Special | Polen | Beschaffung
Polens Angebot an Kunststoffen steigt
Polen baut seine Kapazitäten für die Kunststoffproduktion aus. Damit wächst das Angebot, aus dem deutsche Firmen beschaffen können. Umweltaspekte geraten stärker in den Fokus.
26.06.2023
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Polen verfügt über eine umfangreiche kunststoffverarbeitende Industrie. Nun entstehen neue Kapazitäten in der Kunststofferzeugung. Ausländischen Abnehmern bieten sich dadurch noch größere Möglichkeiten für die Beschaffung. Polen ist für Deutschland bereits ein wichtiges Lieferland von Erzeugnissen, Vorprodukten, Komponenten, Baugruppen und Teilen aus Kunststoff sowie Gummi. Es besteht weiteres Wachstumspotenzial. Zu wichtigen deutschen Abnehmerbranchen zählen die Kfz- und Möbelindustrie, Bauwirtschaft, Elektrotechnik (Hausgeräte), sowie übergreifend die Verpackungssparte. Polen trumpft bei deutschen Einkaufsabteilungen mit seiner geografischen Nähe, günstigen Preisen - auch wegen des schwachen Złoty-Kurses - und verlässlicher Qualität.
Kunststofffabrik entsteht an deutscher Grenze
Die größte Fabrik für Propylen und Polypropylen (PP) in Mittel- und Osteuropa entsteht derzeit in Police (Pölitz) nördlich von Szczecin (Stettin), unweit der deutschen Grenze. Die Grupa Azoty Polyolefins S.A. führt das Investitionsprojekt "Polimery Police" im Wert von rund 1,7 Milliarden Euro durch. Das Vorhaben beinhaltet den Bau eines integrierten Chemiekomplexes. Dazu gehören Anlagen zur Produktion von Propylen durch Dehydrierung von Propan und zur Herstellung von Polypropylen mit einer Jahreskapazität von 437.000 Tonnen.
Nach Inbetriebnahme von Polimery Police könnten die polnischen Exporte von Kunststoffen die Importe davon übertreffen. Im Jahr 2022 war das Verhältnis noch umgekehrt: Laut vorläufigen Angaben des Statistischen Hauptamtes GUS beliefen sich Polens Exporte auf 23,5 Milliarden Euro (auf Złoty-Basis +19 Prozent gegenüber 2021), die Importe auf 24,8 Milliarden Euro (+13 Prozent). Gleichzeitig ging die Produktion von Kunststoffen insgesamt leicht zurück.
Bei den verschiedenen Produkten aus Kunststoff und Gummi ergab sich 2021 gegenüber 2020 (neueste verfügbare Angabe) ein gemischtes Bild. Beachtliche Zuwächse verzeichnete Baubedarf. Die Bauwirtschaft konnte im Gegensatz zu anderen Branchen in der Coronakrise zulegen. Im Jahr 2022 flachte diese Entwicklung ab. Die Produktion von Kunststofffenstern etwa sank nach den regen Renovierungstätigkeiten im Lockdown wieder. Es trat eine gewisse Marktsättigung ein.
Produktgruppe | 2021 | 2022 | Veränderung 2022/2021* |
---|---|---|---|
Kunststoffe insgesamt *) | 3.692 | 3.409 | -7,7 |
Polyethylen (PE) | 266 | 319 | 19,9 |
Polypropylen (PP) | 313 | 317 | 1,3 |
Polyvinylchlorid (PVC) | 231 | 281 | 21,6 |
Produktgruppe | 2021 | 2022 | Veränderung 2022/2021* |
---|---|---|---|
Fenster (in 1.000 Stück) | 9.562 | 8.869 | -7,2 |
Produkte aus Gummi (in 1.000 Tonnen) | 1.144 | 1.101 | -3,8 |
Reifen (in 1.000 Stück), davon | 59.444 | 52.937 | -10,9 |
Pkw-Reifen (in 1.000 Stück) | 36.752 | 35.910 | -2,3 |
Produktgruppe | 2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020* |
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Aus Gummi: | |||
Leitungen, Rohre, Schläuche | 47 | 49 | 4,8 |
Förderbänder, -gurte | 43 | 41 | -5,5 |
Dichtungen, abdichtende Produkte, Füße | 60 | 62 | 4,2 |
Synthetischer Kautschuk (Vorprodukt) | 282 | 280 | -0,8 |
Aus Kunststoff: | |||
Rohre, Leitungen, feste Schläuche | 356 | 386 | 8,2 |
Platten, Blätter, Folien, Streifen, Gurte | 1.643 | 1.691 | 2,9 |
Produkte für die Bauwirtschaft | 1.042 | 1.272 | 22,1 |
Verkleidungen für Fußböden, Decken, Wände (als Rollen oder Platten) | 64 | 78 | 22,6 |
Sanitärobjekte (Wannen, Duschtassen, Wasch-/Spülbecken, WC), in 1.000 Stück | 4.575 | 4.994 | 9,2 |
Artikel für Transport oder Verpackung von Waren, in Millionen Stück | 14.623 | 14.764 | 1,0 |
Polyamide (Vorprodukt) | 202 | 240 | 19,0 |
Orlen festigt seine Marktposition
Der größte polnische Produzent von Kunststoffen ist das Joint Venture Basell Orlen Polyolefins Sp. z o. o. (BOP) aus Płock (Plozk), an dem die LyondellBasell Gruppe und die Orlen Gruppe beteiligt sind. Der Mineralölkonzern PKN Orlen S.A. befindet sich auf Expansionskurs und vereinbarte Ende 2022 die Übernahme des Geschäftsbereiches für vollständig recycelbares Low Density Polyethylen (LDPE) von BOP. Nach dem Erwerb der Lizenz von LyondellBasell ist Orlen nun nach eigenen Angaben der einzige polnische Hersteller von LDPE. Der Bereich produziert und vermarktet LDPE mit einer Jahreskapazität von über 100.000 Tonnen und deckt ein Drittel des jährlichen Bedarfs Polens daran ab.
Ein bedeutender Hersteller von Kunststoffen ist auch die zur Orlen Gruppe gehörende Anwil S.A. aus Włocławek. Sie ist Polens einziger Produzent von suspendiertem Polyvinylchlorid (PVC) und vertreibt harte und plastifizierte Granulate sowie PVC-Mischungen. Ihre Produktionskapazitäten für PVC will Anwil künftig noch auf 420.000 Tonnen jährlich aufstocken.
Daneben laufen im Land weitere große Vorhaben. Die polnischen Chemiegesellschaft Synthos S.A. aus Oświęcim (Auschwitz) baut in Płock mit BASF-Lizenz eine Anlage für die Extraktion von Butadien. Es ist ein wichtiges Vorprodukt in der Kautschukindustrie und zur Herstellung von Latex.
Nachhaltigkeit und Umweltschutz im Auftrieb
Auch Polen will zunehmend umweltfreundliche und recycelbare Kunststoffe herstellen und verwenden. Das polnische Start-up FibriTech Sp. z o. o. aus Warschau will diese sogar teilweise ganz ersetzen und erarbeitete eine Technologie, die stattdessen auf 3D-Naturfasernetzen basiert.
Das Land gehört mit dem Polski Pakt Plastikowy einem internationalen Netzwerk an, das sich bei Plastikverpackungen für mehr Kreislaufwirtschaft einsetzt. Es geht dabei um verstärktes Recycling, einen größeren Anteil an wiederverwerteten Rohstoffen und die Reduzierung des Aufkommens an Verpackungen und damit folglich auch an Abfällen davon.
Laut der Branchenvereinigung Stowarzyszenie Polski Recycling (SPR) recyclen über 300, meist inländische, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Kunststoffe, die sie für eine Wiederverwertung aufbereiten und neue Produkte daraus herstellen. Die Firma Conkret zum Beispiel verarbeitet jährlich über 50.000 Tonnen Plastikabfälle, aus denen sie hauptsächlich Isolierfolien für die Bauwirtschaft fertigt.
Globale Konzerne produzieren Reifen
Polen hat auch eine bedeutende Gummiindustrie mit zahlreichen, vorwiegend kleinen und mittelständisch geprägten Unternehmen. Es dominieren jedoch drei globale Reifenkonzerne mit ihren Produktionsstätten Michelin Polska Sp. z o. o. in Olsztyn (Allenstein), Goodyear Polska Sp. z o. o. in Dębica und Bridgestone Poznań Sp. z o. o. in Posen.
Während nur einige Großunternehmen Kunststoffe in Primärformen herstellen, gibt es zahlreiche KMU, die diese verarbeiten. Die Palette reicht dabei von Teilen für die Bauwirtschaft, Kfz und Hausgeräte über Möbelteile bis hin zu Verpackungen.
Ein führender Hersteller von Industrieverpackungen, Folien für Lebensmittel- und Medikamentenverpackungen sowie Hydroisolationsfolie aus PVC in Mittel- und Osteuropa ist Ergis S.A. aus Warschau. In Deutschland lässt Ergis bei der MKF-Schimanski-ERGIS GmbH in Berlin produzieren. Die Firma Bifol baut von 2021 bis 2024 für 36 Millionen Euro in Płock eine Fabrik für Folien aus Polypropylen und Polyethylen.
Die Anzahl der Beschäftigten in der Produktion von Erzeugnissen aus Gummi und Kunststoff sank laut GUS im Februar 2023 auf 222.000 Personen (Februar 2022: 225.000). Der durchschnittliche Bruttomonatslohn betrug gleichzeitig 1.372 Euro (auf Złoty-Basis nominal +12 Prozent gegenüber Februar 2022). Der Verband der Kunststoffverarbeiter PZPTS hat 73 Mitgliedsfirmen und -institute. Eine weitere Liste wichtiger Branchenunternehmen hat die Unternehmensberatung EMIS zusammengestellt.
Im EU-Land Polen gelten ähnliche Bestimmungen wie in Deutschland. Der Trend geht zu umweltfreundlichen und recycelbaren Kunststoffen. Die Lieferwege nach Deutschland sind wegen der geografischen Nähe kurz und flexibel. Die vergleichsweise hohe Inflation zieht Lohnsteigerungen nach sich. Auch der Fachkräftemangel trägt dazu bei. Ein Preisvorteil beim Import aus Polen ist der anhaltend schwache Wechselkurs des Złoty gegenüber dem Euro. Den Rohstoff Erdöl führt Polen aus verschiedenen Richtungen mit Tankschiffen ein. Polnischen Geschäftspartnern sollte mit betonter Höflichkeit begegnet werden. Begrüßungen und Verabschiedungen erfolgen wortreich. In der Anrede herrscht die Funktion vor (Herr / Frau Direktor). Dennoch sollten auch Namen möglichst korrekt ausgesprochen werden (auf -cki (männlich), -cka (weiblich): -tzki, -tzka, Herr Kubicki=Kubitzki, Frau Kubicka=Kubitzka). Ein paar Worte auf Polnisch bekräftigen das Interesse an Land und Leuten. |
Als Land im Zentrum Europas hat Polen einen bedeutenden Transportsektor. Sowohl Autobahn- und Fernstraßennetz, als auch das Schienennetz wird weiter ausgebaut. Die Häfen erhalten zusätzliche Umschlagkapazitäten. Die Logistikbranche spielt eine wichtige Rolle. Landesweit entstehen weitere moderne Lagerhallen. |
Bezeichnung | Anmerkung |
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AHK Polen (Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer) | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Verband der Kunststoffverarbeiter | |
Kammer für Verpackungen | |
Klaster Przetwórstwa Tworzyw Sztucznych KTPS Poligen | Cluster für Kunststoffe |
Hersteller von Kunststoffen | |
Messe für Kunststoffe und Gummiwaren | |
Warsaw Plast Expo, Kunststoffe | Messe für Kunststoffe |
Taropak, Poznan (Posen), Verpackungen | Messe für Verpackungsmaterialien |
Portal für Kunststoffe | |
Portal für Kunststoffe und Verpackungen | |
Fachzeitschrift der Kunststoffbranche, erscheint alle zwei Monate |