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Neuer Tiefseehafen Lekki als Schub für Logistik
Großfrachter können Afrikas größte Volkswirtschaft nun endlich direkt anlaufen. Der Hafen hat bereits Ausbaupläne. Und er zeigt eine neue Auslandsstrategie von Chinas Baukonzernen.
10.10.2023
Von Ulrich Binkert | Bonn
In Nigerias neuem Tiefseehafen Lekki erwägt das singapurische Unternehmen Tolaram den Bau eines Massengut-Terminals für geschätzt 100 Millionen bis 150 Millionen US-Dollar (US$). Als Voraussetzung dafür sucht Tolaram derzeit Frachtkunden. Die Firma hofft dafür bis Anfang 2025 genügend Verträge abgeschlossen zu haben, sagt der für Energie zuständige Manager Prem Krishna. Tolaram ist Eigentümer und Betreiber der benachbarten Lagos Free Zone sowie Anteilseigner (22,5 Prozent) des bestehenden Hafens, Lekki Port LFTZ.
Der Hafen als "Game Changer"
Für Nigeria gilt der Hafen Lekki unweit der Wirtschaftsmetropole Lagos als "Game Changer". Mit seinem 16,5 Meter tiefen Becken ist er Nigerias erster Tiefseehafen, der Containerfrachter fast der größten Klasse (bis 18.000 Standardcontainer/TEU) bedienen kann. Die bisherigen Häfen in Lagos, Apapa und Tin Can Island, können nur kleine Schiffe abfertigen. Bislang läuft Nigeria-Fracht oft per Zubringer über Cotonou in Benin oder andere Häfen der Region. Nigerias Terminals sind zudem sehr ineffizient mit oft monatelangen Wartezeiten und hohen Kosten. Die im April 2023 in Betrieb genommene erste Phase von Lekki hätte mit ihren 1,2 Millionen TEU 2021 knapp 77 Prozent von Nigerias gesamtem Containerhafenumschlag abwickeln können. Betreiberin von Lekki ist CMAT, ein Tochterunternehmen der französischen Reederei CMA CGM.
Von Reedereien hatten die Hafenbetreiber nach eigenen Angaben Mitte August erst ihre Muttergesellschaft CMA unter Vertrag, Verhandlungen mit anderen Linien liefen. Wöchentlich empfange man bis dato ein bis zwei Schiffe der Größenordnung 4.500 TEU. Nach Angaben des Baukonzerns China Harbour (CHEC), der das Terminal gebaut hat und auch dessen Teilhaber (52,5 Prozent) ist, dreht sich die Logik im regionalen Seetransport nun um: Demnach lief im Juli ein Frachter Lekki an, von wo aus erstmals Container nach Cotonou gingen. Zielmarkt sei aber eindeutig Nigeria selbst. BASF wickelt nach Firmenangaben vom August 2023 inzwischen Übersee-Exporte nach Ghana und Südafrika über Lekki ab.
China Harbour hofft auf weiteren Ausbau
Das Massengutterminal wird die nächste Ausbaustufe von Lekki sein, sagt ein CHEC-Vertreter. Im Endausbau soll der Hafen zudem über jeweils drei Liegeplätze für den Umschlag von Containern und Flüssigkeiten verfügen. Der Containerumschlag, der laut CHEC auch künftig der Fokus des Hafens sein soll, könnte dann 2,5 Millionen TEU im Jahr erreichen.
Ein Ausbau des Containerterminals könnte nach Einschätzung von CHEC in fünf bis sieben Jahren beginnen. Bemerkenswert sind die relativ gering anmutenden Kosten von 200 Millionen US$, die der Baukonzern dafür veranschlagt. Er begründet dies damit, dass die Basis-Infrastruktur bereits vorhanden ist. Ein anderer Grund ist aber offenkundig die Doppelrolle, die CHEC nach der Errichtung von rund 25 Häfen in Afrika in Lekki nun erstmals einging: Als Konzessionär will man die Kosten niedrig halten - während man als Baufirma am Gegenteil interessiert sein dürfte.
Neues Terminal mit chinesischer Technik
Das jetzt in Betrieb genommene Containerterminal verfügt über fünf STS-Kräne des chinesischen Weltmarktführers ZPMC, der wie China Harbour zum Bauriesen CCCC (China Communications Construction Company) gehört. Auch die sonstige Technik stammt weitestgehend von chinesischen Herstellern. So auch die 48 Lkw, die sich auf dem Gelände bewegen. Verträge mit deutschen Techniklieferanten hatte das Hafenkonsortium nach Aussage von CHEC nicht, auch wenn "in vielen Gerätschaften deutsche Technik steckt".
Die Landanbindung des Hafens wie auch der beiden angrenzenden Freizonen Lagos und Lekki ist noch mangelhaft. Die rund 70 Kilometer lange Autofahrt von Victoria Island, dem Geschäftszentrum des westlich gelegenen Lagos, dauerte im August 2023 zwei Stunden. Dem Vernehmen nach hatte man sogar drei Stunden einzuplanen, bevor der Verkehr nach Abschaffung der Treibstoffsubvention in Nigeria im Juni deutlich zurückging. Hauptgrund der aktuellen Verzögerungen sind allerdings Erweiterungsarbeiten an der bestehenden Straße. Es soll also besser werden.
Die Doppelrolle von China Harbour (CHEC) als Erbauer und Teilhaber (52,5 Prozent) des Hafens Lekki gilt als Beispiel für eine neue Strategie chinesischer Infrastrukturunternehmen im Ausland. Nach der Formel "Integrated Investment, Construction and Operation (IICO)” versuchen sie demnach, mit Hilfe von Direktinvestitionen im Ausland Marktanteile zu gewinnen oder zu halten. Hintergrund ist, dass inzwischen sehr viel weniger jener chinesischen Kredite nach Afrika fließen, die dort früher die Projekte chinesischer Firmen finanziert hatten. Die Baukonzerne versuchen deshalb verstärkt an Finanzierungen etwa der Weltbank oder aus anderen Quellen zu kommen - oder sie gehen neue Wege wie mit IICO. Der Hafen Lekki wurde in Teilen von der China Development Bank finanziert. Es handelte sich dabei aber, anders als bei vergleichbaren Projekten früher, weniger um ein politisch abgesichertes Vorzugs-Darlehen, sondern eher um einen kommerziellen Kredit. Anteilseigner des Hafens sind auch Tolaram (22,5 Prozent) und nigerianische Behörden (25 Prozent). |
Landanbindung passt noch nicht
Auch an das überregionale Straßennetz Nigerias jenseits von Lagos ist der Hafen bisher schlecht angeschlossen. Der in gut 50 Kilometer Entfernung nördlich verlaufende Sagamu-Benin-Expressway, die A 121, ist laut Tolaram-Management ein brauchbarer Zugang zu diesem Netz. Das Problem ist die Verbindung von der Küste, wo die Freizone liegt, zur A 121. Drei Verbindungsstraßen sind erst teilweise fertiggestellt oder nur geplant.
Eine Anbindung per Schiene gibt es nicht. Dafür existieren zwar Pläne, mit einer Umsetzung rechnen Beobachter aber frühestens in zehn Jahren. Dass China kaum mehr Kredite an Nigeria wie auch an andere afrikanische Staaten vergibt, ist keine gute Nachricht für solche Projekte: 2022 flossen laut Boston University nur noch knapp 1 Milliarde US$ auf den Kontinent (2016: 28 Milliarden US$).
Ende 2022 sprach ein Vertreter des Hafens Lekki in der Presse von Plänen, 800 Millionen US$ für den Bau eines Schienenstrangs zu organisieren. Er würde über Ijebu zur Küstenlinie von Lagos im Westen nach Calabar im Osten führen. Diese Linie gibt es aber noch gar nicht: Die Regierung stoppte 2022 das mit über 11 Milliarden US$ veranschlagte Projekt, obwohl laut Presse in Teilen eine Finanzierung durch die Standard Chartered Bank vorliegt.
Nigeria hat Pläne für weitere, teils große Häfen. Deren Umsetzung ist aber sehr fraglich. So "genehmigte" die Regierung 2022 zwar 2,6 Milliarden US$ für den Tiefseehafen Badagry, es fehlt jedoch dort wie bei anderen Vorhaben an willigen Finanziers und Investoren. Die Häfen sollen üblicherweise im BOOT-Modell entstehen, also in öffentlich-privater Partnerschaft. Am weitesten gediehen dürfte der Bonny Deep Sea Port sein. Dort laufen in der Nähe bereits Arbeiten am milliardenschweren Ausbau der Herstellung und Verschiffung von Flüssiggas (LNG).
Projekt | Investition (Millionen US$) | Anmerkungen |
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Bonny Deep Sea Port | 462 | China Exim-Bank stellt die vereinbarte Finanzierung von 85 Prozent bislang nicht bereit; Vertragsnehmer (EPC) China Civil Engineering Construction sucht kommerzielle Finanzierung |
Ibom Deep Seaport Development | 4.600 | EPC: China Harbour und andere chinesische Firmen; Projektentwickler: Africa Global Logistics (AGL, früher: Bolloré) |
Benin Port Development | 200 | EPC: Mota-Engil (Vergabe August 2023) |
Escravos Seaport Industrial Complex (mit Tiefseehafen ) | 2.900 | Entwicklungspartner: Hafen Antwerpen |
Badagry Deep Seaport | 2.590 | Entwicklungspartner: unter anderem APM Terminals |
Ondo Deep Seaport | 1.300 | Consultant: OIM-FBS |