Seit Dezember 2008 kann der Gläubiger einer bezifferten Geldforderung statt der durch das Verfahrensrecht des EU-Mitgliedstaates möglichen Prozessarten auch ein Europäisches Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 in Gang setzen. Dieses steht sowohl Dienstleistungsempfängern als auch Dienstleistungserbringern offen. Die Gründe, warum die konkret bezifferte Forderung eingeklagt wird, können sich unter anderem aus fehlender Zahlung (des Empfängers), aber auch aus ausgebliebener oder mangelhaft erbrachter Leistung (des Dienstleisters) ergeben.
Luxemburg hat zum europäischen Mahnverfahren Ausführungsbestimmungen erlassen. Diese finden sich in den Artikeln 49 ff.--folgende des Neuen luxemburgischen Zivilprozessgesetzbuches (Nouveau Code de Procédure Civile).
Die internationale Zuständigkeit des für das Europäische Mahnverfahren individuell zuständigen Gerichts bestimmt sich nach den Grundsätzen der im Abschnitt internationale Zuständigkeit bereits erwähnten EuGVVO, die in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar gilt. Aufgrund der zum 10. Januar 2015 in Kraft getretenen Reform der EuGVVO gilt je nachdem, wann das Verfahren eingeleitet wurde, die Fassung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (sog. Brüssel-I-Verordnung) oder der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (sog. Brüssel-Ia-Verordnung) (vergleiche zum zeitlichen Anwendungsbereich der Fassungen der EuGVVO den Abschnitt Anerkennung / Vollstreckung dieses Länderberichts).
- Sind hiernach luxemburgische Gerichte international zuständig, kann der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls in Verfahren zwischen luxemburgischen Dienstleistern und deutschen Dienstleistungsempfängern je nach örtlicher und sachlicher Zuständigkeit beim Friedensrichter (juge de paix), Vorsitzenden des Bezirksgerichts (tribunal d'arrondissement) oder Präsidenten des Arbeitsgerichts (président du tribunal du travail) eingereicht werden (vergleiche die Ausführungen zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit) (Artikel 49 Nouveau Code de Procédure Civile). Der sogenannte Europäische Gerichtsatlas für Zivilsachen bietet Hilfe beim Auffinden des zuständigen Gerichts, an das der Kläger seinen Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls stellen kann.
- In Deutschland wird das Europäische Mahnverfahren zentral für alle Amtsgerichte beim Amtsgericht Berlin-Wedding, Europäisches Mahngericht (Deutschland) geführt.
- Zu beachten ist, dass ein Verbraucher, der ein Mahnverfahren gegen einen ausländischen Unternehmer anstrebt, dies auch von dem zuständigen Gericht aus machen kann, wo er seinen Wohnsitz hat.
Der Gläubiger kann an das zuständige luxemburgische Gericht einen Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls stellen (Artikel 7 Verordnung (EG) Nr. 1896/2006). Wird ein solcher erlassen, kann der Schuldner innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Zahlungsbefehls Einspruch einlegen (Artikel 16 Verordnung (EG) 1896/2006).
Über den Einspruch gegen einen Europäischen Zahlungsbefehls des Friedensrichters entscheidet der Direktor des Friedensgerichts (juge de paix directeur). Für den Einspruch gegen einen vom Präsidenten des Bezirksgerichts erlassenen Europäischen Zahlungsbefehl ist das Bezirksgericht zuständig. Das Arbeitsgericht ist zuständig, wenn es um einen Einspruch gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl seines Präsidenten geht (Artikel 49-2 Nouveau Code de Procédure Civile). Der Einspruch wird bei der Geschäftsstelle (greffe) des zuständigen Gerichts eingelegt (Artikel 49-1 Absatz 1 Nouveau Code de Procédure Civile). Wird nach einem Einspruch das Verfahren in ein ordentliches Zivilverfahren übergeleitet, informiert bei Verfahren vor dem Bezirksgericht dessen Geschäftsstelle die Parteien davon, dass sie binnen 15 Tagen einen Rechtsanwalt bestellen müssen (Artikel 49-3 Absatz 2 Nouveau Code de Procédure Civile). Acht Tage vor der mündlichen Verhandlung lädt der Geschäftsstellenbeamte die Parteien vor (Artikel 49-3 Absatz 2 Nouveau Code de Procédure Civile). Parteien mit Wohnsitz im EU-Ausland erhalten allerdings eine Fristverlängerung von weiteren 15 Tagen (Artikel 49-3 Absatz 4 i.V.m.--in Verbindung mit 167 Nouveau Code de Procédure Civile). Nach der Überleitung in ein ordentliches Verfahrn wenden die Gerichte ihre jeweiligen eigens für sie geltenden Regeln an (Artikel 49-4 Nouveau Code de Procédure Civile).
Legt der Schuldner keinen Einspruch ein, wird der Europäische Zahlungsbefehl vom erlassenden Gericht für vollstreckbar erklärt (Artikel 18 Verordnung (EG) 1896/2006). Ein Verfahren zur Vollstreckbarerklärung in anderen EU-Mitgliedstaaten findet nicht mehr statt (Artikel 19 Verordnung (EG) 1896/2006).
Sowohl Antrag, Europäischer Zahlungsbefehl als auch Vollstreckbarerklärung müssen durch Formblätter erfolgen. Die Formblätter sind über das europäische Justizportal abrufbar.
Bestimmte Angelegenheiten (zum Beispiel Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung insolventer Unternehmen - vergleiche hierzu unseren Beitrag Insolvenzrecht) sind dem Anwendungsbereich des Europäischen Mahnverfahrens allerdings entzogen (Artikel 2 Absatz 2 Verordnung (EG) 1896/2006).
Eine Einführung in das Europäische Mahnverfahren enthält ein Beitrag des EU-Portals mit Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung in deutscher Sprache.