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Helicopterflug NO Passage Icebreaker | © GettyImages/Josef Friedhuber

Special | Arktis | Konnektivität

Die Arktis als Wirtschaftsraum

In der Arktis bestehen für deutsche Unternehmen Chancen in der Schifffahrt und im Infrastrukturbau. Doch die Erschließung der Arktis ist nicht unumstritten.

Durch die Folgen des Klimawandels rückt die Arktis mehr und mehr in den Blickpunkt. Im hohen Norden lagern zahlreiche Rohstoffe. Seerouten werden zunehmend schiffbar.

Die Anrainerstaaten der Arktis sind die skandinavischen Länder, Island, Kanada, die USA und Russland. Auch China schaut mit seinem staatlichen Investitionsprogramm, der Belt and Road Initiative, auf die Arktis und will dort eine polare Seidenstraße aufbauen.

All diese Länder stehen vor einer wichtigen Abwägung in ihrer Arktispolitik: Inwieweit wollen sie die Region wirtschaftlich erschließen und welchen Stellenwert messen sie dabei dem Erhalt der fragilen Ökosysteme der Region bei? Darauf finden die Anrainerstaaten sehr unterschiedliche Antworten. GTAI stellt die einzelnen Arktisstrategien vor.

Azimutalprojektion Nordpol Azimutalprojektion Nordpol | © Getty Images/FreeTransform
  • Norwegens Norden soll attraktiver werden

    Angesichts der zunehmenden Relevanz arktischer Gebiete will Norwegen mit hohen Investitionen mehr Menschen und Firmen in seinen Norden locken. Priorität hat die Infrastruktur.

    Die beiden nördlichen Regionen Norwegens – Troms og Finnmark und Nordland – sowie Spitzbergen beheimateten 2020 mit 487.000 Einwohnern weniger als jeden zehnten Norweger, Tendenz fallend. Im Gegensatz dazu wird die Gesamtbevölkerung des Königreichs Prognosen zufolge bis 2050 um 12 Prozent zunehmen.

    Diesem gegenläufigen Trend will die Regierung entgegenwirken, unter anderem mit einer Sonderförderung für Unternehmen im Norden. Im Jahr 2020 waren in den beiden nördlichen Regionen mehr als 32.000 von den landesweiten 428.000 Unternehmen tätig, 99 Prozent von ihnen hatten weniger als 50 Angestellte. Jeweils etwa ein Fünftel der Arbeitsplätze schaffen dort der Handel sowie der Bau- und Immobiliensektor. Der drittgrößte Arbeitgeber ist der Transport- und Logistiksektor, der etwa jedem zehnten Beschäftigten einen Job bietet.

    Förderung für innovative Unternehmen

    Die Regierung will die Bandbreite der Branchen und die Anziehungskraft des Nordens steigern. Die Region beherbergt einige der führenden norwegischen Hochschul- und Forschungseinrichtungen in den Fachbereichen Meeresforschung, Fischerei und Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen, Klimawandel und Umweltforschung, Innovation in der Arktis und nachhaltige maritime Industrien, heißt es im Whitepaper zur neuen norwegischen Arktisstrategie, das Ende 2020 vorgestellt worden ist. 

    Damit nordnorwegische Unternehmen dieses Potenzial besser ausschöpfen, legte der staatliche Wirtschaftsförderer Investinor 2018 einen Sonderfonds für die Region auf. Firmen, die weniger als sieben Jahre auf dem Markt sind, können einen Zuschuss für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen mit hohem Innovationsgrad und internationalem Wachstumspotenzial beantragen. Der Zuschuss kann bis zu 50 Prozent der Entwicklungskosten betragen. Gleichzeitig darf er die Summe von 20 Millionen norwegischen Kronen (nkr; etwa 1,9 Millionen Euro; 1 Euro = 10,468 nkr; Stand: 10. August 2021) nicht übersteigen. 

    Im Zuge der Coronamaßnahmen kündigte Handels- und Industrieministerin Iselin Nybø Mitte 2021 zudem einen neuen Investmentfonds für Nordnorwegen an. Der Fonds ist mit rund 40 Millionen Euro ausgestattet und wird zur Hälfte staatlich finanziert. Er soll gute Projekte in Nordnorwegen finden und unterstützen. Wenn es ihm gelingt, private Investitionen zu mobilisieren, verspricht Nybø die staatliche Einlage zu verdoppeln.

    Womöglich aufgestockt werden muss auch die Förderung des Breitbandausbaus. Obwohl fast alle Nordnorweger bereits 4G-Mobilverbindungen nutzen können und zumindest in Tromsø der 5G-Ausbau sowohl von Telenor als auch Telia voll im Gange ist, bleibt eine schnelle Festnetzverbindung für einige Bewohner unerreichbar. Laut lokalen Medien kommen bis zu 30.000 Haushalte nicht schneller als mit 30 Mbps ins Netz, können somit ärztliche Telekonsultationen oder Fernunterricht nicht voll nutzen. Für kommerzielle Anbieter ist der weitere Ausbau des Netzes trotz der Zuschüsse der Telekommunikationsagentur nicht profitabel. 

    Bessere Straßenverbindungen geplant

    Basis für den Ausbau der Verkehrswege ist der Nationale Transportplan (NTP) für die Jahre 2022 bis 2033. In den Regionen Troms og Finnmark und Nordland sind Investitionen in den Straßenbau im Wert von jeweils etwa 2 Milliarden Euro vorgesehen. Die Behörde für Straßenwesen plant oder realisiert bereits über 30 Projekte in der Region, darunter anspruchsvolle und übertunnelte Abschnitte der E6 (Megården - Mørsvikbotn) und E10 (Tjeldsund - Gullesfjordbotn - Langvassbukt).

    Nordland profitiert ferner von Investitionen in den Bahn- und Luftverkehr. Auf der teilweise über Schweden führenden Verbindung von Oslo nach Narvik sollen durchgehend Züge von bis zu 740 Meter Länge verkehren können. Dafür werden unter anderem die Bahnhofsanlagen in Narvik umgebaut. Neue Weichen sollen den Gütertransport auf der Strecke von Trondheim nach Bodø (Nordlandsbanen) beschleunigen, die als landesweit erste mit dem Steuerungssystem ERTMS ausgestattet wird.

    Neue Flughäfen und sicherere Schienen

    Um Bodø mehr Raum für die Stadtentwicklung zu geben, wird auch der Flughafen verlegt. Der staatliche Betreiber Avinor rechnet mit Kosten von mehr als 500 Millionen Euro. Hinzu kommen Ausgaben für die Verlegung des Rettungshelikopterdienstes. Etwa halb so teuer soll der neue Flughafen in Mo i Rana werden. Die Zentralregierung wird in den nächsten sechs Jahren 172 Millionen Euro finanzieren, den Rest sollen die Regionen beisteuern.

    Modernisiert werden auch 16 Häfen. Die Bandbreite der Projekte reicht von Vertiefungen der Fahrrinnen über den Ausbau von Wellenschutzanlagen und Pieren bis hin zu neuen Hafengebäuden. Auf Spitzbergen soll der Hafenausbau etwa 40 Millionen Euro kosten. Neben dem bereits geplanten schwimmenden Dock für den zunehmenden Verkehr von Kreuzfahrtschiffen wird auch auf neue Energiekonzepte gesetzt.

    Spitzbergen bekommt neue Energiequelle

    Anfang 2021 entschied die Regierung, das ausgediente Kohlekraftwerk stillzulegen. Der staatliche Energieversorger Statskraft plädierte bereits 2018 für einen Umstieg auf flüssigen Wasserstoff, der aus Finnmark verschifft werden sollte. Die Regierung setzt aber auf einen breiteren Energiequellenmix. "Zu den Alternativen, die in Betracht gezogen wurden, gehören sowohl fossile als auch erneuerbare Lösungen sowie eine Kombination davon. Am wahrscheinlichsten ist ein neues Blockheizkraftwerk, beispielsweise auf Basis von Erdgas oder Pellets, in Kombination mit einem schrittweisen Ausbau erneuerbarer Energien", erklärte Tina Bru, Ministerin für Erdöl und Energie, und besiegelte damit endgültig das Schicksal des Kohlebergbaus im hohen Norden. Der Betreiber Store Norske zeigte sich wenig überrascht von dieser Entwicklung. Die Firma ist bereits mit dem Rückbau von Kraftwerken auf Spitzbergen beschäftigt und will zukünftig in erneuerbare Energien investieren.

    Ausgewählte Großprojekte in Norwegen

    Vorhaben

    Investitionssumme (in Millionen Euro) *

    Projektstand

    Projektträger

    Ausbau E10 Lofoten

    196

    Anhörungsphase für Teilabschnitt läuft bis September 2021

    Statens Vegvesen

    Flughafen, Mo i Rana

    172

    Neuausschreibung; Baustart 2021

    Avinor AS

    Umbau Kaianlagen, Nordland

    30

    Baustart: August 2021

    Statens Vegvesen

    Bauunternehmen: Peab AB

    Neubau Volkshochschule, Svalbard

    20

    Auftragsvergabe September 2021

    Store Norske

    Totalsanierung Fischzuchtanlage, Mo i Rana

    12

    Baustart 2021

    Kvaroy Fiskeoppdrett AS

    Batteriefabrik, Narvik

    k.A.

    Dialog mit Regional- und Industriepartnern steht bevor

    Nordkraft AS; Stolt-Nielsen Holding AS

    Elektrifizierung, Hafen Tromsø

    k.A. 

    Hilfen von Enova in Höhe von 1,5 Mio. Euro

    Geplante Inbetriebnahme spätestens Januar 2023

    Troms Kraft; Tromsø Havn; gemeinsame Gesellschaft: Fjuel Tromsø AS (früher: Arctic Energy Port Tromsø AS)

    Elektrifizierung, Häfen Lofoten

    k.A.

    Kooperationsabkommen im Juli 2021 unterzeichnet

    Lofotkraft Muligheter AS;
    Nordkraft Prosjekt AS;
    Andøy Energi Holding AS;
    Trollfjord AS

    Wasserstoffproduktionsanlage Bodø-Moskenes

    k.A.

    Planungsstadium;  technische Machbarkeitsstudie abgeschlossen; Bau steht in engem Zusammenhang mit Inbetriebnahme von Wasserstofffähren 2024

    Shell; Nordkraft AS

    * Umrechnung nach EZB-Kurs vom 10.08.2021, 1 Euro = 10,468 nkrQuelle: Eigenrecherchen der GTAI

    Von Michał Woźniak | Stockholm

  • Russland hat ehrgeizige Arktispläne

    Russland will in der Arktis Kohle, Öl und Gas fördern und einen neuen Transportkorridor aufbauen. Die Infrastruktur muss an den Klimawandel angepasst werden.

    Große Hoffnung setzt der weltweit größte Flächenstaat auf die Erschließung der Rohstofflagerstätten auf dem polaren Festland. Vor der Küste existiert bislang auch eine Offshore-Bohrinsel, die von Gazprom betrieben wird. Bis 2035 sollen 125 Milliarden Euro in die Rohstoffförderung und industrielle Entwicklung der Arktis fließen.

    Wirtschaftssanktionen erschweren Pläne zur Erschließung von Rohstoffen

    Erschwert werden die Pläne zur Erschließung der Rohstofflagerstätten durch die von der USA und EU erhobenen Wirtschaftssanktionen, an die sich auch die chinesischen Energiekonzerne halten. Deshalb sind internationale Energiekonzerne in der Arktis kaum präsent.

    Schmelzender Permafrostboden bedroht Infrastruktur

    In Russlands subpolarem Permafrost stehen schon heute zahlreiche Industriezentren wie etwa in Norilsk. Das Auftauen des Permafrosts erfordert eine teure und aufwendige Anpassung der Fundamente. Die Säulen, auf denen Häuser stehen, müssen tiefer gelegt werden. Ansonsten droht der Zerfall von Wohnhäusern und Industrieanlagen.

    Arktisroute wird attraktiver

    Auf regulatorischer Ebene hat Russland gute Bedingungen für Reedereien geschaffen, die die Arktis befahren. Sie können sich unkompliziert anmelden, um die Route zu nutzen. Die Sicherheitsauflagen sind leicht zu erfüllen. Für den internationalen Containertransit hat die Route noch ein großes Entwicklungspotenzial: Nicht mehr als ein Dutzend Containerschiffe befahren die Route pro Jahr. Für die Projektlogistik, den Transport großer Anlagen wie etwa Bauteile für Kraftwerke, kann die Route jedoch sehr einträglich sein, wie deutsche Logistiker berichten.

    Schiffe, die durch die Arktis fahren, müssen derzeit mindestens acht Monate im Jahr von Eisbrechern begleitet werden. Um der erhofften wachsenden Nachfrage gerecht zu werden, baut Russland neue Eisbrecher.

    Chancen für deutsche Unternehmen

    Russland möchte bei der Entwicklung seiner arktischen Gebiete auch ausländische Partner ins Boot holen. Potenzial zur Zusammenarbeit bietet sich bei der Errichtung von Energieinfrastruktur, beim Umweltschutz sowie im Schiffbau und bei der Navigation. Welche Chancen deutsche Unternehmen haben, sich an Russlands Arktisprojekten zu beteiligen, erklärt Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, im Interview.


    Von Lukas Latz | Berlin

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