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Niederlande sind ein führender Markt für Elektromobilität
Elektro- und Hybridautos gewinnen in den Niederlanden stark an Bedeutung. Wegen hoher Preissteigerungen wurden 2022 trotzdem weniger Pkw registriert.
30.01.2023
Von Torsten Pauly | Berlin
Der niederländische Pkw-Markt ist das dritte Jahr in Folge geschrumpft. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 312.129 Autos neu zugelassen. Das waren 29,9 Prozent weniger als 2019. Ein Grund für den sinkenden Absatz sind die hohen Preissteigerungen. Mitte 2022 kostete ein Neuwagen im Schnitt 43.072 Euro - ein Anstieg um 16,8 Prozent gegenüber 2019. Oft haben sich aber auch bestellte Auslieferungen verzögert, weil die Hersteller auf Zulieferungen, insbesondere von Mikrochips, warten mussten.
Zulassungen sollen 2023 wieder steigen
Der Fachverband Koninklijke RAI Vereninging erwartet für 2023 etwa 340.000 Neuzulassungen. Die Analysten der Bank ING rechnen mit einem etwas moderateren Volumen von 335.000 Erstregistrierungen. Damit sollten 2023 wieder 7 Prozent bis 9 Prozent mehr neue Autos auf die niederländischen Straßen kommen.
Ihren Optimismus begründen die Analysten mit den gefüllten Auftragsbüchern der Autobauer, die aufgrund der Produktionsschwierigkeiten noch nicht abgearbeitet sind. Voraussetzung für eine nachhaltige Erholung ist allerdings, dass die Lieferketten in der Fertigung dauerhaft reibungslos funktionieren. Die ING Bank rechnet damit, dass Autos noch teurer werden, weil die Hersteller mehr für Energie und andere Vorprodukte ausgeben müssen.
Nachfrage nach umweltfreundlichen Antrieben wächst stark
Im Jahr 2022 haben sich 15,2 Prozent mehr niederländische Neuwagenkäufer für ein Modell mit reinem Elektromotor entschieden als 2021. Kräftige Anstiege haben auch Plug-In-Hybridfahrzeuge (+11,4 Prozent) und reine Hybrid-Pkw (+8,9 Prozent) erlebt. Stark eingebrochen sind dagegen die Neuzulassungen von Benzinern (-18,7 Prozent) und Dieselfahrzeugen (-33 Prozent). Reine Elektroautos hatten damit 2022 bereits einen Marktanteil von 23,5 Prozent. Dies war die zweithöchste Rate in Europa, nach Schweden und vor Dänemark. Die niederländische Regierung will 2030 nur noch neue Elektroautos zulassen.
Niederlande haben die meisten Ladestationen in Europa
Ende 2022 gab es in den Niederlanden fast 120.000 öffentliche Ladestationen für Elektroautos. Hinzu kommen über 4.100 Schnellladestationen. Somit gibt es im Schnitt mehr als eine Anlage für fünf zugelassene Fahrzeuge. Die Niederlande haben damit das dichteste Netz in Europa. Ende 2021 existierten dort bereits mehr als anderthalbmal so viel öffentliche Elektrozapfsäulen wie in ganz Deutschland.
Auch der niederländische Staat fördert die Anschaffung von Elektrofahrzeugen. Die Zuschüsse betragen 2023 für Privatpersonen bis zu 2.950 Euro und für Unternehmen bis zu 5.000 Euro. Allerdings gibt es eine Obergrenze von 100 Millionen Euro für Neu- und von 32 Millionen Euro für Gebrauchtwagen. Der Verband RAI kritisiert, dass diese Summen angesichts der boomenden Nachfrage zu gering sind. So waren 2022 alle Gelder bereits zur Jahresmitte vergeben. Dazu subventionieren Provinzen kostenloses Laden. Über Förderprogramme informiert das Onlineportal Nederland elektrisch.
Volkswagen bleibt trotz Rückgängen Pkw-Marktführer
Auch die deutschen Autobauer wachsen vor allem durch den Verkauf von Elektrofahrzeugen. So stiegen bei Audi die Anmeldungen von e-tron-Modellen 2022 um 80 Prozent, während alle anderen Typen nur um 1,8 Prozent zulegten. BMW konnte mit seiner I-Reihe 2022 sogar einen Zuwachs um 244,6 Prozent verbuchen, während die Anmeldungen anderer Modelle um 23 Prozent einbrachen. Mercedes registrierte in der EQ-Serie 2022 ein Plus von 51,9 Prozent, bei allen anderen Typen dagegen ein Minus von 8,2 Prozent. VW verzeichnete bei seinen ID-Elektroautos 2022 einen Rückgang um 1,9 Prozent, alle anderen Modellen mussten einen Einbruch von 19,7 Prozent hinnehmen.
Alle Antriebsarten zusammen genommen hat der Volkswagenkonzern 2022 in den Niederlanden jedoch erneut die meisten Neuwagen abgesetzt, trotz eines Gesamtrückgangs um 14,9 Prozent. Es folgten die Stellantis-Gruppe, Kia und Renault-Nissan. Stellantis NV hat seinen Sitz aus steuerlichen Gründen in den Niederlanden.
Cluster für Batteriesysteme
In den Niederlanden gibt es auch ein Kompetenzcluster für neuartige Batterien samt deren Materialen, Produktionsprozessen und Möglichkeiten ihrer späteren Wiederverwertung. Beteiligt sind unter anderem die Technische Universität Eindhoven, der Verband für Seefahrttechnologie NMT (Netherlands Maritime Technology), die Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung TNO, der Lkw-Bauer DAF und der Bushersteller VDL.
Die erfolgreichsten Anbieter von reinen Elektroautos auf Batteriebasis sind in den Niederlanden Tesla, Kia, Hyundai und Renault-Nissan. Auch Volkswagen ist als einziger Konzern aus Deutschland mit seinen Marken VW, Skoda und Audi unter den beliebtesten Batterieautos vertreten.
Hersteller, Modell | Anzahl (Ende 2022) |
---|---|
Tesla, Model 3 | 42.611 |
Kia, Niro | 19.607 |
VW, ID3 | 16.734 |
Hyundai, Kona | 16.640 |
Renault, Zoe | 12.900 |
Skoda, Enyaq | 12.431 |
Nissan, Leaf | 12.136 |
Audi, e-tron | 11.554 |
Tesla, Model S | 11.005 |
VW, Golf | 10.088 |
Bei den Plug-In-Hybridmodellen haben Volvo und erneut der Volkswagenkonzern die stärkste Marktstellung in den Niederlanden. Hinzu kommen Mitsubishi, die chinesische Marke Lynk&Co und Mercedes.
Hersteller, Modell | Anzahl (Ende 2022) |
---|---|
Mitsubishi, Outlander | 21.645 |
Volvo, V60 | 12.193 |
VW, Golf | 9.559 |
Volvo, XC40 | 9.328 |
LynkCo, 01 | 9.131 |
Volvo, XC90 | 8.718 |
VW, Passat | 7.258 |
Volvo, XC60 | 6.773 |
Audi, A3 e-tron | 6.357 |
Mercedes, C-Klasse | 5.976 |
Auch weniger neue Nutzfahrzeuge
Im Jahr 2022 sind 9,6 Prozent weniger neue Nutzfahrzeuge (Nfz) auf den niederländischen Markt gekommen. Einem Rückgang um 13 Prozent bei den leichten Modellen mit bis zu 3,5 Tonnen stand dabei aber ein Anstieg um 12,5 Prozent bei den größeren Fahrzeugen gegenüber.
Auch im Segment der Nfz halten Marktkenner 2023 ein Wachstum für möglich. Voraussetzung ist aber wie bei den Pkw, dass alle Lieferketten reibungslos funktionieren und die Bestellungen einschließlich der Überhänge aus 2022 zeitig ausgeliefert werden können. Auch Nfz sollen sich wegen höherer Produktionskosten weiter verteuern. Bereits 2021 kostete ein Lieferwagen laut neuesten verfügbaren Zahlen im Schnitt 49.824 Euro. Das waren 8 Prozent mehr als 2019.
Segment | 2022 | Veränderung 2022/2021 |
---|---|---|
Kfz | 386.561 | -4,5 |
Pkw, darunter | 312.129 | -3,2 |
reiner Elektromotor | 73.305 | 15,2 |
Plug-In-Hybrid | 34.530 | 11,4 |
Hybrid | 77.888 | 8.9 |
Nfz, darunter | 74.481 | -9,3 |
bis zu 3,5 Tonnen | 60.952 | -13,0 |
über 3,5 Tonnen | 13.529 | 12,5 |
Busse | 221 | -32,8 |
Unterstützung beim Markteintritt offeriert unter anderem die Deutsch-Niederländische Handelskammer.