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Niederlande treiben Kohlendioxidspeicherung stark voran
Niederländische Firmen sind Vorreiter bei der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture Storage, CCS). Der Staat fördert ein Projekt mit 2,1 Milliarden Euro.
18.01.2023
Von Torsten Pauly | Berlin
Projekte zur unterirdischen Kohlendioxidlagerung bieten auch deutschen Lieferanten, etwa von Kompressoren und Pumpen, viele Geschäftschancen. Zur CCS-Technologie existiert in den Niederlanden bereits seit 2004 das nationale Programm CATO. Bei CATO kooperieren Eon, Wintershall, Shell, Vattenfall und andere Unternehmen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen.
Lagerstätten unter dem Meeresboden und dem Festland
In den Niederlanden bieten sich die großen ehemaligen Erdgasfelder zur Speicherung von komprimiertem Kohlendioxid an. Laut der Regierung gibt es dort bis 2050 ein Lagerpotenzial von bis zu 3.200 Megatonnen Kohlendioxid. Dies entspricht dem Zwanzigfachen dessen, was die Niederlande 2021 ausgestoßen haben. Von dieser Gesamtmenge können 1.200 Megatonnen unter dem Nordseeboden und bis zu 2.000 Megatonnen unter dem niederländischen Festland gelagert werden.
Der Regierung scheint in ihrem „Nordseeprogramm 2022 bis 2027“ zunächst die Verfüllung von 10,2 Megatonnen Kohlendioxid im Jahr unter der Nordsee möglich. Davon sollen 7,2 Megatonnen Kohlendioxid von der Industrie und 3 Megatonnen Kohlendioxid von Stromerzeugern stammen. Diese Menge kann aber mittelfristig stark steigen.
Investoren schließen sich zusammen
Bis jetzt konzentrieren sich die CCS-Projekte in den südwestlichen Niederlanden. In Rotterdam entwickeln die dortige Hafengesellschaft, der öffentliche Gaspipelinebetreiber Gasunie und der ebenfalls staatliche Erdgaskonzern EBD (Energie Beheer Nederland) das Projekt Porthos (Port of Rotterdam CO2 Transport Hub and Offshore Storage). Ziel ist es, Pipelines und Verdichtungsstationen zu errichten, um das Kohlendioxid 22 Kilometer vor der Küste im ehemaligen P18-Gasfeld zu speichern.
Wenn alle Genehmigungen noch im Jahr 2023 erteilt werden, kann die Porthos-Infrastruktur nach zweijähriger Bauzeit ab 2026 jährlich 2,5 Megatonnen Kohlendioxid unter den Nordseeboden bringen. Bereits feststehende Industriepartner sind die in Rotterdam produzierenden Konzerne Shell, ExxonMobil, Air Liquide und Air Products. Die Porthos-Investoren erhalten öffentliche Fördermittel in Höhe von 2,1 Milliarden Euro aus dem Programm SDE++.
Eine weitere Kooperation in Rotterdam ist die öffentlich-private Partnerschaft Aramis. An dieser nehmen neben Gasunie, EBD und Shell auch der französische Konzern TotalEnergies teil. Aramis will die Onshore-Infrastruktur von Porthos teilweise mitnutzen, das Kohlendioxid jedoch etwa 200 Kilometer von Rotterdam entfernt unter der Nordsee lagern. Der Bau soll 2025 und 2026 erfolgen, sodass Aramis ab 2027 jährlich 5 Megatonnen Kohlendioxid an den Speicherort pumpen kann. Ende 2022 hat die niederländische Regierung Aramis als Energieprojekt von nationaler Bedeutung eingestuft.
Nicht weiter verfolgt wird dagegen das Athos-Projekt in Amsterdam und dem nahegelegenen Hafen Ijmuiden. Dieses sollte Kohlendioxid vom dortigen Tata-Stahlwerk abscheiden und unter dem Meer speichern. Tata stellt seine dortige Produktion jedoch auf Wasserstoff um.
Projekte mit Deutschland und Belgien
Die Niederlande wollen auch Kohlendioxid aus den Nachbarländern unter ihren Nordseegewässern speichern. Von zentraler Bedeutung ist hier das Pipelineprojekt Delta Corridor. Diese Leitung soll von Rotterdam in die südöstliche Provinz Limburg und nach Deutschland führen. Geplant sind vier Röhren, die grünen Wasserstoff aus Rotterdam nach Osten und Kohlendioxid in umgekehrter Richtung an die südholländische Küste leiten. Beteiligen wollen sich unter anderem RWE, Thyssenkrupp und HeidelbergCement. Da die Vorbereitungen und Verhandlungen aber noch laufen, erscheint die geplante Realisierung bis 2026 als sehr ambitioniert.
Ein gemeinsames Projekt in der niederländischen Provinz Zeeland und der belgischen Region Flandern hat den Namen Carbon Connect Delta. Dieses soll Kohlendioxid aus dem Grenzgebiet, vor allem aus der Industrie von Gent, Terneuzen und Vlissingen in ehemaligen Gasfeldern speichern. Das Vorhaben wird noch evaluiert, möglich erscheint eine Jahresmenge von 6,5 Megatonnen Kohlendioxid.
Weiteres Potenzial in Noord-Nederland
Langfristig haben die Niederlande noch sehr viel größere Möglichkeiten zur Speicherung von 9.000 Megatonnen Kohlendioxid. Diese Stätten befinden sich im Nordosten des Landes im Boden der Provinz Groningen, beziehungsweise unter der dort vorgelagerten Nordsee. Dort fördern die Niederlande derzeit jedoch noch Erdgas. Daher hält die Regierung eine Einlagerung von Kohlendioxid in diesem Gebiet erst ab 2050 für möglich.
Die Verfüllung der ausgebeuteten Erdgasfelder könnte auch Absenkungen und Erdbeben, die durch die Leerräume auftreten, entgegenwirken. Seit Mitte der Achtziger Jahre gab es im Nordosten der Niederlande über 1.150 meist geringe seismologische Verwerfungen.
Ausstoß von Kohlendioxid ist noch sehr hoch
Die niederländische Regierung will den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 auf 5 Prozent des Standes von 1990 senken. Dies ist angesichts der noch hohen Emissionen ein sehr ehrgeiziges Ziel, das ohne die Speicherung von Kohlendioxid im Erdboden nicht möglich erscheint.
In den Niederlanden haben die Wirtschaft, der Staat und die Haushalte 2021 im Schnitt 9 Tonnen Kohlendioxid je Einwohner emittiert. Dies ist 36,2 Prozent mehr als im Mittel der Europäischen Union. Nur Luxemburg, Dänemark und Polen hatten einen noch höheren Ausstoß. Insgesamt haben die Niederlande 2021 etwa 157,3 Megatonnen Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben.