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Norwegen soll Europas Kohlenstoffspeicher werden
Norwegen will einen Teil der CO2-Emissionen der EU speichern und so zur europäischen grünen Wende beitragen. Das sieht die neu geschlossene grüne Allianz der beiden Parteien vor.
03.05.2023
Von Michał Woźniak | Stockholm
Norwegen sieht in der Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff (CCS) ein wichtiges, neues Geschäftsfeld. Es könnte die norwegischen Einnahmeflüsse aus Erdöl und Erdgas ersetzen. In Anbetracht der globalen Abkehrbekundungen von fossilen Rohstoffe drohen diese langfristig auszutrocknen.
Die hohe Relevanz für Norwegen wird auch in der neuen grünen Allianz mit der EU bestätigt, welche Ende April 2023 abgeschlossen wurde. "Beide Seiten beabsichtigen zusammenzuarbeiten um die Schlüsseltechnologie [für CCS] auf die Märkte zu bringen um die Dekarbonisierung von Industriesektoren mit schwervermeidbaren Emissionen zu fördern". Die Schlüsseltechnologie soll weiterentwickelt, ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit bewiesen und die notwendige Infrastruktur aufgebaut werden.
CCS klappt nur mit internationalen Partnern
Um erfolgreich mit CCS zu sein, braucht Norwegen Kunden aus dem Ausland. Darum forciert die norwegische Regierung bereits seit einigen Jahren auch bilaterale Kooperationen. Mit Deutschland wurde im März 2022 im Rahmen eines Abkommens über engere Zusammenarbeit bei Energiethemen explizit CCS mit auf die Agenda gesetzt. Kaum ein halbes Jahr später kündigten die Ölfirma Wintershall Dea und das Energieunternehmen Equinor an, eine Verbindung zwischen "kontinentaleuropäischen CO2-Emittenten und den Offshore-Lagerstätten auf dem norwegischen Festlandssockel" bauen zu wollen. Die etwa 900 Kilometer lange Pipeline soll jährliche Übertragungskapazitäten zwischen 20 und 40 Millionen Tonnen CO2 bieten und vor 2032 betriebsbereit sein. Bis es soweit ist, soll CO2 aus Deutschland auf dem Seeweg zu den Lagerstätten gelangen.
Bilaterale Zusammenarbeitsabkommen, die den grenzübergreifenden Transport und die langfristige Lagerung von CO2 erleichtern sollen, hat Norwegen auch mit dem Vereinigten Königreich, Schweden, der Schweiz, Frankreich sowie Belgien geschlossen. Zumindest bei den letzten drei würde sich eine Anbindung an die deutsche CO2-Pipeline anbieten. Andere Partner schicken vorläufig CO2 per Schiff zu den norwegischen Lagerstätten.
Voraussetzungen im Inland werden bereits geschaffen
Ende März 2023 erteilte das norwegische Ministerium für Erdöl und Energie sogenannte Untersuchungsgenehmigungen für zwei potenzielle CO2-Speicherstätten. Diese befinden sich im südlichen Teil des norwegischen Festlandes. Ausgewählt worden sind die Konsortien Aker BP, OMV, Wintershall Dea und Altera Infrastructure. Für Wintershall Dea ist es bereits die zweite Genehmigung. Mit der Untersuchung potenzieller Lagerstätten beschäftigen sich außerdem CapeOmega, Equinor, Fertiberia, Horisont Energi sowie Vår Energi.
Das Ministerium für Erdöl und Energie stellt "Unternehmen, die über das erforderliche Fachwissen verfügen und spezifische industrielle Pläne haben, die eine Speicherung auf kommerzieller Basis erfordern" vor einen dreistufigen Genehmigungsprozess.
Die Vorschriften stammen aus den CO2-Speichervorschriften und werden von der Agentur für Erdölsicherheit umgesetzt. |
Das staatlich gestützte Langschiff hat bisher die längste Genehmigungslaufzeit hinter sich. Es erhielt seine Genehmigung für Untersuchungen bereits 2019. Laut eigenen Angaben ist es "eines der ersten industriellen CCS-Projekte, das eine frei zugängliche Infrastruktur mit der Absicht und der Kapazität entwickelt, erhebliche CO2-Mengen aus dem gesamten europäischen Kontinent zu speichern". Die Schätzung der Investitionskosten für das Pilotprojekt hat die Regierung dieses Jahr abermals nach oben korrigiert und beziffert sie auf umgerechnet über 1,2 Milliarden Euro. Bereits Mitte 2024 soll mit der Befüllung der ersten Lagerstätte begonnen werden. Sie hat eine Aufnahmefähigkeit für 1,5 Millionen Tonnen CO2.
Eine Übersicht der in Norwegen laufenden CCS-Projekte - darunter des deutschen Konzerns Heidelberg Materials - gibt das Portal der zuständigen staatlichen Gesellschaft Gassnova.
Allianz könnte weitere Chancen bieten
Doch nicht nur CCS spielt für Norwegen eine wichtige Rolle. Das neu geschlossene Abkommen zwischen dem Königreich und der EU ist breiter gefasst und bezieht sich nur teilweise auf die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff. "Wir wollen, dass unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften gemeinsam florieren und gleichzeitig Emissionen verringert, die Natur geschützt, unsere Energiesysteme dekarbonisiert und unsere Industriezweige umweltfreundlicher gestaltet werden", unterstrich die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen bei der Unterzeichnungszeremonie.
Im Vordergrund der Allianz steht der Abbau der durch Emissionen verursachten Umweltbelastung. Entsprechend einigten sich beide Parteien ihre Anstrengungen zu erhöhen und besser zu koordinieren. Der Fokus liegt dabei auf:
- Energiewende mit Schwerpunkt auf Wasserstoff und erneuerbarer Offshore-Energie;
- nachhaltige Wertschöpfungsketten, Abbau und Produktion von Rohstoffen und Batterien;
- Dekarbonisierung des Verkehrs, besonders im Hinblick auf emissionsfreie Schifffahrt;
- globale Standards für innovative Umweltlösungen;
- Kreislaufwirtschaft;
- ganzheitlicher Betrachtung gesamten Kunststoff-Lebenszyklus.