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Branchen | Polen | Chemische Industrie

Chemiefirmen investieren trotz konjunktureller Eintrübung weiter

Polens Chemiekonzerne werden das Jahr 2022 mit Gewinnen abschließen. Die Unternehmen investieren ihre Überschüsse in Energieprojekte - aber auch in weitere Technologien.

Von Christopher Fuß | Warschau

Chemieunternehmen spielen in Polens Wirtschaft eine Schlüsselrolle. Die Branche erzielt laut Statistikamt GUS (Główny Urząd Statystyczny) einen Jahresumsatz von über 70 Milliarden Euro. Der Wirtschaftszweig ist für fast 3 Prozent der Bruttowertschöpfung des Landes verantwortlich. Die traditionsreiche Industrie kann sich 2022 in einem gesamtwirtschaftlich schwierigen Umfeld behaupten.

Der Petrochemie-Riese PKN Orlen beispielsweise steigerte seine Gewinne im 3. Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 36 Prozent. Das ist auch eine Folge mehrerer Firmenübernahmen. Der Staatskonzern ist mittlerweile Eigentümer des Gasversorgers PGNiG, des Raffineriebetreibers Lotos und des Energieerzeugers Energa. Ebenfalls gut läuft das Jahr für den Natriumsalz-Verarbeiter Ciech. Das Unternehmen erwirtschaftete zwischen Januar und September 2022 im Jahresvergleich ein Umsatzplus von 57 Prozent.

Selbst die Grupa Azoty, die ihre Düngemittelproduktion wegen steigender Gaspreise drosseln musste, wird 2022 voraussichtlich höhere Gewinne erwirtschaften als 2021. Laut Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna profitiert das Unternehmen von ausbleibender Konkurrenz aus Belarus und Russland.

Ohne Investitionen geht es nicht

Doch das Wachstum der Branche steht auf wackeligen Füßen. Hohe Energiekosten verunsichern die Unternehmen. Die Lage am Strom- und Gasmarkt bleibt fragil. Darüber hinaus könnten alternative Kraftstoffe die Petrochemie mittel- bis langfristig unter Druck setzen. Polens Chemiefirmen sehen die Herausforderungen – und investieren, insbesondere in Energietechnologien.

So baut Orlen in Głąbowo die laut Zeitungsberichten erste Biomethananlage Polens. Das erzeugte Methangas will der Konzern verflüssigen und als Bio-LNG (Liquified Natural Gas) für Lkw verkaufen. Die Kosten des Projekts liegen bei über 38 Millionen Euro. Bis 2024 soll die Anlage fertig sein. Die Investition ist nicht ohne Risiko, denn der Markt für Biomethan ist in Polen bislang kaum geregelt. Ein entsprechender Gesetzesentwurf hängt seit Monaten im Kabinett fest.

Neben Biomethan und Biogas hat Orlen weitere alternative Kraftstoffe im Blick. Ende 2024 soll ein Produktionswerk für Bioethanol in Jedlicze den Betrieb aufnehmen. Es wird die erste Anlage dieser Art in Polen und die zweite in Europa sein. Der Bau schlägt mit knapp 240 Millionen Euro zu Buche. Orlen will an dem Standort jährlich rund 25.000 Tonnen Bioethanol gewinnen. Die CO2-neutrale Substanz hilft als Beimischung im Benzin dabei, Emissionen von Autos zu reduzieren.

Grüner Wasserstoff ist weiterhin Zukunftsmusik

Orlens Wasserstoff-Strategie kommt hingegen nur langsam voran. Bis 2030 will das Unternehmen rund 1,6 Milliarden Euro in die Technologie investieren. Davon ist noch wenig zu sehen. Der Wasserstoff-Hub in Trzebinia produziert bislang Wasserstoff unter Einsatz fossiler Brennstoffe. Dieser sogenannte graue Wasserstoff ist daher nicht klimaneutral. Orlen verarbeitet das chemische Element weiter zu Glykol, einem Vorprodukt der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. Außerdem geht ein Teil der Produktion als Treibstoff an Busunternehmen in Krakau. Mittelfristig will Orlen Wasserstoff emissionsfrei produzieren.

Auch Grupa Azoty interessiert sich für den Energieträger. Allzu viel Geld nimmt das Unternehmen aber noch nicht in die Hand. Bis 2023 will der Düngemittelhersteller ein 5 Millionen Euro teures Labor in Kędzierzyn-Koźle eröffnen. Dort sollen Forscher Wasserstoff auf Verunreinigungen und andere Eigenschaften hin prüfen. Azoty arbeitet in dem Zusammenhang mit dem Fahrzeugbauer Toyota zusammen.

Wie der technische Direktor von Azoty, Zbigniew Wadach, im Herbst 2022 erklärte, denkt das Unternehmen über die Produktion von grünem Ammoniak nach, beispielsweise aus Wasserstoff und aus Stickstoff. Wegen der hohen Kosten und der unklaren Rahmenbedingungen stünde Grupa Azoty hier aber noch am Anfang, sagte Wadach.

Großinvestitionen stehen vor dem Abschluss

Neben den Projekten mit alternativen Kraftstoffen erweitert die Petrochemie in Polen die Verarbeitungskapazitäten von Rohöl. Die mittlerweile zu Orlen gehörende Lotos-Raffinerie in Gdańsk baut einen sogenannten Hydrocracker für knapp 230 Millionen Euro. Ab 2025 soll die Anlage Vorprodukte für Benzin, Diesel und Kerosin herstellen. Laut Wirtschaftsportal BiznesAlert.pl laufen Gespräche mit dem saudi-arabischen Ölkonzern Saudi Aramco über den Bau eines Steamcrackers. Saudi Aramco hält Anteile an der Lotos-Raffinerie.

Auch abseits von Energie und Kraftstoffen investieren die Chemieunternehmen. Voraussichtlich 2023 wird Grupa Azoty den Bau einer 1,5 Milliarden Euro teuren Produktionsanlage für die Kunststoffe Propylen und Polypropylen abschließen. Das laut Medienberichten größte Chemieprojekt in Polen seit 1989 hatte sich durch die Coronapandemie deutlich verzögert.

Verspätungen betreffen ebenso die geplante Granulieranlage der Firma Anwil in Włocławek. Das Unternehmen rechnet mit einer Fertigstellung bis Juni 2023. Dann kann die insgesamt rund 360 Millionen Euro teure Produktionslinie für stickstoffhaltige Düngemittel ihren Betrieb aufnehmen.

An den Projekten der Chemieindustrie Polens können deutsche Firmen mitverdienen. So baut das polnische Unternehmen Synthos in Płock eine Anlage für die Extraktion von Butadien. Hierbei handelt es sich um ein wichtiges Vorprodukt in der Kautschukindustrie und zur Produktion von Latex. Die Lizenz für das Verfahren kommt von BASF. In der gleichen Stadt arbeitet Orlen in seiner Raffinerie an einer Sauerstoff- und Stickstoffanlage für über 160 Millionen Euro. Die deutsche Linde Engineering übernimmt den Bau.

Auch die Pläne des Chemieunternehmens Ciech, gemeinsam mit der EEW GmbH eine Müllverbrennungsanlage in der Stadt Inowrocław zu bauen, schreiten voran. Im Oktober 2022 unterschrieben beide Partner einen Kooperationsvertrag. Die Öfen sollen ab 2026 die energieintensiven Soda-Werke von Ciech versorgen. Aktuell kommen hier Kohlekessel zum Einsatz. Anwohnerproteste könnten das Projekt allerdings ausbremsen.

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