Interview | Polen | Kunststoffverarbeitung
"Energieeffizienz ist einer der wichtigsten Parameter"
Ein starker Wettbewerb und hohe Energiepreise setzen die Kunststoffindustrie in Polen unter Druck. Lieferanten von Maschinen sind trotzdem optimistisch. Das hat mehrere Gründe.
29.06.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Die kunststoffverarbeitende Industrie ist ein wichtiges Standbein der Wirtschaft in Polen. Das weiß auch das deutsche Unternehmen ARBURG, einer der führenden Lieferanten von Spritzgießmaschinen und Anlagen für die additive Fertigung. Der Geschäftsführer von Arburg Polska, Konrad Szymczak, erklärt im Interview, vor welchen Herausforderungen seine Branche steht.
Sie haben im Mai 2024 an der Plastpol teilgenommen - Polens größter Messe für die Kunststoffverarbeitung. Welche wichtigen Branchentrends haben Sie dort beobachtet?
Wir beobachten eine ganze Reihe von Entwicklungen. Ein klarer Schwerpunkt liegt auf den Themen Energieeffizienz und Prozessautomatisierung. Wir sind uns beider Trends bewusst und optimieren unsere Lösungen, um die Erwartungen des Markts zu erfüllen.
Stichwort Prozessautomatisierung: Wie weit ist Polens Industrie bei der Automatisierung?
Wir befinden uns auf dem richtigen Weg, aber es gibt immer noch viel zu tun. Das Potenzial für weitere Investitionen in die Automatisierung bleibt riesig. An dieser Situation wird sich meiner Meinung nach in den nächsten Jahren auch nicht viel ändern.
Der wichtigste Treiber ist die allgemeine wirtschaftliche Situation in Polen. Zum einen steigen die Arbeitskosten. Zum anderen fehlen uns Fachkräfte, teilweise sogar Arbeitskräfte für einfachere Tätigkeiten. Gleichzeitig müssen die produzierenden Unternehmen, also auch die Kunststoffverarbeiter, immer bessere Qualität liefern. Das erreicht man am besten durch Wiederholbarkeit und Stabilität der Produktionsprozesse - also durch Automatisierung.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen bei der weiteren Automatisierung?
Ich sehe zwei Hürden, nämlich den Preisdruck in der Industrie und die häufig mangelnde Erfahrung mit Automatisierungsprojekten in vielen Betrieben. Polen ist hier nicht allein. Dieses Phänomen lässt sich in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften beobachten. Glücklicherweise gleicht unsere polnische Mentalität diesen Umstand etwas aus. Das bedeutet, dass wir kreativ, flexibel und lösungsorientiert auf Herausforderungen reagieren.
Der Preisdruck führt aber dazu, dass Unternehmen sparsam mit neuen Geldern für die Ausbildung oder für die Fortbildungen ihrer Mitarbeiter umgehen. Auch bei neuen Investitionen in Maschinen und Anlagen sind die Firmen vorsichtig.
Die Energiepreise in Polen sind in den letzten Jahren gestiegen. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung für das Geschäft von Arburg?
Unsere Kunden gehen beim Kauf einer Maschine sehr überlegt vor. Die Energieeffizienz ist heute einer der wichtigsten Parameter.
Welche Branche oder welcher Industrietrend in Polen bietet derzeit die größten Wachstumschancen für Arburg?
Wir sehen Wachstumspotenzial im Energiesektor und in der Elektrotechnik. Die Modernisierung der Energieinfrastruktur in Polen bringt Projekte und Investitionen mit sich. Alles deutet darauf hin, dass diese Ausgaben im Energiesystem auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Im Gegensatz dazu sehen wir zum Beispiel, dass weniger Projekte aus der Automobilindustrie kommen.
Welchen Einfluss werden die neuen EU-Gelder auf Ihr Geschäft in Polen haben?
Alle Fonds, die den Markt animieren, haben auch positive Auswirkungen auf die Zulieferindustrie. Ich glaube, dass die Kunststoffverarbeiter dank der neuen EU-Gelder wachsen können ebenso wie die gesamte Wirtschaft in Polen. Kurzfristig halte ich zum Beispiel einen spürbaren Anstieg der Nachfrage nach neuen Maschinen für möglich.