Branchenbericht | Marokko | Baustoffe, Glas, Keramik
Marokkos Baustoffindustrie benötigt moderne Anlagen
Der Bedarf an Baustoffmaschinen und Anlagen zur Herstellung von Baumaterialien in Marokko steigt. Die entsprechenden Lieferungen aus Deutschland sind bislang überschaubar.
18.10.2023
Von Ullrich Umann | Casablanca
Marokkos Hersteller von Baustoffen und -materialien müssen hocheffiziente Maschinen und Anlagen importieren. Denn nur mit modernen Anlagen können sie ihre Produktion rentabel gestalten. Andernfalls drohen ausländische Wettbewerber, vor allem aus dem Mittelmeerraum, die Oberhand auf dem Markt zu gewinnen.
Für die deutschen Hersteller von Baustoff- und Keramikmaschinen bietet das Chancen in einem wettbewerbsintensiven Markt. Mit knapp 8 Millionen Euro waren die Maschinenlieferungen aus Deutschland in dieser Sparte 2022 zwar überschaubar, doch stiegen sie im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent. Der Zuwachs resultierte vor allem aus einem stärkeren Absatz von Maschinen zum Sortieren und Zerkleinern.
Andere deutsche Baustoffmaschinensparten verzeichneten 2022 rückläufige Bestellungen aus dem nordafrikanischen Land. Die derzeitigen Modernisierungsbestrebungen der marokkanischen Hersteller von Baustoffen und Baumaterialien lassen aber auf anziehende Geschäfte für den deutschen Maschinenbau schließen, zumal es mit dem Unternehmen F.M.C.D. landesweit nur einen nennenswerten Hersteller entsprechender Maschinen gibt.
2021 | 2022 | Veränderung 2022/2021 | |
---|---|---|---|
Hobelmaschinen, Verzahnmaschinen u.a. | 120 | 53 | -55,8 |
Werkzeugmaschinen zur Bearbeitung von Steinen, Glas | 219 | 38 | -82,6 |
Werkzeugmaschinen zum Bearbeiten von Kunststoff u.a. | 1.240 | 907 | -26,8 |
Maschinen zum Sortieren, Zerkleinern | 4.274 | 6.891 | 61,2 |
Maschinen für die additive Fertigung | - | 59 | k.A. |
Baustoffbranche hat Gewicht in Marokko
Die Baustoff- und Baumaterialbranche zählt zu den wichtigsten Industriezweigen in Marokko. Sie trägt rund 10 Prozent zum landesweiten Industrieausstoß bei. Ihr Anteil an den gesamten Investitionen im verarbeitenden Gewerbe liegt sogar bei 17 Prozent.
Aktuell decken die Hersteller von Baustoffen und Baumaterial rund 90 Prozent des Inlandsbedarfs. Der Exportwert der Branche erreichte zuletzt ein Volumen von 0,6 Milliarden Euro. Das zum Finanzministerium gehörende Office des Changes, das unter anderem Studien und Statistiken zum Außenhandel veröffentlicht, sieht dabei noch viel Luft nach oben. Es beziffert das mögliche Exportpotenzial auf 3 Milliarden US-Dollar. Hierfür müssten jedoch die Produktionskosten bei Baustahl, Eisenteilen, Klinkersteinen und auch Zement drastisch gesenkt werden. Erst dann seien diese Produkte auf ausländischen Absatzmärkten in der Breite konkurrenzfähig.
Analysten sehen hohes Potenzial für Baustoffexporte
Das Office des Changes zählt drei Gründe auf, warum ein Ausbau der Exportkapazitäten bei Baustoffen und -material gelingen kann. Hierzu zählt zum einen die gute Verfügbarkeit von Ausgangsstoffen für die Herstellung vor Ort. Neben Kies und Sand handelt es sich dabei um Schotter, Stahlbeton, Zement, Ziegelsteine, Schiefer, Hohlblöcke, Stahlträger, Eisenteile, Fliesen, Keramikplatten, Marmor, Bauholz sowie Ausgangsmaterialien für Sanitärinstallationen.
Zum zweiten verfüge die Herstellerindustrie für Baustoffe und Baumaterialien mit dem Dachverband für Baustoffe und Baumaterialien, Fédération des matériaux de construction (FMC), über ein starkes Sprachrohr gegenüber der Politik – das zuletzt auch noch gewachsen ist: Die beiden Fachverbände für holzverarbeitende Industrie sowie für Innen-, Außenputz und Isoliermaterial traten dem FMC in den vergangenen Monaten bei. Damit sind nun 14 Fachverbände unter dem Dach von FMC organisiert.
Als drittes Argument führt das Office des Changes das relativ gute Angebot an Fachkräften in der Industrie für Baustoffe und Baumaterialien auf. So bildet das auf Initiative des FMC gegründete Institut für Baustoffe in Tamesna (IMC) seit 2014 Techniker in den unterschiedlichen Baustoff- und Baumaterialsparten aus. Die Ausbildung dauert je nach Fachrichtung anderthalb bis zwei Jahre. Das Polytechnikum der Universität Mohammed VI (UM6P) in Ben Guerir bietet zusätzlich für angehende Ingenieure einen zweijährigen Masterstudiengang in Materialwissenschaften an. Unterrichtet wird auf Französisch und Englisch.
Ausländische Baustoffhersteller drängen nach Marokko
Allerdings stehen die marokkanischen Hersteller auch in Konkurrenz zu ausländischen Unternehmen. FMC-Präsident David Toledano sieht diese insbesondere in Spanien, Portugal, Ägypten und in der Türkei. Laut FMC liefern sie dabei nicht nur Produkte, die es in Marokko nicht gibt, sondern griffen gelegentlich zu Preisdumping, wenn sie im direkten Wettbewerb zur lokalen Industrie stünden.
Steigende Einfuhren von Konkurrenzprodukten sowie gebremste Exportmöglichkeiten im Ergebnis hoher Produktionskosten vor Ort führen dazu, dass die Kapazitätsauslastung in einigen Baustoffsparten aktuell niedrig ist. Statt der möglichen 22 Millionen Tonnen an Klinker und Zement werden nur 12 Millionen hergestellt. Bei Sanitärkeramik liegt die installierte Kapazität bei 5 Millionen Stück; abgesetzt werden aber nur 1,5 Millionen.
Um die Kapazitätsauslastung zu erhöhen, rät der FMC zu Modernisierungsinvestitionen. Ein Vorreiter sei die Marmorindustrie. Inzwischen biete sie nicht nur Marmorblöcke an, sondern stelle dank Nachrüstungen im Maschinen- und Anlagenpark auch verarbeitete Marmorteile her, für die es zudem eine Nachfrage im Ausland gebe.
Antidumpingzölle und Exportförderung
Gegen Importpreisdumping wehrt sich Marokko zunehmend selbstbewusst, zuletzt am 10. August 2023, als Sonderabgaben auf Polyvinylchlorid (PVC) aus der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich sowie aus Mexiko verhängt wurden. Vorangegangen war eine monatelange Untersuchung. Auch auf beschichtete Holzplatten werden seit 2022 Schutzzölle erhoben, allerdings erst ab Überschreiten eines festgelegten Importkontingents.
Ein Exportförderprogramm mit der Bezeichnung "Relance Export" haben die beiden Ministerien für Industrie und Handel sowie für Wirtschaft und Finanzen 2022 in Kooperation mit der Export- und Investitionsförderagentur AMDIE sowie mit dem Verband der Exporteure ASMEX aufgelegt. Gefördert werden 40 Hersteller unterschiedlicher Branchen. Teilnahmebedingung ist, dass der Exportwert pro Betrieb 1 Million US$ pro Jahr übersteigt. Ab 2024 fährt AMDIE ein weiteres Exportförderprogramm unter der Dachmarke Export Morocco Now. Hieran können insgesamt 350 Unternehmen teilnehmen, deren Export in den vorangegangenen drei Jahren jeweils über 0,5 Millionen US$ lag.
Messe | Ort/Zeitpunkt |
---|---|
Casablanca, November 2024 | |
Casablanca, Dezember 2024 |