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Handel mit Düngemitteln aus Russland von Sanktionen ausgenommen

Die EU verbietet die Einfuhr von russischen Düngemitteln. Die Ausfuhr in Drittstaaten ist hingegen nicht untersagt. Der Kreml findet neue Abnehmer in Asien und im globalen Süden.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Russland und Belarus gehören zu den führenden Lieferanten von mineralischen Düngemitteln. Auf Russland entfallen rund 45 Prozent der weltweiten Lieferungen bei Ammoniumnitrat, 20 Prozent bei Kalidünger und 14 Prozent bei Phosphatdüngemitteln. Vor Kriegsbeginn führte Russland jährlich etwa 37,6 Millionen Tonnen Dünger im Wert von 12,5 Milliarden US-Dollar (US$) aus.

Düngemittel für Drittstaaten nicht von EU-Sanktionen erfasst

Die Europäische Union sanktioniert die Einfuhr von Düngemitteln aus Russland und Belarus seit April 2022. Die entsprechende Verordnung datiert vom 8. April und ist seit 9. April in Kraft. Betroffen sind mineralische oder chemische Dünger, die Stickstoff, Phosphor und Kalium enthalten, sowie andere Düngemittel aus Kalium. Ferner stehen mit den Oligarchen Dmitri Masepin (Uralchim, Uralkali), Andrej Melnitschenko (Evrochim) und Andrej Gurjew (Phosagro) die Eigentümer der wichtigsten russischen Düngemittelhersteller auf der EU-Sanktionsliste.

Es ist zu unterscheiden zwischen der Einfuhr russischen Düngers in die EU und dessen Ausfuhr in Drittländer. Erstere ist grundsätzlich unzulässig. Letztere ist von den EU-Sanktionen nicht erfasst. Rechtsgrundlage ist EU VO 883/2014 Art. 3i, Abs. 1 und 2. Für Kaliumchlorid findet sich eine Ausnahme in Art. 3 i, Abs. 4 lit.a., in Kraft seit 10. Juli 2022.

Der weltweite Handel mit den für die globale Ernährungssicherheit wichtigen russischen Düngemitteln ist bewusst von den Sanktionen ausgenommen. Am 19. September 2022 erlaubte das politische Brüssel Düngerlieferungen in Nicht-EU-Staaten und ergänzte am 7. Oktober, dass die Verschiffung auch über Häfen in der EU erfolgen dürfe. Die EU-Kommission konkretisierte in ihren Leitlinien, dass auch die Finanzierung und Versicherung von Düngemittellieferungen in Drittländer keinen Sanktionen unterliegen. Zudem gestattete die EU ihren Mitgliedstaaten im Dezember 2022 Exportgeschäfte von Düngemitteln mit Personen, die vor ihrer Aufnahme in die Sanktionsliste eine bedeutende Rolle im internationalen Handel mit Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen spielten.

Der Kreml beharrt jedoch darauf, dass die Finanzsanktionen der EU den Export von Düngemitteln in Drittländer behindern würden. Die EU erwidert, dass ausreichend Zahlungskanäle offen stünden, um Zahlungen abzuwickeln. Doch zögern viele Händler, Reedereien und Versicherer von sich aus, mit Düngemitteln aus Russland zu handeln.

Zudem beklagt Moskau, dass die Ukraine sich weigere, den nach Kriegsbeginn eingestellten Transport von Ammoniakgas über eine Pipeline von Togliatti (Gebiet Samara) zum Hafen Odessa wieder aufzunehmen. Die Vereinten Nationen versuchten zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln. Parallel dazu begann Uralchim mit dem Bau einer neuen Pipeline zum Hafen Taman, die Ende 2023 in Betrieb gehen soll.

Auch die US-Sanktionsbehörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) machte im Januar 2023 Ausnahmen vom Sanktionsregime für Düngemittel. Das US-Finanzministerium ermuntert Banken, strategisch wichtigen russischen Herstellern von Düngemitteln wie Phosagro oder Uralkali auch weiter die Abwicklung von Zahlungen, Überweisungen oder Handelsfinanzierungen anzubieten, um eine weltweite Hungersnot zu verhindern.

Russland exportiert weniger Düngemittel

Obwohl Düngemittel für Drittländer bewusst von den Sanktionen ausgenommen sind, ging die Ausfuhrmenge aus Russland im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent zurück, meldet der Branchenverband RAPU. Vor allem die Nachfrage nach Kalidünger brach ein. Hauptgrund sind Logistikprobleme, da sich nach Kriegsbeginn internationale Transportunternehmen aus dem russischen Markt zurückgezogen haben.

Aufgrund der hohen Weltmarktpreise für Erdgas, das als Ausgangsstoff für viele Düngemittel verwendet wird, stiegen die Ausfuhren im Jahr 2022 im Wert um rund 70 Prozent auf 17 Milliarden US$, so die Welternährungsorganisation. Nach Kriegsbeginn kletterte der Preis für eine Tonne Ammoniumnitrat-Harnstoff (Urea Ammonium Nitrat) auf einen Höchststand von 865 US$. Ein Jahr später halbierte sich infolge sinkender Gaspreise der Preis auf 420 US$ pro Tonne, Tendenz fallend. Deshalb werden Russlands Exporterlöse mit Düngemitteln 2023 sinken.

Russland und Belarus reagierten auf die westlichen Sanktionen mit Gegenmaßnahmen. Beide Länder reduzierten die Ausfuhr von Düngemitteln in die EU mittels Quoten und Zöllen. Seit 1. Januar 2023 werden etwa auf Mineraldünger mindestens 450 US$ Zoll je Tonne erhoben. Die russische Regierung hob die Exportquoten zuletzt wieder an. Bis 31. Mai 2023 durften monatlich 665.000 Tonnen Ammoniumnitrat und 582.000 Tonnen Sulfoammophos ausgeführt werden.

Russland sucht neue Absatzmärkte

Russland lenkt seine Düngemittelausfuhren in "befreundete" Staaten wie China, Indien oder Vietnam um. Russische Exporteure bieten ihren Dünger dabei rund 10 Prozent unter den Weltmarktpreisen an.

Brasilien steigerte seine Importe von russischem Dünger im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Drittel auf 6,2 Milliarden US$, meldet UN-Comtrade.

Für Indien ist Russland jetzt wichtigster Lieferant von Düngemitteln. Das größte Flächenland der Welt steigerte in der ersten Hälfte des Fiskaljahrs 2022/23 (April bis September 2022) seine Exporte von Dünger um 20 Prozent auf 2,2 Millionen Tonnen im Wert von 1,6 Milliarden US$. Damit deckte Russland ein Fünftel des indischen Bedarfs.

Auch die Philippinen, Nepal und afrikanische Länder wie Malawi und Eswatini möchten künftig verstärkt Düngemittel aus Russland importieren, um die lokale landwirtschaftliche Produktion anzukurbeln.

Produktion von Düngemitteln sinkt

Trotz teilweiser Exporterfolge sinkt die Düngerproduktion in Russland. In den ersten beiden Monaten 2023 fiel die produzierte Menge an Mineraldünger um 10,2 Prozent auf 4 Millionen Tonnen, meldet der russische Statistikdienst. Marktführer Uralkali kündigte zwei Sonderinvestitionsverträge (SPIK 1.0) mit der Regierung der Region Perm im Wert von 1,8 Milliarden Euro. Der größte russische Hersteller von Mineraldüngemitteln befürchtet eine Überproduktion.

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