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Branchen | Tschechien | Wohnungsbau

Prag entwickelt seine letzten großen Brownfields

Die Hauptstadt ist Tschechiens teuerster Immobilienstandort und leidet unter chronischem Wohnungsmangel. Auf Brachflächen und an der neuen Metrolinie D entstehen ganz neue Viertel.

Von Miriam Neubert | Prag

Die Zahl neuer Wohnungen, die Bau- und Entwicklungsunternehmen in Prag planen, wächst und wächst. Einer Analyse der Wohnungsbaugesellschaft Central Group zufolge handelte es sich im 1. Halbjahr 2022 um rund 134.000 Wohnungen. Das waren 5.000 mehr als im 1. Halbjahr 2021 und 50.000 mehr als vor 5 Jahren. Die Immobilienentwickler projektieren stürmischer, als die Genehmigungs- und Neubauprozesse laufen. Zwar wurde 2021 laut dem Tschechischen Statistikamt in Prag mit dem Bau von gut 8.000 Wohnungen begonnen. Das waren so viele wie seit Beginn der Zeitreihe 2006 nicht mehr. Doch der Durchschnitt der vergangenen Jahre aber lag erheblich darunter. Dabei rechnet die Hauptstadt mit dem Zuzug von etwa 600.000 Menschen bis 2050.

Öde Güterbahnhöfe mausern sich zu neuen Lebensräumen

Die hohe Nachfrage bei knappem Angebot treibt die Planung in Prag seit Jahren. Developer scannten die Goldene Stadt nach bebaubaren Flächen und sicherten sich Areale. Oft sind es ehemalige Fabrikgelände und Güterbahnhöfe, aber auch Grundstücke an den geplanten Stationen der neuen U-Bahn-Linie D. Schritt für Schritt gestalten sie diese in moderne multifunktionale Stadtviertel um. In anderen Fällen hat die Stadt die Federführung. Auftragschancen ergeben sich in allen Phasen, von Planung und Architektenwettbewerb über den Bau bis hin zur materiellen und technischen Ausstattung. 

Größte Baustelle ist zurzeit das Revitalisierungsprojekt Smíchov City, dem 15 Jahre Planung vorausgingen. Auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs im Stadtteil Smíchov entwickelt Sekyra Group in einer ersten Phase den nördlichen Teil mit zwei großen Wohnblöcken. Der erste mit 195 Einheiten soll Anfang 2023 fertig sein. Bei drei weiteren Wohngebäuden könnten die Bauarbeiten Ende 2023 starten. Insgesamt geht es um 400.000 Quadratmeter an Wohn-, Büro- und Geschäftsflächen sowie 21.000 Quadratmeter grüner Oasen. Die Kosten werden auf umgerechnet über 810 Millionen Euro beziffert.

Ausgewählte Stadtentwicklungs- und Wohnungsbauprojekte in Prag auf Verkehrs- und Industriebrachen

Investor/Projekt/Lage

Investitionssumme in Mio. Euro *)

Projektstand

Kontakt

Central Group / Rezidence Parková Čtvrt, Umbau des Güterbahnhofs in Prag-Žižkov zu einem neuen Stadtviertel mit Wohnungen, Läden, Schule, Park

812

Bau Anfang 2022 begonnen; Fertigstellung aller Blöcke für 2032 geplant

Central Group

Central Group / Projekt Nová Ruzyně an dem alten Lagergelände Westpoint an der geplanten Schnellbahn zum Flughafen Prag mit Wohnungen, Kindergärten, Läden

584

Vorbereitungsphase; Baubeginn für 2024 geplant

Central Group

Stadt Prag / Umbau des Bahnhofes Bubny-Zátory zu einem neuen Stadtviertel mit Wohnungen, Parkanlage, Philharmonie, Bahnhof und der Markthalle zum Quartier mit Kultur, Gastronomie, Kreativwirtschaft, Läden und Freizeitaktivitäten

k.A.

Investitionssumme Hunderte Milliarden Kronen; Baubeginn für 2025 und Fertigstellung 2040 geplant

IPR

Finanzministerium und Odien Real Estate / Umbau und Sanierung des Brownfields des ehemaligen Unternehmens Avia in Prag-Letňany, Umbau zu einem neuen Stadtteil mit Wohnungen, Läden, Büros, Dienstleistungen

284

Auftrag für Sanierung erteilt; Baubeginn Frühling 2023

Odien Real Estate und Finanzministerium

KKGC / Umbau des Brownfields Chirana in Prag-Modřany zu Wohnungen mit Kindergarten und grüner Fläche

162

Vorbereitungsphase; Veränderung der Bauzwecke durch Stadtteil genehmigt

KKGC

*) Umrechnung anhand des Wechselkurses 1 Euro = 24,66 Tschechische Kronen (Tschechische Nationalbank, 4.8.2022)Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen; Čianews; ČTK

Eine weitere Verkehrsbrache, die zu einem Wohnviertel mit Luxuswohnungen umgebaut wird, ist der Güterbahnhof Žižkov in Prag 3. Central Group legte im Februar 2022 den Grundstein zu dem sogenannten Park-Viertel. Der erste der halboffen angelegten Gebäudeblocks soll 390 Wohnungen bieten und Mitte 2024 fertig sein. Für architektonische Vielfalt sorgen dem Developer zufolge 9 Ateliers mit 21 Konzepten.

Masterplan unter Beteiligung eines deutschen Architekturbüros

Kurz vor der Neuordnung stehen 750.000 Quadratmeter um den früheren Güterbahnhof Bubny-Zátory in Prag 7. Sie sollen sich in ein modernes Stadtviertel mit 11.000 Wohnungen für 25.000 Einwohner verwandeln. Im Sommer 2022 wurden die Eingaben der Öffentlichkeit zu der mit dem Projekt zusammenhängenden Veränderung des städtebaulichen Rahmenplans ausgewertet. Der Masterplan für die Bebauung stammt vom deutschen Architekturbüro Thomas Müller Ivan Reimann Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit Pelčák a partner architekti Brno.

Magnet dieses Viertels wird die neue Philharmonie, Vltavská filharmonie Praha. Im Mai 2022 entschied die Jury nach einem internationalen Wettbewerb, dass das Gebäude nach dem Entwurf des dänischen Architektenstudios Bjarke Ingels Group (BIG) gebaut werden wird.

Für die Gestaltung der neuen Gesichter Prags ist als Konzeptgeber das Institut für Planung und Entwicklung der Hauptstadt Prag IRP zuständig, das zum Teil auch auf Englisch aktuelle und geplante Projekte aufführt. 

Neue U-Bahnlinie als Wohnungsbaumotor

Ein Motor für den Wohnungsbau in der Hauptstadt wird die neue und vierte U-Bahnlinie D, die über 10 Stationen an den südlichen Stadtrand führt. Die Tunnelarbeiten starteten im Mai 2022. Erste Abschnitte sollen 2029 in Betrieb gehen. "Die Projekte entlang der künftigen Metrostationen haben das Potenzial, die Wohnungskrise in Prag abzumildern", meint Ondřej Boháč, Leiter des IRP, das die städtebaulichen Studien der Viertel um die Stationen Nové Dvory und Libuš beauftragte. Mehr als 6.000 Wohnungen seien geplant. Ein Teil werde in der Hand der Stadt bleiben, um als erschwinglicher Wohnraum für Bürger zur Verfügung zu stehen.

Ausgewählte Stadtentwicklungs- und Wohnungsbauprojekte in Prag entlang der neuen Metrolinie D

Investor/Projekt/Lage

Investitionssumme in Mio. Euro *)

Projektstand

Kontakt

Reflecta Development und Central Group / Projekt Nemocnice Krč, mit 1.400 Wohnungen, Klinikum, Läden, Büros

162

Investitionssumme betrifft die erste Etappe; Vorbereitungsphase; Baubeginn für 2025 und Fertigstellung für 2032 geplant

Reflecta Development und Central Group

Pražská developerská společnost / Projekt Nové Dvory, mit 2.400 Wohnungen, Klinikum, Schulen, Kulturzentrum, Sportanlage, Läden

k.A.

Vorbereitungsphase; Baubeginn für 2027 und Fertigstellung für 2034 geplant

Pražská developerská společnost

Centrum Nová Libuš / Projekt Libuš, mit 1.300 Wohnungen, Arztpraxis, Läden, Kulturzentrum, Schulen

k.A.

Vorbereitungsphase; Baubeginn für 2027 und Fertigstellung für 2034 geplant

Centrum Nová Libuš

Projekt Písnice mit 1.100 Wohnungen, Läden, Rathaus, Parkanlage

k.A.

Vorbereitungsphase; Baubeginn für 2030 und Fertigstellung für 2038 geplant

k.A.

*) Umrechnung anhand des Wechselkurses 1 Euro = 24,66 Tschechische Kronen (Tschechische Nationalbank, 4.8.2022)Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen; Čianews; ČTK

Weitere ausgewählte Stadtentwicklungs- und Wohnungsbauprojekte in Prag

Investor/Projekt/Lage

Investitionssumme in Mio. Euro *)

Projektstand

Kontakt

Ekospol / neues Stadtviertel Ekocity Zličín mit Wohnungen, Läden, Schule, Park in Prag-Zličín

406

Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt; Entwicklung über die nächsten 10 Jahre

Ekospol

PPF und Karlín Group / mehrere gemeinsame Wohnungsbauprojekte in Prag

162

Vorbereitungsphase

PPF und Karlín Group

CPI / Projekt Žižkovské zahrady in Prag-Žižkov, Wohnungen

k.A.

Vorbereitungsphase

CPI Property Group

*) Umrechnung anhand des Wechselkurses 1 Euro = 24,66 Tschechische Kronen (Tschechische Nationalbank, 4.8.2022)Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen; Čianews; ČTK

Steigende Preise für Immobilien

Wohneigentum, das sich die Bürger auch leisten können, ist in Tschechien Mangelware und ein heißes Thema. Eurostat zufolge sind die Hauspreise in dem mitteleuropäischen Land im 1. Quartal 2022 erneut um fast ein Viertel gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Tschechien zeigte die höchste Dynamik in der EU. Über die Lage auch in den Regionen informiert zum Beispiel das Maklervergleichsportal FerMakleri oder der Deloitte Real Index.

In Prag hat die Preisentwicklung für viele Menschen den Traum von den eigenen vier Wänden schon länger beendet oder lässt sie in die angrenzende Region Mittelböhmen ausweichen. Im 1. Quartal 2022 mussten die Prager für ein 70 Quadratmeter großes neues Apartment 17,3 jährliche Bruttodurchschnittsgehälter hinlegen. Das geht aus dem CG-Index der Erschwinglichkeit von Wohnraum hervor, den Central Group regelmäßig errechnet. Damit waren es über zwei Jahresgehälter mehr als ein Jahr zuvor. Für Berlin errechnete der Index 9,2 Jahresdurchschnittsgehälter.

Auch sind die Zeiten günstiger Hypotheken vorbei. Um die hohe Inflation zu bekämpfen, hat die Tschechische Zentralbank seit 2021 die Leitzinsen drastisch erhöht. Dem Fincentrum Hypoindex zufolge wurden neue Hypotheken Anfang Juli 2022 im Schnitt mit 6,24 Prozent angeboten. Während solche Hypothekenzinssätze auch den Mittelstand als Käufer auszuschalten drohen, investieren zunehmend Menschen, die ihr Geld vor der Inflation in Sicherheit bringen wollen.

Mit Blick auf das Vorquartal stellte eine Analyse von Trigema, Skanska und Central Group im 2. Quartal 2022 eine Stabilisierung des Preises für neuen Wohnraum in Prag fest. Im Schnitt lag er demzufolge bei 145.783 Kronen (umgerechnet 5.915 Euro) pro Quadratmeter, bei rückläufigen Verkäufen. Ob das die Vorboten einer ersten Abkühlung des überhitzten Marktes sind, bleibt abzuwarten.

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