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Nepalesische Wasserkraft ist künftiger Exportschlager
Das Land will mehr Strom aus Wasserkraft erzeugen und investiert in neue Kraftwerke. Auch die Solarenergie bietet Potenzial. Eine erste Ausschreibung über 960 Megawatt läuft.
25.06.2024
Von Boris Alex | New Delhi
Nepal bietet durch seine geografische Lage im Himalaya gute Standortbedingungen für die Wasserkraft. Sowohl die Regierung als auch die Industrie wollen die Stromerzeugung in den kommenden Jahren kräftig ausbauen. Damit soll nicht nur der Eigenbedarf gedeckt, sondern der Strom auch im großen Stil in benachbarte Länder exportiert werden. Erste Lieferabkommen mit Indien und Bangladesch wurden bereits geschlossen.
Die derzeit rund 350 geplanten und im Bau befindlichen Wasserkraftprojekte bieten Geschäftschancen sowohl für Hersteller von Turbinen, Pumpen sowie Mess- und Regelungstechnik, als auch für Anbieter von Ingenieurs- und Beratungsdienstleitungen.
Nepal will Wasserkraftkapazitäten verzehnfachen
Das Ministry of Energy, Water Resources and Irrigation beziffert Nepals technisches Potenzial für die Stromerzeugung aus Wasserkraft auf 83 Gigawatt. Wirtschaftlich realisierbar ist allerdings nur gut die Hälfte davon.
Die privaten Stromerzeuger haben seit 2014 rund 9 Milliarden US-Dollar (US$) investiert und damit maßgeblich dazu beigetragen, dass Nepals Wasserkraftkapazitäten heute mit 3 Gigawatt fast dreimal so hoch sind wie noch vor zehn Jahren. Die Regierung will bis 2035 die Kapazitäten auf 28,5 Gigawatt fast verzehnfachen. Davon sollen 13,5 Gigawatt für den Eigenbedarf und 15 Gigawatt für den Stromexport zur Verfügung stehen.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind in den nächsten zehn Jahren Investitionen von bis zu 47 Milliarden US$ nötig, schätzt die Independent Power Producers' Association Nepal (IPPAN). Davon entfallen 40 Milliarden US$ auf neue Kraftwerke und 7 Milliarden US$ auf den Ausbau der Netzinfrastruktur.
Von den insgesamt etwa 350 geplanten und im Bau befindlichen Wasserkraftwerken sind 150 größere Anlagen mit Leistungen von mehr als 1 Megawatt. Das derzeit größte Einzelvorhaben ist ein 2-Gigawatt-Kraftwerk in der Provinz Karnali mit einem Investitionsvolumen von fast 4 Milliarden US$. Es zählt zu den 19 Schlüsselprojekten der Regierung im Infrastruktursektor. Das Kraftwerk soll im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft als "Build Own Operate Transfer"-Projekt realisiert werden. Der Start des Ausschreibungsverfahren ist laut Investment Board für 2025 geplant.
Projekt | Kapazität (in Megawatt) | Investitionen (in Mio. US$) | Stand | Durchführer |
---|---|---|---|---|
Mugu Karnali Storage Hydroelectric Project | 1.900 | 3.900 | Planungsstadium | Vidhyut Utpadan Company |
Khimti Those Siwalaya Storage Hydropower Project | 1.216 | 1.543 | Planungsstadium | Investment Board Nepal |
Budhi Gandaki Hydropower Project | 1.200 | 2.256 | Planungsstadium | Budhigandaki Jalbidhyut Company |
Upper Arun Hydro Electric Project | 1.063 | 1.710 | Planungsstadium; Teilfinanzierung durch Asian Development Bank und Weltbank | Upper Arun Hydro-electric |
Arun-3 Hydro Electric Project | 900 | 1.065 | Im Bau; Fertigstellung für 2025 geplant | SJVN Arun-3 Power Development Company |
Upper Karnali Hydropower Project | 900 | k. A. | Planungsstadium | GMR Energy, SJVN |
Kaligandaki-2 Storage Hydropower Project | 650 | 985 | Planungsstadium | Investment Board Nepal |
Kimathanka Arun Hydropower Project | 454 | 784 | Planungsstadium | Vidhyut Utpadan Company |
Upper Marsyangdi-2 Hydropower Project | 327 | 650 | Planungsstadium | SCIG International Nepal Hydro Joint Development Company |
Tanahun Hydropower Project | 140 | 505 | Im Bau; Fertigstellung für 2026 geplant; Finanzierung durch Asian Development Bank, European Investment Bank, Japan International Cooperation Agency | Tanahu Hydro Power |
Indien kauft keinen Strom aus Kraftwerken mit chinesischer Beteiligung
Nepal will sich als Lieferant von grünem Strom in Südasien etablieren. Mit Indien wurde im Januar 2024 vereinbart, dass Nepal bis 2035 Wasserkraftkapazitäten von 10 Gigawatt alleinig für den Export zum südlichen Nachbarn aufbaut. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Kraftwerke nicht mit chinesischer Beteiligung, sei es als Investor oder Bauherr, realisiert werden. In den letzten Jahren wurden bereits einige Projekte zusammen mit indischen Unternehmen wie dem Infrastrukturkonzern GMR Group oder dem staatlichen Betreiber von Wasserkraftwerken SJVN angeschoben. Zwei Anlagen mit jeweils 900 Megawatt sollen nach mehrjähriger Verzögerung 2025 erstmals Strom produzieren.
Für Nepals Regierung genießt der Ausbau der Wasserkraft hohe Priorität. Zum einen soll so die Stromversorgung der lokalen Haushalte und Industrie verbessert werden. Vor allem in den Wintermonaten kommt es immer wieder zu Stromausfällen, da die Kraftwerke wetterbedingt nicht mit voller Leistung betrieben werden können. Um die Bedarfslücke zu schließen, muss teurer Strom aus Indien importiert werden.
Zudem beträgt der Anteil der Elektrizität am Primärenergieverbrauch der Haushalte gerade einmal 4 Prozent, bei Industrie und Gewerbe rund 8 Prozent. Zum Kochen und Heizen verwenden die Haushalte zu 80 Prozent Brennholz. In der Industrie entfallen drei Viertel des Energieverbrauchs auf die Kohlenstoffdioxid-intensiven Energieträger Kohle, Brennholz und Diesel, die möglichst durch Wasserkraft ersetzt werden sollen.
Mit Wasser- und Solarkraft zur Klimaneutralität
Nepal hat sich im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens dazu verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Regierung unter anderem den Anteil von Strom aus erneuerbaren Quellen am Primärenergieverbrauch in allen Sektoren erhöhen.
Neben der Industrie und den privaten Haushalten bietet auch der Transportsektor Potenzial. So soll der Anteil von Elektrofahrzeugen an den Neuzulassungen bis 2035 auf 50 bis 60 Prozent gesteigert werden. Da niedrigere Einfuhrzölle auf batteriebetriebene Fahrzeuge anfallen, ist die Zahl der Elektro-Pkw auf Nepals Straßen in den letzten zwei Jahren stark gewachsen. Der chinesische Karosseriehersteller Xiamen Golden Dragon Auto Body will mit seinem lokalen Partner Koshi NK Motors künftig Minibusse mit Elektroantrieb in Nepal montieren und investiert 22 Millionen US$ in ein Werk in Biratnagar im Südosten des Landes an der Grenze zu Indien.
Neben der Wasserkraft setzt Nepals Regierung auch auf Solarstrom. Das technische Potenzial von Fotovoltaik beziffert IPPAN auf 28 Gigawatt. Doch das wird bislang kaum genutzt: Im April 2024 waren 16 Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von 105 Megawatt am Netz, weitere 93 Megawatt befanden sich im Bau und 172 Megawatt in Genehmigungsverfahren.
Die Nepal Electricity Authority hat im März 2024 das Ausschreibungsverfahren zu Stromabnahmeverträgen über 960 Megawatt gestartet. Der Basispreis pro Kilowattstunde liegt bei umgerechnet 0,04 US$.
Finanzierung der Projekte gestaltet sich schwierig
Die Regierung kann die Investitionen im Energiesektor nicht alleine stemmen. Die Finanzierungslücke bei den Wasserkraftprojekten beläuft sich auf etwa 27 Milliarden US$. Nepals Bankensektor bietet nur sehr eingeschränkt Kredite für Projekte mit Laufzeiten zwischen 20 und 25 Jahren an, so die Aussage der Hydroelectricity Investment and Development Company. Die privaten Projektentwickler setzten daher auf internationale Investoren. Der Energiesektor kam im Finanzjahr 2021/2022 (16. Juli bis 15. Juli) mit 640 Millionen US$ auf einen Anteil von 40 Prozent am Bestand an ausländischen Direktinvestitionen.