Geschäftschancen für deutsche Unternehmen. Interessierte Firmen können dabei von der langjährigen Libyen-Erfahrung einzelner Unternehmen profitieren.

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