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Wirtschaftsumfeld | Polen | Photonik, Elektronische Bauelemente

Weichenstellung für die Zukunft von Europas Halbleiterbranche

Im Rahmen einer Konferenz im polnischen Sopot diskutierte Europas Halbleiterindustrie über die Perspektiven der Branche. Dabei ging es auch um die Zukunft des European Chips Act.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polen will beim Thema Halbleiter stärker mit dem Bundesland Sachsen und mit Tschechien zusammenarbeiten. Das erklärte der Staatssekretär im Digitalisierungsministerium Dariusz Standerski auf der Veranstaltung ISS Europe. Das jährliche Symposium des Halbleiterverbandes SEMI Europe fand vom 13. bis 15. März 2025 in der polnischen Hafenstadt Sopot statt. 

Möglich wäre laut Standerski, dass Polen, Deutschland und Tschechien einen Forschungshub für Photonik aufbauen. Vereinfacht gesagt geht es bei Photonik um die Nutzung von Licht in Halbleitern. Polnische Unternehmen wie Vigo Photonics genießen in diesem Marktsegment europaweit einen guten Ruf. Polen könne außerdem seine Kompetenzen bei Halbleitern mit breitem Bandabstand einbringen, so Standerski. Diese Halbleiter arbeiten auch unter extremen Bedingungen zuverlässig. 

Internationale Kooperationen seien für Polen ein wichtiges Werkzeug, um die eigene Halbleiterindustrie zu fördern. Außerdem sieht Standerski die polnischen Staatsfirmen in der Pflicht. Sie sollen die insgesamt 250 Halbleiterunternehmen Polens unterstützen, indem sie verstärkt heimische Halbleitertechnologien einsetzen. Gleichzeitig wolle Polens Regierung die Rahmenbedingungen schaffen, um drei  große Halbleiterinvestitionen in den kommenden zehn Jahren ins Land zu holen, sagte Standerski.

Neuer Chips Act bis 2026

Auch Gustav Kalbe, kommissarischer Leiter des Direktorats der Europäischen Kommission für neue Technologien DG CNECT verwies in seinem Vortrag auf die Kompetenzen von Polen im Bereich Photonik. Die Europäische Kommission unterstütze den Aufbau einer europäischen Halbleiterindustrie mit dem European Chips Act, so Kalbe. Im Rahmen dieser Initiative sind bereits fünf Pilotlinien - gemeint sind Forschungsprojekte an neuen Halbleitertechnologien - und 24 Kompetenzzentren eröffnet worden – auch in Polen. 

Außerdem wurden mit Unternehmen wie TSMC in Deutschland oder STM in Italien mehrere Partner für sogenannte First Of A Kind-Fabriken (FOAK) gewonnen. Diese Niederlassungen werden Technologien produzieren, die noch kein anderes Unternehmen in der EU herstellt. In Zukunft will die Europäische Kommission laut Gustav Kalbe die Bereiche Chips Design und Quantum Chips fördern. Kompetenzen im Chip Design seien wichtig für den Fabless Markt – also für Unternehmen, die Halbleiter entwerfen, aber keine eigenen Produktionskapazitäten haben. Der US-Konzern Nvidia ist ein solches Fabless-Unternehmen. Quantum Chips könnten eine wesentliche Rolle beim Training von AI-Modellen spielen. Zudem ist der Markt noch jung. 

Bis September 2026 wolle die Europäische Kommission außerdem den Chips Act überarbeiten. Der Beratungsprozess mit Industriepartnern startet bald, so Gustav Kalbe.

Mehr Kompetenzen auf europäischer Ebene

Der Leiter der Abteilung für Regierungsangelegenheiten bei Intel Irland, Leonard Hobbs, machte in seinem Vortrag einige Vorschläge, wie ein neuer European Chips Act aussehen könnte. Wichtig sei laut Hobbs ein eigenes EU-Budget für Projekte im Halbleitersegment. Die meisten Initiativen würden aktuell mit Geldern aus der Staatskasse der Mitgliedsländer unterstützt. 

Als Beispiel verwies Hobbs auf die IPCEI-Projekte. Investitionen, die im Rahmen von IPCEI als strategisch wichtig ausgezeichnet werden, haben einen vereinfachten Zugang zu staatlichen Beihilfen. Das Erfolgsrezept des Chips Acts in den USA sei laut Hobbs gewesen, dass es ein eigenes Budget auf der Ebene der Zentralregierung in Washington gab.

Dem pflichtete Hendrik Bourgeois, Vizepräsident bei Intel für Regierungsangelegenheiten in Europa bei. Neben einem einheitlichen europäischen Förderrahmen und einer koordinierten Investitionsstrategie bräuchte Europa außerdem einen einheitlichen Kapitalmarkt. Nur so können die Investitionen in zukünftige Halbleiterprojekte finanziert werden. Bourgeois warnte außerdem, dass die Industriepolitik der Vereinigten Staaten zunehmend im Gegensatz zu den Zielen der EU stünde. Wenn die USA zum Beispiel Beschränkungen für den Re-Export von AI-Chips einführen, dann würde dies dem europäischen Binnenmarkt schaden. Die USA haben den Export von AI-Chips in einige EU-Mitgliedsstaaten eingeschränkt.

Spezialisierung statt Lokalisierung

Exportkontrollen identifiziert auch die McKinsey Partnerin Giulietta Poltronieri als eine der größten Herausforderungen für die Halbleiterindustrie. Darüber hinaus verwies sie in ihrem Vortrag bei ISS Europe auf neue Zölle und geopolitische Unsicherheiten. Um in diesem Umfeld zu bestehen, müsse Europa mehr Kapital für Investitionen mobilisieren, in Forschung investieren, Bürokratie abbauen und lokale Ökosysteme fördern. Europa sei vor allem bei den Themen Maschinenbau für die Halbleiterindustrie und bei der integrierten Herstellung von Schaltkreisen (IDM) gut aufgestellt. Auch die europäische Produktion von Wafern mit Strukturmerkmalen in der Größenordnung von 90 Nanometern könne bereits heute einen guten Teil des heimischen Bedarfs abdecken. Große Lücken gäbe es in den Bereichen Fabless und in der Backend-Produktion. 

Laut Benedikt Ernst, Senior Vize Präsident beim deutschen Technologiekonzern Merck Electronics macht es aber keinen Sinn, alle Produktionsschritte in Europa zu lokalisieren. Keine Region der Welt sei bei der Produktion von Halbleitern unabhängig. Vielmehr sollte Europa regionale Kernkompetenzen aufbauen und auf Industrie-Champions setzen. Außerdem endet die Wertschöpfung der Halbleiterindustrie nicht mit dem Chip, mahnte Ernst. Europa müsse sich stärker Gedanken über die Kommerzialisierung von Chips machen. Es reicht nicht, Produktionskapazitäten aufzubauen, ohne auch einen Markt zu schaffen.

Kritische Töne kamen von Malcom Penn, Vorsitzender des Halbleiter-Beratungsbüros Future Horizons. Er verwies im Rahmen seines Vortrags bei ISS Europe auf die bereits heute bestehenden Überkapazitäten in der Chip-Produktion. Der Markt lebe aktuell von der hohen Nachfrage nach AI-Chips. Sollte dieser Boom enden, stünden die Halbleiter Produzenten vor großen Schwierigkeiten.

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