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Importverbot für Kohle und bis 2040 neuer Energiemix

Die polnische Regierung will Kohleimporte aus Russland stoppen - auch ohne EU-Beschluss. Polen überarbeitet seine Energiestrategie. Das nützt nicht nur erneuerbaren Energien.

Von Christopher Fuß | Warschau

Spätestens ab Mai 2022 sollen Unternehmen in Polen keine Steinkohle mehr aus Russland importieren dürfen. Die polnische Regierung hat Ende März 2022 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag präsentiert. Noch einige Wochen zuvor argumentierte Premierminister Mateusz Morawiecki, solch ein Embargo könne nur auf europäischer Ebene verabschiedet werden. Tatsächlich wirbt Polen seit Beginn des Krieges in der Ukraine für einen EU-weiten Importstopp fossiler Brennstoffe aus Russland. Eine Alternative dazu wäre eine Importsteuer.

Die Rolle der Importkohle

Viele Privathaushalte in Polen heizen mit russischer Steinkohle. Ein Teil des Imports geht außerdem an lokale Wärmeversorger. Die staatlichen Energiekonzerne verwenden eigenen Angaben zufolge keine russische Kohle. Der Thinktank Forum Energii rechnet vor, dass 2020 rund 75 Prozent aller Kohleeinfuhren Polens aus Russland stammten. Polen deckt mit den russischen Importen 15 Prozent seines Energiebedarfs. Die polnische Regierung führt Gespräche mit alternativen Lieferländern.

Im Begründungsschreiben des Embargo-Gesetzes verweist Polen auf Sicherheitsinteressen. Mit dieser Argumentation will das Land sich auch gegen Kritik aus der EU absichern. Das europäische Recht erlaubt nationale Embargos nur in Ausnahmefällen. Regierungssprecher Piotr Müller sagte dazu auf einer Pressekonferenz: "Wenn wir auf die Haftung vor dem Europäischen Gerichtshof schauen, ist das, was wir jetzt tun, ein großes Risiko für Polen." Allerdings könne man nicht länger auf ein einstimmiges EU-Importverbot warten.

Die Europäische Kommission scheint angesichts des polnischen Embargo-Vorstoßes bislang nicht auf Konfrontationskurs zu gehen. Die Tageszeitung Gazeta Wyborcza schreibt unter Berufung auf Gespräche mit verschiedenen EU-Beamten, dass Polen keine wesentlichen Konsequenzen drohen.

Bei Rohölimporten sind viele Fragen offen

Ab Ende 2022 will Polen zudem kein Erdgas und kein Rohöl mehr aus Russland importieren. Laut Forum Energii decken Einfuhren aus Russland rund 44 Prozent des heimischen Gasbedarfs. Dieses Importgas fließt durch die Jamal-Pipeline nach Polen. Der mehrjährige Liefervertrag läuft Ende 2022 aus. Polen will ihn nicht verlängern. Stattdessen soll die im Bau befindliche Baltic Pipe aus Norwegen neben dem Flüssiggas-Terminal in Świnoujście und einem geplanten schwimmenden Terminal bei Gdańsk die Gasversorgung Polens sicherstellen.

Schwieriger könnte die Abkehr von russischen Rohöl-Importen werden. Polens staatlicher Mineralölkonzern PKN Orlen beispielsweise hat zwei langfristige Lieferverträge mit Unternehmen aus Russland. Während das Abkommen mit der russischen Rosneft im Dezember 2022 ausläuft, gilt die zweite Vereinbarung mit dem Rohölförderer Tatneft noch bis Ende 2024. Wie man aus dem Tatneft-Vertrag vorzeitig aussteigen will, lässt PKN Orlen offen. Der Vorstandsvorsitzende Daniel Obajtek erklärte auf einer Pressekonferenz lediglich: "Wir haben Bestimmungen in den Verträgen, die uns gewisse Möglichkeiten geben." Die Verträge sind nicht öffentlich.

Mehr erneuerbare Energien bis 2040

Gleichzeitig kündigt Polen an, schneller als bislang auf erneuerbare Energien umzusteigen. Die bisherige Strategie des Landes (Polityka Energetyczna Polski 2040; PEP2040) sah vor, dass ab 2040 rund 40 Prozent der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen stammen. Das Energieministerium spricht nun von einem Anteil um die 50 Prozent. In einer Mitteilung schreibt das Ministerium, Polen werde neben Wind- und Solarkapazitäten verstärkt auf wetterunabhängige Quellen wie Wasserkraft, Biomasse, Biogas oder Erdwärme setzen. Regionale Erzeugergemeinschaften sollen eine größere Rolle spielen. Insbesondere Biogas gilt in Polen unter Experten als unterentwickelt.

Der Ausbau der erneuerbaren Energie wird maßgeblich von privaten Investoren vorangetrieben. Anlagen mit einer Leistung von 46,5 Gigawatt befinden sich in Planung und haben eine Zusage zum Netzanschluss erhalten. Die Netzbetreiber müssten laut Angaben der Tageszeitung Rzeczpospolita rund 22 Milliarden Euro bis 2030 investieren. Die Stromnetze in Polen gelten als überlastet und veraltet. Der staatliche Übertragungsnetzbetreiber Polskie Sieci Elektroenergetyczne (PSE) verspricht, ab 2032 seien die Leitungen fit für einen Anteil der erneuerbaren Energien in Höhe von 50 Prozent.

Renaissance für Polens heimische Kohle?

Außerdem will Polen wieder verstärkt eigene Kohlevorkommen nutzen. Eigentlich sah die Energiestrategie des Landes vor, dass in Zukunft Gas und Kernenergie als Brückentechnologien zum Einsatz kommen. Wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, sollten beide Energieträger die Versorgung stabilisieren. Während Polen am Bau von Atomkraftwerken und kleinen Reaktoren (Small Modular Reactor; SMR) festhält, scheint die Umrüstung industrieller Kohlekessel auf Gasanlagen vorerst vom Tisch. Das Energieministerium schreibt: "Die Nutzung der heimischen Steinkohlevorkommen kann zunehmen. Der Rückgang der Kohleförderung und -nutzung könnte sich leicht verlangsamen."

Das polnische Unternehmen RAFAKO schloss in diesem Zusammenhang unlängst ein staatlich gefördertes Forschungsprojekt ab. Der Kraftwerksbauer untersuchte Möglichkeiten, die Laufzeit und die Effizienz von Kohleanlagen mit über 200 Megawatt Leistung zu verbessern. Hier arbeitet RAFAKO auch mit Siemens zusammen. Im Januar 2022 einigten sich beide Firmengruppen laut Auskunft des Portals wnp.pl darauf, beim Vertrieb entsprechender Technologien zu kooperieren.

Allerdings: An dem mühsam ausgehandelten Datum für den Kohleausstieg will Polen nicht rütteln. Energieministerin Anna Moskwa bekräftigt im Interview mit der Zeitung Dziennik Gazeta Prawna: "Vorläufig sehen wir keinen Grund, von der Frist 2049 für den Kohleausstieg abzurücken."

Die bisherige Energiestrategie PEP2040 galt bereits vor Russlands Angriff auf die Ukraine als veraltet. Die für 2030 prognostizierte installierte Fotovoltaikleistung erreichte Polen beispielsweise schon Ende 2021.

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