Recht kompakt | Niederlande | Gewährleistung
Gewährleistungsrecht in den Niederlanden
Rechtliche Grundlage ist Buch 7 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek - BW). Danach gilt, dass die gelieferte Sache dem Vertrag entsprechen muss.
15.03.2022
Von Dr. Achim Kampf, Nadine Bauer | Bonn
Allgemeines
Eine Sache gilt nach Art. 7:17 Abs. 2 BW nicht als vertragsgemäß und damit mangelhaft, wenn sie in Anbetracht ihrer Beschaffenheit und der vom Verkäufer erteilten Auskünfte nicht die Eigenschaften besitzt, die der Käufer aufgrund des Vertrages erwarten durfte. Der Käufer darf erwarten, dass die Sache sowohl die für den gewöhnlichen Verbrauch erforderlichen Eigenschaften aufweist, als auch die für eine im Vertrag vorgesehene besondere Verwendung erforderlichen Eigenschaften.
Eine Rügepflicht des Käufers normiert Art. 7:23 BW. Inwieweit ein Käufer zur Untersuchung der Ware verpflichtet ist, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalles wie der Natur der Sache, der Natur des Mangels, dem Vertragsverhältnis der Parteien und den zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten, die Sache zu überprüfen. Der Gattung nach bestimmte Sachen können in der Regel nur stichprobenweise untersucht werden. Der Käufer kann sich nicht mehr darauf berufen, dass das Gelieferte nicht dem Vertrag entspricht, wenn er den Verkäufer davon nicht innerhalb angemessener Zeit, nachdem er dies entdeckt hat oder vernünftigerweise hätte entdecken müssen, in Kenntnis gesetzt hat (Art. 7:23 Abs. 1 BW). Bei nicht rechtzeitiger Rüge verliert der Käufer also jeden Anspruch, den er wegen der Mängel hätte geltend machen können.
Ist die gelieferte Sache nicht vertragsgemäß, hat der Käufer gemäß Art. 7:21 BW einen Anspruch auf
- Nachlieferung,
- Nachbesserung der gelieferten Sache, vorausgesetzt, es besteht ein angemessenes Verhältnis zwischen den Kosten der Nachbesserung und dem Wert der Kaufsache, oder
- Ersatz der gelieferten Sache, falls die Vertragswidrigkeit den Ersatz rechtfertigt und eine Nachbesserung oder Schadensersatz nicht den kostengünstigeren Weg darstellen.
Die Verjährung des Anspruches knüpft an den Zeitpunkt der Anzeige eines Mangels an und beträgt zwei Jahre (Art. 7:23 Abs. 2 BW). Zudem besteht hinsichtlich der Verjährung kein Unterschied zwischen Neuware und gebrauchter Ware.
Verbrauchsgüterkauf
Ein Verbrauchsgüterkauf liegt bei Kaufverträgen über bewegliche Güter vor, die von einem Verkäufer abgeschlossen werden, der in Ausübung eines Berufes oder Gewerbes handelt, und einem Käufer, der eine natürliche Person ist und nicht in Ausübung eines Berufes oder Gewerbes handelt (Art. 7:5 Abs. 1 BW). Der Verkäufer ist zur vertragsgemäßen Lieferung der Sache verpflichtet. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so haftet der Verkäufer gegenüber dem Verbraucher selbst dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. Es wird vermutet, dass solche Mängel, die innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Lieferung offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden (Art. 7:18 Abs. 2 BW). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vermutung mit der Art des Gutes oder des Mangels unvereinbar ist. Der Verbraucher kann sich aber nicht auf die Vertragswidrigkeit berufen, wenn er davon Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Entscheidend ist dafür der Zeitpunkt der Lieferung (nicht derjenige des Vertragsschlusses). Bei Mangelhaftigkeit der Ware stehen dem Verbraucher folgende Ansprüche zu:
- Vertragsauflösung, Art. 7:22 BW,
- Minderung des Kaufpreises, Art. 7:22 BW,
- Nachbesserung oder Ersatzlieferung, Art. 7:21 BW,
- Schadensersatz für Folgeschäden, Art. 7:24 BW.
Die Ansprüche der Minderung beziehungsweise Vertragsauflösung kann der Verbraucher erst geltend machen, wenn er zunächst erfolglos Nachbesserung oder Ersatzlieferung verlangt hat. Der Verbraucher kann die Nachbesserung auf Kosten des Verkäufers durch einen Dritten vornehmen lassen, wenn der Verkäufer seiner Nachbesserungspflicht auch nach schriftlicher Aufforderung nicht innerhalb einer angemessenen Zeit nachgekommen ist (Art. 7:21 Abs. 6 BW).
Zu beachten ist, dass Verkäufern ein gesetzliches Recht auf Rücknahme (Art. 7:39 BW) zusteht, sollte der Käufer die Ware nicht rechtzeitig bezahlen und in der Folge durch den Verkäufer erfolglos schriftlich gemahnt worden sein oder sich aus den Umständen ergeben, dass der Käufer den Kaufpreis nicht entrichten werde (Verzug). Dieses Rücknahmerecht besteht auch im Falle der Insolvenz des Käufers, sofern der Verkäufer dieses Recht fristgerecht geltend macht, Art. 7:40 BW.
Das niederländische Amt für Verbraucher und Märkte (Autoriteit Consument & Markt – ACM) stellt weitergehende Informationen zum Verbrauchsgüterkauf zur Verfügung.
Aktuelles: Harmonisierung der Gewährleistungsrechte im Bereich Online- und Offline-Warenkauf
Im Rahmen der Strategie für den digitalen Binnenmarkt hat die Europäische Union zwei neue Richtlinien auf den Weg gebracht, die eine Harmonisierung der Gewährleistungsrechte im Bereich Online- und Offline-Warenkauf und damit eine Stärkung des Verbraucherschutzes vor allem bei grenzüberschreitenden Käufen erzielen sollen. Die EU-Mitgliedstaaten mussten diese Richtlinien bis zum 1. Januar 2022 in nationales Recht umsetzen.
In den Niederlanden ist diese Umsetzung bisher nicht erfolgt. Der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens kann auf dem Portal Overheid eingesehen werden. Einen Überblick über die bevorstehenden Änderungen hält die niederländische Unternehmensagentur RVO bereit.