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Geberkonferenz hilft Moldau mit 660 Millionen Euro
30 Länder unterstützen Moldau mit 660 Millionen Euro. Damit soll die Abhängigkeit von Russland verringert und die Resilienz des Landes gestärkt werden.
20.04.2022
Von Christian Overhoff | Bonn
Als einziger Nicht-EU-Mitgliedstaat an der westlichen Grenze der Ukraine ist die Republik Moldau mit ihren 2,4 Millionen Einwohnern einer besonderen Belastung ausgesetzt. Mehr als 400.000 Geflüchtete aus der Ukraine überquerten seit dem 24. Februar die moldauische Grenze. Knapp 100.000 halten sich noch heute in Moldau auf.
Geberkonferenz unterstützt bei der Versorgung von Geflüchteten
"Brücke der Solidarität" war das Motto der Unterstützerkonferenz (Moldova Support Conference, MSC) am 5. April in Berlin, zu der die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock eingeladen hatte und bei der sie gemeinsam mit Frankreich und Rumänien den Vorsitz führte. Baerbock betonte, dass Moldau bei der Bewältigung der Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine nicht alleine stehe, sondern auf seine europäischen und transatlantischen Partnerinnen und Partner zählen könne. Die Konferenz thematisierte, wie das Land bei der Versorgung der zahlreichen Geflüchteten unterstützt werden kann.
Moldova Support Platform zielt auf Diversifizierung und Resilienz
Die Teilnehmer der MSC beschlossen die Gründung der Unterstützungsplattform Moldova Support Platform (MSP) und sagten der Regierung Moldaus Hilfen in Höhe von 660 Millionen Euro zur Stabilisierung von Wirtschaft und Finanzen zu. Sie werden teils als Zuschüsse, teils als Kredite gewährt. Neben der direkten Stärkung der Finanzen soll die Plattform dazu beitragen, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen sowie die wirtschaftliche Verflechtung mit Russland allgemein zu verringern. Mit Blick auf die vielen Geflüchteten stellte Baerbock die Fortsetzung der Verteilungsflüge in Aussicht, insbesondere für besonders hilfebedürftige Personen.
Folgende vier Bereiche sind laut MSC zentral, um die Abhängigkeit der Republik Moldau von Russland zu verringern und die Widerstandsfähigkeit des Landes zu stärken:
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Die Konferenzteilnehmer kündigten laut Auswärtigem Amt eine Gesamtsumme in Höhe von 659,5 Millionen Euro an direkter finanzieller Unterstützung für die Republik Moldau an, darunter 108,2 Millionen Euro als unmittelbare Zuschüsse und 530 Millionen Euro über Kredite. Insbesondere die EU-Kommission und die internationalen Finanzinstitutionen stellen direkte Finanzhilfen bereit.
Darüber hinaus wollen die Teilnehmerländer Moldau bei der Bekämpfung der Korruption und der Stärkung des Rechtsstaats unterstützen. Das Land soll im internationalen Handel günstigere Konditionen erhalten, um seine wirtschaftliche Resilienz zu verbessern. Die Staaten vereinbarten, innerhalb vertiefter und umfassender Freihandelszonen (DCFTA) die Handelsquoten für Moldau zu erhöhen.
Weitere Zusicherungen betreffen die Diversifizierung der Gaslieferungen und Stärkung der Konnektivität in der Gasversorgung der Republik. Darüber hinaus wollen die Konferenzteilnehmer auf der kürzlich erfolgten Einbindung Moldaus in den Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) aufbauen dabei helfen, die Anbindung an den europäischen Energiemarkt zu verbessern.
Die MSP will die Schwerpunktbereiche auch langfristig im Blick behalten und kontinuierlich weiterarbeiten. Rumänien kündigte eine Folgekonferenz in Bukarest an.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird sein Hilfsprogramm für Moldau ausbauen. Das bestehende Kreditpaket soll um rund 267 Millionen US-Dollar (US$) auf insgesamt 815 Millionen US$ erhöht werden.
Preisschock bei Lebensmitteln und Energie
Für das Gesamtjahr 2022 erwartete die moldauische Zentralbank bereits vor dem Angriff auf die Ukraine im Februar eine Inflationsrate von knapp 19 Prozent. Neben einem knappen Angebot, das zu Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Treibstoffen führte, verschärften nachfrageseitig ein starker kreditgetriebener Konsum und Überweisungen aus dem Ausland die Lage.
Die finanziellen, administrativen und personellen Ressourcen des Landes waren bereits strapaziert, dazu kommen noch die Belastungen durch die Pandemie und die erheblich gestiegenen Energiekosten. Die Gaspreise sind der Regierung zufolge binnen Jahresfrist um 360 Prozent gestiegen.
Unterbrochene Lieferketten führen in vielen Branchen zu wesentlich höheren Kosten. Bisherige Importe aus der Ukraine, Russland und Belarus muss Moldau durch teurere Einfuhren aus anderen Ländern ersetzen. Die EU hat sich durch das Freihandelsabkommen (DCFTA) zum wichtigsten Handelspartner entwickelt. Moldau bezog 2021 rund 44 Prozent seiner Waren aus der EU und 15 Prozent aus Russland. Im gleichen Jahr lieferte Moldau laut Statistikbehörde des Landes 61 Prozent des Warenexports in die EU sowie immerhin 9 Prozent nach Russland.
Hohe Energieabhängigkeit von Moskau
Die Energieversorgung Moldaus hängt fast vollständig von Russland ab. Ein für Moldau günstiger Gasvertrag mit dem russischen Konzern Gazprom lief im September 2021 aus. Anschließende Verhandlungen mussten bei global sehr hohen Gaspreisen geführt werden und führten zu einem starken Anstieg des Preises. Die Regierung unterstützt die privaten Haushalte zur Abmilderung des Gaspreisschocks. Sie sind mit 60 Prozent des Verbrauchs die größte Konsumentengruppe für Gas in Moldau und wegen des geringen Einkommensniveaus stark betroffen. Der Anteil der Industrie am Gasverbrauch ist hingegen relativ gering, da es kaum energieintensive Industrie in dem Land gibt.
Die Kosten für die monatlichen Gaslieferungen aus Russland und der ausstehende Schuldendienst von 709 Millionen US$ sind für Moldau eine große Herausforderung. Umso wichtiger sind daher die jetzt angekündigten Finanzhilfen der Geberländer und die Unterstützung der Wirtschaft.
Die neue reformorientierte Regierung unter Premierministerin Natalia Gavrilița steuert seit August 2021 einen proeuropäischen Kurs. Moldau reichte im März 2022 die Kandidatur für einen Beitritt zur EU ein. Der Antrag wird nun von der EU-Kommission geprüft.