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Alatau – Kasachstan plant seine erste smarte Stadt

Nahe Almaty entsteht in den nächsten Jahren mit Alatau eine neue Metropole. Die geplante Stadt für etwa 1,9 Millionen Menschen soll nachhaltig und digital vernetzt sein.

Von Viktor Ebel | Almaty

Immer mehr Menschen in Kasachstan ziehen vom ländlichen in den urbanen Raum. Angesichts des starken Zuzugs droht vor allem Almaty, das wirtschaftliche Zentrum im Süden des Landes, zu kollabieren. Denn die wachsende Bevölkerung bedeutet auch mehr Verkehr, schlechtere Luft und höhere Mieten.

Nun will die Regierung das gegenwärtige wirtschaftliche Momentum nutzen und Abhilfe schaffen. Etwa 60 Kilometer nördlich von Almaty ist mit Alatau eine Smart City geplant. Sie soll vor allem sicherstellen, dass die Wirtschaft in der Region sich auch in Zukunft frei entfalten kann.

Der 2024 veröffentlichte Generalplan für das städtebauliche Großprojekt erinnert an asiatische Metropolen, wenn von weniger Autos, mehr öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV), umfangreichen Grünflächen, CO2-Neutralität und digitaler Vernetzung die Rede ist. Um dieses Ideal zu verwirklichen, ist Kasachstan auf Technologie und Know-how aus dem Ausland angewiesen. Erste Berater mit Expertise im Bereich Stadtplanung und Smart City waren bereits vor Ort, darunter aus dem Stadtstaat Singapur und aus der chinesischen 18-Millionen-Metropole Shenzhen.

Delegationsreise nach Kasachstan

Vom 9. bis 14. Juni 2025 führt die Delegation der deutschen Wirtschaft für Zentralasien eine Geschäftsanbahnung zum Thema Smart City / IKT-Dienstleistungen nach Kasachstan durch. Zu den thematischen Schwerpunkten zählen Ressourcenmanagement, Infrastruktur und Energieeffizienz. Anmeldeschluss ist der 9. März 2025.

Generalplan sieht Fertigstellung bis 2050 vor

Die ersten Hürden wurden bereits genommen. So hat der kasachische Präsident dem Areal der zukünftigen Smart City Anfang 2024 die Stadtrechte verliehen. Im Oktober 2024 wurde ein Planungsbüro gegründet, das notwendige Gesetzesänderungen vorbereiten und Investoren mit Vorzugsbedingungen anlocken soll.

Die Stadt Alatau ist als Industrie- und Dienstleistungsstandort konzipiert und daher auf Investitionen angewiesen. Die Kosten für die erste Umsetzungsphase werden auf umgerechnet 18 Milliarden US-Dollar beziffert. Die Regierung plant, lediglich die Infrastruktur – Straßen, Energieversorgung, Kommunaldienste – und die öffentliche Verwaltung aus staatlichen Mitteln zu finanzieren.

Neben verschiedenen steuerlichen Vergünstigungen will Alatau auch mit weiteren Standortfaktoren das Investoreninteresse wecken. So kreuzen sich in unmittelbarer Nähe mehrere wichtige Handels- und Verkehrsachsen, unter anderem Richtung China. Kasachstans Bedeutung als Transitland für den Handel zwischen Europa und Asien dürfte in den nächsten Jahren weiter steigen, weshalb das Transport- und Lagergewerbe expandiert.

Auch der Tourismus im Land gedeiht und zieht immer mehr Gäste an. Zudem bietet die benachbarte Großstadt Almaty einen Pool an qualifizierten Arbeitskräften, die den dort zuletzt drastisch gestiegenen Mieten entkommen wollen.

Der Generalplan für Alatau sieht vor, dass vier Stadtbezirke bis 2050 auf 88.000 Hektar entstehen. Sie werden folgende Schwerpunkte haben:

  1. Gate: Finanz- und Geschäftszentrum; Einzelhandel; Hotels; Sport
  2. Golden: Zentrum für Wissenschaft und Bildung; Gesundheitswesen; IT-Cluster; Kreativwirtschaft; Agrar
  3. Growing: Industrie, darunter Lebensmittel, Chemie, Maschinenbau und Baustoffe; Berufsbildung; Logistikzentrum; internationaler Flughafen
  4. Green: Tourismus; Glücksspiel; Formel-1-Rennstrecke; Vergnügungsparks; Hotelkomplexe

Wohnraum für annähernd 2 Millionen Menschen

Die kasachische Regierung schätzt, dass Alatau bis 2050 etwa 1,9 Millionen Menschen beherbergen wird. Wenn es nach den Planern geht, sollen mehrgeschossige Wohnhäuser mit großzügigen Parks das Stadtbild prägen.

Bei einer geplanten Wohnfläche von 30 Quadratmetern pro Person müsste sich der Wohnungsbestand bis 2050 auf fast 56 Millionen Quadratmeter erhöhen. Gegenwärtig hat das Siedlungsgebiet, das sich schrittweise zur Modellstadt Alatau entwickeln soll, einen Wohnungsbestand von kaum 1 Million Quadratmetern für etwa 52.000 Einwohner.

Neben Wohnraum ist ein umfangreicher Ausbau der sozialen Infrastruktur notwendig. Dazu gehören beispielsweise fast 300.000 Schulplätze, die Alatau bis zum Ende des Planungshorizonts erhalten soll. Außerdem werden sich knapp 70 Kliniken um die gesundheitlichen Belange kümmern, darunter zwei multidisziplinäre Krankenhäuser mit jeweils 500 Betten bereits ab 2030. 

Gerade in diesen Bereichen dürften smarte Technologien eine wichtige Rolle spielen. Kasachstan hat in den vergangenen Jahren bereits erste Erfahrungen mit digitalen Lösungen gesammelt, beispielsweise bei der Einführung von E-Governance oder im ÖPNV. Der nächste Schritt ist, alltägliche Abläufe effizienter zu gestalten, Ressourcen im urbanen Raum zu sparen und die Lebensqualität der Menschen durch eine kluge Raumplanung zu verbessern.

Stadtbahnprojekte stehen auf wackeligen Beinen

Eine wichtige Rolle dürfte hier die Verkehrsinfrastruktur spielen, bei der in Kasachstan viel Nachholbedarf besteht. Die Gesamtlänge des für Alatau geplanten Straßen- und Wegenetzes, darunter Stadtautobahnen, wird auf über 2.000 Kilometer geschätzt. Der ÖPNV soll aber überwiegend schienengebunden bewältigt werden. Stadtbahnlinien im Umfang von 76 Kilometern sind geplant; Schnellzugverbindungen sollen Alatau und Almaty verbinden.

Besonders diese Pläne sind angesichts der starken Verzögerung beim Bau der Stadtbahn in Kasachstans Hauptstadt Astana jedoch mit Vorsicht zu genießen. Ein Korruptionsskandal hatte das Projekt um mehrere Jahre zurückgeworfen. Ungewiss ist auch ein neuer Flughafen bis 2030. Denn der nahe gelegene Airport von Almaty wurde erst 2024 um ein zusätzliches internationales Terminal erweitert.

Nachhaltigkeit ist landesweit ein Thema

Der ÖPNV ist nur eine von mehreren Säulen, wenn es darum geht, Emissionen zu reduzieren. Ein weiterer großer Verursacher von Treibhausgasen, die Energieerzeuger, sollen mit Erdgas oder erneuerbaren Energien betrieben werden. Industrieunternehmen müssen mit effizienten Emissionskontrollsystemen ausgestattet sein.

All diese Maßnahmen stehen in Einklang mit den Modernisierungsvorhaben in Almaty und den Bestrebungen Kasachstans, bis 2060 Klimaneutralität zu erreichen. Mit energieeffizienter Technik, smarten Verbrauchszählern und Systemen zur Überwachung der Luftqualität können deutsche Unternehmen also auch jenseits des Projektes Alatau City punkten.

Wie realistisch ist das Alatau-Projekt?

Es gab in der Vergangenheit bereits Pläne, die Region zu entwickeln. Sie verliefen jedoch im Sande. Die neue Dynamik wird von zwei Faktoren befeuert: Kasachstans solider wirtschaftlicher Situation und dem starken Interesse ausländischer Unternehmen, auch an Branchen jenseits der Ölförderung.

Astana, die heutige Hauptstadt des Landes, ist in einer ähnlichen Ausgangssituation entstanden. Mit politischer Rückendeckung und Petrodollars wurde eine beeindruckende Hochhauskulisse aus dem Steppenboden gestampft. Doch 2025 sind die Vorzeichen andere – Alatau steht und fällt mit dem Engagement privater Investoren. Es bleibt also abzuwarten, was tatsächlich umgesetzt wird.

Kasachstan ist hier keine Ausnahme. Auch andere Megaprojekte wie Indonesiens neue Hauptstadt Nusantara oder das futuristische Neom in Saudi-Arabien am Roten Meer blicken einer ungewissen Zukunft entgegen. Die Frage ist aber nicht ob, sondern in welcher Form die Vorhaben verwirklicht werden. Hier sind verschiedene Szenarien denkbar. Auch wenn Alatau nicht das Singapur Zentralasiens werden sollte, tun sich aufgrund der wirtschaftlichen Dynamik in der Region dennoch Geschäftsperspektiven für ausländische Unternehmen auf.

Wichtige technische, wirtschaftliche und sozioökonomische Indikatoren von Alatau City
Indikator

Ausgangswert (2023)

2030

2040

2050

Bevölkerung

52.500

247.000

960.000

1.870.000

Wohnungsbestand (Wohnfläche in Millionen m2)

0,9

6,2

26,4

55,8

Schulplätze

6.300

34.400

162.400

314.500

Krankenhausbetten  

50

1.050

5.680

9.350

Straßen- und Wegenetz (in Kilometern)

418,9

792,4

1.342,4

2.097,0

Stadtbahn (in Kilometern)

0

0

48,7

76,2

Wasserverbrauch (in 1.000 m3/Tag)

k.A.

93,9

264,0

477,4

Stromverbrauch (in Milliarden Kilowattstunden/Jahr)

0,5

2,2

5,4

10,7

Aufkommen an Haushaltsmüll (in Tonnen/Jahr)

13.800

65.500

254.400

495.600

Quelle: Generalplan Alatau City 2025

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