Noch befinden sich viele Wohnungen in Polen im Bau, eine Abschwächung steht aber bevor. Nachhaltige Lösungen sind bei kommerziellen Gebäuden, etwa neuen Lagerhallen, im Kommen.
Wohnungsbau schwächt sich ab
Das abflachende reale Wachstum des polnischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2022 auf laut Regierungsprognose +3,8 Prozent beeinträchtigt auch den Hochbau (2021: +5,9 Prozent). Der bisher dynamische Wohnungsbau schwächt sich ab. Die Anzahl der Wohneinheiten, für deren Bau eine Genehmigung erteilt beziehungsweise ein Entwurf eingereicht wurde, ging laut Statistischem Hauptamt GUS im 1. Halbjahr 2022 um 0,5 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2021 leicht auf 170.803 zurück.
Neu begonnen wurde demnach gleichzeitig mit dem Bau von 119.707 Wohneinheiten (-17,2 Prozent). Darunter waren 71.563 Einheiten, die zum Verkauf oder zur Vermietung bestimmt sind (-18,4 Prozent), und 46.400 von privaten Bauherren errichtete (-14,5 Prozent). Übergeben wurden 109.411 Wohneinheiten (+3,8 Prozent).
Zurückhaltung beim Wohnungskauf
Die Baukosten steigen wegen immer teurerer Baumaterialien wie Holz, Glas, Stahl und Dämmstoffen sowie höherer Löhne. Das wachsende Zinsniveau, strengere Kriterien zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit und wirtschaftliche Unsicherheiten halten immer mehr Polen von der Entscheidung zu einem Wohnungskauf ab. Eine Alternative sind von privaten Bauherren individuell errichtete Eigenheime, bei denen diese Einfluss auf den Baufortschritt und die Kosten nehmen können.
Im Bau befanden sich Ende Juni 2022 laut GUS immerhin noch 881.600 Wohneinheiten (+1,6 Prozent gegenüber Ende Juni 2021). Das bietet auch deutschen Anbietern von Baubedarf und Know-how weiter gute Kooperationschancen und Zuliefermöglichkeiten. Nachhaltige und energiesparende Lösungen geraten in den Fokus. Bestandsgebäude erhalten Wärmepumpen oder neue Heizkessel.
Einfamilienhäuser als vorteilhafte Alternative
Laut GUS wurde 2021 der Bau von rund 341.200 Wohneinheiten genehmigt, beziehungsweise es wurden Entwürfe dafür eingereicht (+23,6 Prozent gegenüber 2020), fast alle (98,4 Prozent) für Neubauten (335.577). Von diesen wiederum entsteht knapp die Hälfte (48,3 Prozent) in Mehrfamilienhäusern, wo eine durchschnittliche Nutzfläche pro Wohnung von 53,9 Quadratmetern geplant ist, in Einfamilienhäusern von 131,1 Quadratmetern. Im Jahr 2021 wurden 173.346 Wohneinheiten in 157.411 Einfamiliengebäuden geplant.
Den Bau von Häusern mit bis zu 70 Quadratmetern vereinfachen seit Anfang 2022 geltende Verfahren. Ein Eigentümer eines Baugrundstücks, der das Häuschen selbst nutzt, kann es ohne Genehmigung bauen. Stärker verantwortlich ist nun sein Planungsbüro einschließlich Formalitäten und Dokumentation. Das Hauptamt für Bauaufsicht GUNB will 70 verschiedene fertige Entwürfe für solche Häuser kostenlos anbieten. Der Gesetzgeber erwägt eine Ausdehnung auch auf größere Häuser.
Der Gesamtwert der Arbeiten im Gebäudebau stieg 2021 laut GUS auf Złoty-Basis real um 4,5 Prozent auf 15,5 Milliarden Euro. Bei den größeren Betrieben ab zehn Mitarbeitern betrug der Zuwachs 4,7 Prozent auf 7,9 Milliarden Euro. Im 1. Halbjahr 2022 expandierte dieser Wert um 24,6 Prozent gegenüber dem schwachen 1. Halbjahr 2021 auf 4,3 Milliarden Euro.
Ausgewählte Strukturdaten zum Hochbau in Polen (Wert in Milliarden Euro, nominale Veränderung auf Złoty-Basis in Prozent)Kennziffer | 2020 | 2021 | Veränderung 2021/20 |
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Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon *) | 24,4 | 25,6 | 7,9 |
Hochbau | 12,0 | 12,3 | 5,0 |
Wohnungsbau | 4,4 | 4,6 | 7,2 |
andere Gebäude | 7,6 | 7,7 | 3,7 |
Anzahl fertiggestellter Wohnungen, davon | 220.831 | 234.680 | 6,3 |
privat | 216.682 | 230.071 | 6,2 |
sozialer Wohnungsbau | 1.615 | 1.215 | -24,8 |
genossenschaftlich | 1.498 | 2.019 | 34,8 |
kommunal | 1.009 | 1.260 | 24,9 |
betrieblich | 27 | 115 | 325,9 |
Anzahl fertiggestellter Wirtschafts-, Nutz-, Industrie- und Lagerbauten | 22.536 | 22.535 | 0 |
*) Wertangabe bezieht sich auf Betriebe ab zehn Mitarbeiter, 1 Euro = 4,4430 Zł im Jahresdurchschnitt 2020 und 4,5652 Zł im Jahresdurchschnitt 2021Quelle: Statistisches Hauptamt GUS 2022
Unter den 2021 übergebenen 22.535 Nicht-Wohnungsgebäuden waren laut GUS 8.502 übrige, vorwiegend landwirtschaftliche (+1,3 Prozent gegenüber 2020), 3.189 Industrie- und Lagerbauten (-1,6 Prozent), 2.713 Handels- und Dienstleistungsobjekte (+2,3 Prozent), 1.661 Hotels und Herbergen (-12,1 Prozent), 636 Gebäude für Kultur, Ausbildung, Gesundheit, Sport (+4,3 Prozent) sowie 476 Bürohäuser (-9,7 Prozent). Außerdem wurden 2.404 Bestandsbauten erweitert (-12,7 Prozent). Die 2021 übergebene Gesamtfläche in Neu- und Erweiterungsbauten betrug 14,1 Millionen Quadratmeter (-8,4 Prozent).
Mehr Nicht-Wohnungsbauten genehmigt
Rund 35.000 Baugenehmigungen für Nichtwohnbauten wurden 2021 erteilt (+16,5 Prozent) mit einer Gesamtfläche von 20,4 Millionen Quadratmetern (+27,8 Prozent). Rund 55,0 Prozent der Fläche betreffen Industrie- und Lagerhallen, gefolgt von übrigen (17,2 Prozent), Handels- und Dienstleistungsgebäuden (13,3 Prozent) und anderen. Die Industrie bleibt aktiv: Laut GUS planen 41,6 Prozent ihrer Unternehmen 2022 gegenüber 2021 unveränderte Investitionen; 31,6 Prozent wollen ihre Aufwendungen erhöhen und 26,8 Prozent reduzieren.
Büroflächen sind wegen Arbeit im Homeoffice weniger gefragt, manche werden zu Multifunktionsobjekten und erhalten Wohn- sowie Hotelflächen, Dienstleistungs- und Freizeiteinrichtungen. Der Bauträgerverband PZFD will wenig genutzte Bürohäuser und Einkaufszentren in Wohnraum umwandeln. Ende März 2022 gab es laut Colliers 12,4 Millionen Quadratmeter moderne Handelsflächen, 2022 sollen 350.000 Quadratmeter hinzu kommen, von denen sich 244.000 Quadratmeter im Bau befanden, vor allem Handelsparks mit mehreren Gebäuden. Einkaufszentren werden weniger besucht.
Grüne Lagerflächen stark gefragt
Laut der Polnischen Vereinigung für Ökologischen Bau PLGBC hatten Ende 2021 schon 40 Prozent der modernen Lagerhallen (knapp 10 Millionen Quadratmeter) Umweltzertifikate. Ein Mehrkriterienzertifikat hatten laut Savills 398 Logistikobjekte. Der dynamische Onlinehandel gibt dem Logistiksektor Auftrieb, kleinere, automatisierte Warenlager entstehen bei Ballungszentren. Firmen verlagern ihr Geschäft aus östlichen Nachbarländern nach Polen, was den Bedarf weiter erhöht.
Logistikunternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern investierten 2021 laut GUS 3,1 Milliarden Euro (2020: knapp 2,7 Milliarden Euro). Im 1. Quartal 2022 sanken diese Aufwendungen gegenüber dem Boom im 1. Quartal 2021 auf Złoty-Basis nominal um 8,0 Prozent auf 0,4 Milliarden Euro. Ende März 2022 befanden sich laut der Gesellschaft Axi Immo 4,9 Millionen Quadratmeter moderne Lagerhallen im Bau. Allein im 1. Quartal 2022 kamen fast 1,3 Millionen Quadratmeter hinzu, so dass die vorhandene Gesamtfläche 25 Millionen Quadratmeter übersteigt.
Ausgewählte Hochbauprojekte in Polen (Investitionen in Millionen Euro)Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
Logistikzentrum, bei Lubin (Lüben) | 300 | Durchführung, fertig Ende 2023 | Hermes Fulfilment (Otto-Gruppe) / Panattoni |
Fabrik für Wärmepumpen, bei Łódź (Lodsch) | 300 | Planung, fertig 2024 | Konzern Daikin, Japan |
Fabrik für Wärmepumpen, Legnica (Liegnitz) | 200 | Baubeginn | Viessmann, Deutschland |
Umbau Polnisches Theater, Szczecin (Stettin) | 43 | Durchführung, fertig 2023 | Stadt Szczecin / Bauausführung Budimex |
Fabrik für Panaden, Gewürze, Soßen, Zutaten, Kutno | k.A. | Durchführung, fertig Juli 2023 | Newly Weds Foods, USA |
Büro-Tower The Bridge (47.000 qm), Warschau | k.A. | Durchführung, fertig 2024 | Ghelamco, Belgien |
Logistikpark (44.170 qm), Radom | k.A. | Baubeginn, 1. Teil fertig Ende 2022 | Bojanowicz Investments / Panattoni |
Fünfsterne-Hotel, Świnoujście (Swinemünde) | k.A. | Planung | Dr Irena Eris S.A. Hotele SPA |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2022; Pressemeldungen 2022
Von Beatrice Repetzki
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Berlin