Special Litauen Windenergie
Litauen plant große Offshore-Wind-Auktion für September 2023
Bis 2030 will Litauen den ersten Offshore-Windpark vor der Küste der drei baltischen Staaten in Betrieb nehmen. Zurzeit berät sich die Regierung mit potenziellen Investoren.
02.08.2022
Von Lukas Latz | Berlin
Das Baltikum hat sehr attraktive natürliche Potenziale im Bereich Offshore-Wind und die baltischen Regierungen treiben den Ausbau dieser Technologie voran. Längerfristig könnte die Region sogar zum Exporteur von Strom oder Wasserstoff werden, wenn die Kapazitäten erhöht werden und die Netze nach Mitteleuropa dichter werden.
Unter den drei baltischen Ländern - Litauen, Lettland und Estland - sind die Pläne der litauischen Regierung zum Bau von Offshore-Windanlagen am weitesten entwickelt. Im September 2023 soll eine Auktion um die Vergabe eines Offshore-Projekts mit einer Gesamtgröße von 700 Megawatt stattfinden. Eine weitere Auktion für ein 700-Megawatt-Offshore-Projekt ist für 2024 geplant. Die Leistungskapazität von 700 Megawatt entspricht ungefähr 50 modernen Offshore-Windturbinen mit jeweils über 200 Meter langen Rotorblättern, die der Meistbietende nach einer gewonnenen Auktion zu installieren hätte.
Die Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Offshore-Projekte verfolgen viele internationale Investoren genau, darunter der deutsche Energieversorger RWE und Polens Mineralölkonzern PKN Orlen. PKN Orlen will bis 2050 Klimaneutralität erreichen und investiert an der polnischen Ostseeküste kräftig in Offshore-Wind.
Schwierige Rahmenbedingungen
In erster Linie ist Litauens Strommarkt wegen seiner geringen Größe wenig attraktiv. In dem Land leben 2,6 Millionen Einwohner. Auch die industrielle Basis des Landes ist eher dünn. Das macht es schwer, große Abnehmer zu finden. Es gibt sie weder in der Industrie noch unter kommunalen Versorgern. Auch die Stromverbindungen nach Lettland, Schweden und Polen lassen bislang nur sehr begrenzt Handel über Grenzen hinweg zu. Es ist unklar, in welchem Rahmen dieser Handel möglich sein wird, nachdem Litauen Mitglied von Entso-E, Europas Stromnetzverbund sein wird. Diese Mitgliedschaft wird für 2025 vorbereitet.
Zudem sehen Markteilnehmer die Ausschreibungsmodalitäten als eine Herausforderung an. Der rechtliche Rahmen in seiner jetzigen Form biete wenig Preisstabilität, kritisiert etwa Philip Vogel, Teamleiter der Regulierungsabteilung bei RWE Renewables, der für den Essener Energiekonzern die baltischen Staaten im Blick hat: „Das Projekt in Litauen ist eine Kosten-Ausschreibung, bei der der Gewinner in Vorleistung gehen muss. Das heißt, nachdem wir für das Projekt bezahlt haben, müssen wir die Windfarm bauen und dann selbst Kunden für die Vermarktung der produzierten Energie finden. Aufgrund der geringen Größe des Marktes ist dies schwierig.“
In den Niederlanden etwa, so ergänzt Vogel, habe es jüngst gedeckelte Ausschreibungen gegeben, welche die Risiken des Gewinners limitieren. Dort kann der Preis für ein Projekt einen bestimmten Betrag nicht übersteigen.
Dies ist aufgrund des „Fluch des Gewinners“, wie er in der Ausschreibungstheorie beschrieben wird, wichtig. Die Theorie besagt: Bei einer ungedeckelten Ausschreibung, bei der das höchste Gebot den Zuschlag bekommt, gewinnt meistens derjenige, der die optimistischsten Markterwartungen hat. Nur haben die Optimisten leider nicht immer recht. Es besteht das Risiko, dass Bieter sich verspekulieren und nach Zuschlag des Projektes keine Wirtschaftlichkeit erreichen. Dabei besteht das Risiko, dass am Ende vielleicht gar keine Windfarm gebaut wird.
Staatlicher Energieversorger Ignitis im Vorteil
Neben einer Deckelung der Projektkosten werden finanzielle Risiken üblicherweise durch sogenannte Differenzverträge minimiert. Differenzverträge funktionieren wie folgt: Ein Investor bietet einen bestimmten Preis für die Stromabnahme, zum Beispiel 50 Euro pro Megawattstunde. Er muss den Strom dann trotzdem auf dem freien Markt verkaufen. Verkauft er den Strom dort mehr als 50 Euro, muss er die Differenz des Betrages an den Staat abgeben. Verkauft er den Strom für einen geringeren Preis, erhält er die Differenz des Betrages vom Staat zurück. Für einen Investor erhöht diese Verfahren die Planbarkeit beim Aufbau einer Offshore-Anlage.
„Das Gesetz für das Ausschreibungsverfahren für Offshore-Wind ist in Litauen im April 2022 verabschiedet worden”, sagt Rytis Kėvelaitis, Unternehmensberater und Eigentümer des Unternehmens Energy Unlimited. „Es wird die Möglichkeit geben, in der Auktion mit einem Differenzvertrag zu bieten. Es wird auch möglich sein, ohne einen Differenzvertrag zu bieten. Und die Gebote ohne Differenzverträge werden in der Bewertung ein höheres Ranking erhalten.“ Dieses Vorgehen zeigt die Bereitschaft Litauens, erneuerbare Energien marktbasiert zu entwickeln. Einen ähnlichen Ansatz gibt es in Lettland und Estland.
Das Ausschreibungsverfahren, in dem Investoren mit zwei unterschiedlichen Geschäftsmodellen bieten können, begünstigt Beobachtern zufolge Litauens etablierten staatlichen Energieversorger Ignitis. Ignitis hat den Vorteil, in Litauen bereits viele Großkunden mit Energie zu versorgen. Durch die bestehenden Netzwerke und die guten Kenntnisse des lokalen Marktes kann das Unternehmen am ehesten auf einen Differenzvertrag verzichten.
Zunehmender Einfluss des Militärs in Grenzgebieten
Ein zunehmend wichtiger Trend für Litauens Windbranche ist der Einfluss des Militärs auf die Entwicklung von Windkraft in Grenzregionen. „Seit 2016 gibt es Beschränkungen für die Entwicklung von Windenergie in Litauens Grenzgebieten“, sagt Rytis Kėvelaitis, „50 Kilometer vor Litauens NATO-Grenze sind ein No-Go-Area für die Windindustrie. Das liegt an militärischer Radartechnologie. Radare erhalten kein komplettes Bild dessen, was hinter den Türmen der Windkraftwerke passiert. Es gibt jedoch Technologie, die diese Lücken füllen kann und die in anderen europäischen Ländern benutzt wird. Es gibt Ausnahmegebiete, wo man trotzdem Windkraft entwickeln kann.“
Diese Regel gelte auch für Offshorewind, sagt Kėvelaitis. Im Bereich von 50 bis 30 Kilometern bis an die Grenze können Windkraftwerke entwickelt werden, wenn das Militär kompensiert wird. Im Gebiet von bis zu 30 Kilometer bis zur Grenze müssen die Gebiete jedoch frei bleiben.