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Onlinemarktplätze suchen neue Händler
Polens Onlinehandel ist im internationalen Vergleich recht klein. Experten prophezeien aber ein starkes Wachstum. Gelingen soll das mit weiteren Anbietern - auch aus Deutschland.
10.01.2023
Von Christopher Fuß | Warschau
Die E-Commerce-Branche in Polen steht vor einem Wachstumsschub. So erwartet die Unternehmensberatung PwC, dass die Umsätze im polnischen Online-Einzelhandel deutlich anziehen. Zwischen 2022 und 2027 klettert das Marktvolumen laut Prognosen von 23,2 Milliarden Euro auf 39,8 Milliarden Euro. Zu den gefragtesten Produkten gehören voraussichtlich auch in Zukunft Bücher, Elektronik, Möbel und Textilien.
Zahlen der polnischen Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) deuten an, dass nicht nur die Umsätze, sondern auch die Marktanteile der E-Commerce-Branche steigen. Die Verkaufserlöse im gesamten Einzelhandel legten zwischen Januar und November 2022 im Jahresvergleich um 5,4 Prozent zu. Der Onlinehandel baute seinen Anteil von 11,1 Prozent auf 11,9 Prozent aus. Der Wert könnte bis 2027 laut PwC auf 17 Prozent zulegen.
Neben dem klassischen Onlineshop gewinnen Onlinemarktplätze (Marketplaces) an Bedeutung. Hier bieten unterschiedliche Händler auf einer gemeinsamen Plattform ihre Waren an – vergleichbar mit einem physischen Marktplatz. Ein Vermerk im Produktprofil informiert den Kunden darüber, wer der Verkäufer ist. PwC geht davon aus, dass der Anteil der Marktplatz-Umsätze an allen polnischen E-Commerce-Umsätzen von 45 Prozent im Jahr 2021 auf 60 Prozent im Jahr 2027 steigt.
Geringe Einstiegsbarrieren für internationale Verkäufer
Diese Entwicklung könnte deutschen Händlern und Herstellern von Konsum- und Haushaltswaren neue Absatzchancen eröffnen. Denn die großen E-Commerce-Plattformen in Polen versuchen, internationale Verkäufer auf ihre Seiten zu holen. Allegro, der mit Abstand größte Onlineshop in Polen, hat eine englischsprachige Infoseite für Interessenten aus dem europäischen Ausland eingerichtet. Positiv: Man braucht als deutsches Unternehmen für eine Registrierung bei Allegro weder Niederlassung noch Versandlager in Polen. Ein Ziel der Handelsplattform lautet, zum führenden Anbieter in ganz Mittelosteuropa aufzusteigen. Vor diesem Hintergrund übernahm der E-Commerce-Riese im April 2022 den tschechischen Onlineshop MALL - und erhielt damit neue Kunden.
Allegro ist nicht das einzige Verkaufsportal, dass seine Onlinepräsenz ausbaut. Empik, der größte Buchhändler Polens, erwirtschaftet mittlerweile die Hälfte seines Umsatzes im Internet. Neben Druckerzeugnissen verkauft das Unternehmen Spielzeug, Haushaltswaren und Elektronik. Händler auf dem firmeneigenen Marktplatz "EmpikPlace" sollen das Wachstum weiter vorantreiben. Erst im Juli 2022 erklärte der E-Commerce-Leiter von Empik, Karol Ignatowicz, dem Branchenportal retailnet.pl: "In den letzten zwölf Monaten haben sich fast 1.200 neue Partnershops auf EmpikPlace registriert." Die Buchhandlung betreibt ein englischsprachiges Registrierportal für internationale Händler. Allerdings benötigen Verkäufer laut den allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Kontaktadresse in Polen.
Plattformen kommen und gehen
Weiterhin drängen neue Plattformen auf den Markt. Bereits 2017 schaltete der chinesische Onlinemarktplatz AliExpress eine polnische Webadresse frei. Nicht durchsetzen konnte sich der aus Singapur stammende Anbieter Shopee. Das Unternehmen stellte seine Aktivitäten in Polen im Januar 2023 ein. AliExpress könnte damit zur zweitgrößten E-Commerce-Plattform in Polen aufsteigen. Kleinere Anbieter wie die Webseite Erli bringen sich ebenfalls in Stellung.
Ein neuer Marktplatz könnte 2023 folgen. Dann will das polnische Unternehmen Comarch, ein Hersteller von Firmensoftware, den Shop wszystko.pl starten. Bereits jetzt können sich Händler auf dem polnischsprachigen Portal registrieren. Es gibt keine Beschränkungen bei den Produktkategorien. Ein potenzieller Anbieter muss aber mit seinem Unternehmen in Polen registriert sein.
Gut für Händler: In den meisten Fällen verlangen polnische E-Commerce-Plattformen wie Allegro oder Empik keine Gebühren für Registrierung oder Listung. Die Verkaufsprovision liegt üblicherweise je nach Portal und Produkt zwischen 2 und 16 Prozent.
Anbieter | Monatliche Nutzer (in Millionen) | Portal für Händler |
---|---|---|
Allegro | 21,1 | |
Shopee* | 10,9 | |
AliExpress | 10,5 | |
Empik | 9,5 | |
Amazon | 9,1 |
Kein Markt wie jeder andere
Trotz aller potenziellen Chancen der E-Commerce-Branche Polens sollten Verkäufer aus Deutschland die Besonderheiten des Marktes nicht unterschätzen. Internationale Internetgrößen mussten in der Vergangenheit bereits Lehrgeld zahlen. Das prominenteste Beispiel ist das Internetauktionshaus Ebay. Im Jahr 2005 startete der Dienst erstmals in Polen. Nur wenige Jahre später zog sich das Unternehmen wieder vom Markt zurück. Unseriöse Verkäufer hatten der Seite einen schlechten Ruf eingebracht. Die heimische Konkurrenz war außerdem zu stark. Mittlerweile hat die Handelsplattform einen zweiten Anlauf unternommen. Ebay gibt es seit 2022 wieder mit einer polnischen Webadresse. Das anspruchsvolle Marktumfeld könnte auch einer der Gründe dafür sein, dass der US-amerikanische Handelskonzern Amazon erst 2021 eine eigene polnische Seite hochlud.
Wichtig für internationale Händler: Kunden aus Polen lassen ihre Waren nach Angaben des Marktforschungsinstituts GEMIUS vor allem an Packautomaten liefern. Marktführer ist hier mit rund 20.000 Standorten das Unternehmen InPost. Überweisungsdienstleister sind in Polen deutlich beliebter als in Deutschland. Zu den bekanntesten Vertretern gehören PayU, Przelewy24 oder BLIK. Die Anbieter sind grob mit PayPal vergleichbar. Laut GEMIUS gehören lange Lieferzeiten zu den aus Kundensicht größten Problemen im Onlinehandel. Für Anbieter mit Warenversand aus Deutschland lohnt es sich unter Umständen, mit einem Logistikpartner aus Polen zusammenzuarbeiten. Diese sogenannten Fulfillment-Dienstleister können helfen, die Lieferzeit zu reduzieren. Auch einige Marktplatzbetreiber lagern, verpacken und versenden Waren auf Wunsch des Händlers.
Ein Risiko für den gesamten Einzelhandel ist die hohe Inflation in Polen. Die Verbraucherpreise stiegen im Dezember 2022 um 16,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Reallöhne sinken, weshalb Konsumenten bei einigen Einkäufen den Rotstift ansetzen könnten. Steigende Zinsen belasten vor allem Wohneigentümer.