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Warschau will Datenverarbeitungszentren anlocken

Warschau hat gute Chancen, Datenverarbeitungszentren anzuziehen. Internationale Konzerne suchen Standorte. Als Kunden werden neben ausländischen auch polnische Firmen wichtiger.

Von Beatrice Repetzki | Berlin

Der internationale Bedarf an Datenverarbeitung und -speicherung steigt. Dadurch bieten sich für Polens Hauptstadt gute Chancen, entsprechende Zentren anzulocken, so die Immobilienberatungsfirma Knight Frank. Andere wichtige Standorte wie Frankfurt, London, Amsterdam, Dublin und Paris bieten beim Energiebedarf und geeigneten Grundstücken nur noch begrenzte Möglichkeiten. Die Dienstleistungszentren dieser Standorte bedienen vor allem den Finanzsektor.

Noch sind die anspruchsvollen Datenzentren jedoch ein Nischensegment unter den nach Polen ausgelagerten Business Services, bei denen sich das Land generell einer großen Attraktivität erfreut. Die Gebäude, in denen große Rechenzentren mit ihren umfangreichen Datenspeichern, Servern und Computern untergebracht werden können, müssen besondere Voraussetzungen erfüllen. Dazu zählt vor allem eine leistungsstarke Energieanbindung.

Extrem hoher Energiebedarf

Ein Datenzentrum von durchschnittlicher Größe benötigt eine Stromversorgung von rund 30 Megawatt. Dies entspricht dem Energiebedarf einer Kleinstadt mit mehreren Zehntausend Einwohnern, wie der Anlagenberater bei Knight Frank, Mateusz Borowski, gegenüber der Tageszeitung Rzeczpospolita sagte. Zum Vergleich: Auf die Bürohochhäuser im Warschauer Zentrum entfielen je etwa 5 bis 7 Megawatt, die sie zu weniger als der Hälfte auch tatsächlich nutzten. Außerdem müssten die Gebäude hohe Sicherheitsstandards erfüllen, etwa in Bezug auf den Brandschutz. Das erfordert mehrjährige Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Steigende Datenmengen erfordern den Bau immer leistungsfähigerer Datenverarbeitungszentren, die bis zu 100 Megawatt benötigen. Daher kommen nur große Städte und Ballungsgebiete dafür infrage. In Polen bietet sich in erster Linie Warschau an. Dort befinden sich bereits 46 Datenverarbeitungszentren (zum Vergleich Deutschland: 484, Vereinigtes Königreich: 458).

Potenzielle Kunden stammen aus dem In- und Ausland

Ein neues Projekt zeichnet sich ab. Der französische Betreiber von Datenzentren Data4 plant in Jawczyce bei Warschau ein großes Rechenzentrum für rund 220 Millionen Euro. Drei Gebäude sollen dort mit einer maximalen Leistung von 50 Megawatt versorgt werden. Die erste Investitionsphase soll im 1. Quartal 2023 abgeschlossen werden, weitere abhängig von der Kundennachfrage bis 2025.

Für Datenverarbeitungszentren in Polen sind nicht nur ausländische Unternehmen von Bedeutung, die entsprechende Dienstleistungen dorthin verlagern. Auch inländische Kunden sind wichtig, denn sie haben Nachholbedarf. Nach einer vom Amt für Elektronische Kommunikation (Urząd Komunikacji Elektronicznej; UKE) 2021 beauftragten Analyse wissen zwar gut 55 Prozent der polnischen Firmen, dass Daten in der Cloud verarbeitet und gespeichert werden können. Tatsächlich nutzt jedoch erst ein Fünftel von ihnen entsprechende Dienste. Die Nachfrage vonseiten inländischer Akteure könnte künftig wachsen.

Coronakrise gibt Digitalisierung Auftrieb

Laut der Firma Audytel nahmen Datenzentren in Polen 2020 über 434 Millionen Euro ein. Die Marktforschungsfirma PMR erwartet, dass die von Servern belegte Fläche in diesen Zentren 2025 netto rund 90.000 Quadratmeter betragen wird. Von 2021 bis 2026 soll sich demnach die dort angebotene Leistung um 70 Prozent auf über 181 Megawatt erhöhen, wie Rzeczpospolita berichtet.

Die Coronapandemie hat laut PMR den Bedarf an Cloud-Lösungen beschleunigt, etwa durch die dadurch bedingte Organisation von Videokonferenzen. Die Marktforschungsfirma zählte Anfang 2021 bereits 110 Datenverarbeitungszentren in Polen mit vielen einzelnen Betreibern. Angesichts dieser zersplitterten Branchenstruktur rechnet PMR mit weiteren Übernahmen und einer Konsolidierung. Der zuvor größte Player auf dem Markt für Rechenzentren in Polen ATM wurde inzwischen von Global Compute Infrastructure übernommen.

Investitionen auch in anderen polnischen Großstädten erwartet

PMR erwartet künftig weitere große Investitionen in Datenverarbeitungszentren. Zusätzlich zur Hauptstadt kämen die niederschlesische Metropole Wrocław (Breslau), das oberschlesische Ballungsgebiet, das nördliche Städtedreieck Gdańsk-Sopot-Gdynia (Danzig-Zoppot Gdingen), Kraków (Krakau) und Poznań (Posen) als Standorte dafür infrage. Die Betreiber von Telekommunikationsinfrastruktur werden als Kundengruppe immer wichtiger.

Dies ist auch an den Erweiterungen und Neugründungen der letzten Zeit ersichtlich. So eröffnete die zur Gruppe Cyfrowy Polsat gehörende Telekommunikationsfirma Netia 2021 ein neues Zentrum in Jawczyce. Mobilfunkanbieter Orange Polska kündigte die Errichtung eines neuen Hubs in Łazy (Lazy) westlich von Bielsko-Biała (Bielitz Biala) an. In Warschau nahm T-Mobile Polska ein Datenverarbeitungszentrum in Betrieb. Die Firma 3S plant nach eigenen Angaben einen Ausbau ihrer Zentren. Sie gehört zu P4, dem Betreiber des Mobilfunknetzes Play. Die US-amerikanische Vantage Data Centers begann bereits mit dem Bau eines Zentrums in Warschau. Equinix verfügt bereits über drei solcher Zentren.

Von großer Bedeutung für die Entwicklung der Datenverarbeitungszentren sind laut PMR Investitionen ausländischer Anbieter von cloudbasierten Dienstleistungen. Dabei handele es sich beispielweise um die Branchengiganten Microsoft und Google, die sich in Polen engagieren. Experten zufolge teilt sich der Markt angesichts solch gewichtiger Investoren in Akteure aus dem Großhandels- und dem Einzelhandelsbereich auf.

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