Wirtschaftsumfeld | Polen | Konjunktur
Krisenanzeichen in Polens Wirtschaft
Die Aussichten für Polens Wirtschaft trüben sich ein. Unternehmen melden schrumpfende Bestellungen. Die Inflation ist so hoch wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr.
06.07.2022
Von Christopher Fuß | Warschau
Eine monatlich unter 250 polnischen Industrieunternehmen durchgeführte Befragung der Wirtschaftsagentur S&P Global zeigt: Im Juni 2022 gab es einen deutlichen Rückgang bei den Bestellungen aus dem In- und Ausland. Als Konsequenz brach der Einkaufsmanager-Index PMI gegenüber dem Vormonat um 4 Punkte ein und landete bei einem Wert von 44,4. Liegt der Index unter 50 Punkten, deutet das auf sinkende Umsätze hin.
Blendet man die Coronapandemie aus, stürzt der PMI in Polen damit auf den tiefsten Wert seit 2008 – dem Beginn der Finanzmarktkrise. Analysten sind überrascht, da der PMI in wichtigen Absatzmärkten des Landes weiterhin über 50 Punkten liegt. Für eine große Unsicherheit am Markt sorgen laut S&P Global neben dem Krieg in der Ukraine die gestörten Lieferketten und die hohe Inflation.
Tatsächlich stiegen die Verbraucherpreise im Juni 2022 gemäß Polens Statistikamt GUS (Główny Urząd Statystyczny) so schnell wie seit 25 Jahren nicht mehr. Die Inflationsrate lag 15,6 Prozent über dem Vorjahreswert. Das macht sich nicht nur im Supermarkt bemerkbar. Um die Verteuerung einzudämmen, hat Polens Nationalbank NBP (Narodowy Bank Polski) den Leitzins zwischen Juni 2021 und Juni 2022 von 0,1 Prozent auf 6 Prozent erhöht. Kredite laufen meistens mit flexiblen Zinsen. Die monatlichen Raten für laufende Immobilienkredite haben sich nach Angaben der Tageszeitung Rzeczpospolita fast verdoppelt. Unternehmen spüren die gestiegenen Finanzierungskosten ebenfalls, beispielsweise bei Leasingverträgen.