Special Russland
Russland: Schutz vor Rechtsänderungen soll auf 20 Jahre ausgedehnt werden
Russland versucht Investoren mit Förderinstrumenten wie dem sogenannten Sonderinvestitionsvertrag (SpezInvestKontrakt - SPIK) zu gewinnen. Das Industrieministerium bietet unter der Prämisse „Marktzugang im Tausch für Produktionslokalisierung“ für zehn Jahre gleichbleibende rechtliche Bedingungen, Steuervergünstigungen und Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen. Dafür müssen Investoren 750 Millionen Rubel (etwa 11,5 Millionen Euro) investieren, einen bestimmten Anteil ihrer Produktion lokalisieren und den Transfer von Technologie sicherstellen.
Bislang haben Investoren über 100 Anträge auf einen Sonderinvestitionsvertrag beim föderalen Ministerium für Industrie und Handel gestellt. Aber es gibt gerade einmal 13 Abschlüsse, weil die Verhandlungen individuell und aufwändig sind. An deutschen Unternehmen haben Claas, DMG Mori, Daimler und Wilo einen Sonderinvestitionsvertrag unterzeichnet.
Ab 1. Februar 2018 soll eine neue Version der Verordnung 719 die Kriterien für den Erhalt des Status eines Produkts "Made in Russia" neu definieren. Künftig unterliegen auch die Herstellung von Messgeräten, Aufzügen und radioelektronischer Geräte den Importsubstitutionsregeln. Daneben werden bestehende Lokalisierungsanforderungen verschärft. Zur Anerkennung eines Kfz als „Made in Russia“ wurden neue Mindestverarbeitungsschritte für Schlüsselkomponenten wie Motor, Getriebe und Elektronik festgelegt. Diese sollen schrittweise ab 2018 in Kraft treten.
Das Industrieministerium bessert den föderalen Sonderinvestitionsvertrag gerade nach. Mit dem SPIK 2.0 könnte die Anerkennung als lokaler Produzent künftig nicht mehr für einzelne Produktkategorien erfolgen, sondern der Status „Made in Russia“ könnte auf das gesamte Produktportfolio eines Unternehmens gewährt werden. Daneben soll der Zeitraum, in dem der Investor vor Rechtsänderungen geschützt ist, auf 20 Jahre ausgedehnt werden.
Die hohe Investitionssumme von 11,5 Millionen Euro schreckt allerdings viele Mittelständler ab, die an der Lokalisierung ihrer Produktion interessiert sind. Einige Regionalregierungen wie die von Perm und Nischni Nowgorod bieten daher regionale Sonderinvestitionsverträge an. Die Mindestinvestitionssumme liegt dort nur bei 300 Millionen Rubel (4,4 Millionen Euro), um speziell für kleinere Firmen attraktiv zu sein.
Die russische Regierung bietet neben dem Sonderinvestitionsvertrag noch weitere Investitionsförderinstrumente wie föderale Sonderwirtschaftszonen (SWZ), regionale Sonderwirtschaftsgebiete (TOR), Industrie- und Technoparks. SWZ bieten Investoren steuerliche Vergünstigungen sowie eine vorhandene Infrastruktur mit Straßen- und Schienenanbindung, Strom-, Gas- und Wasseranschluss.
Im Effektivitätsranking schneiden die staatliche SWZ Alabuga und die private Technopolis ChimGrad in Tatarstan regelmäßig am besten ab. Im nationalen Rating des Investitionsklimas, das die Agentur für strategische Initiativen (ASI) einmal pro Jahr durchführt, belegen die Republiken Tatarstan und Tschuwaschien sowie das Gebiet Moskau die vordersten Plätze.
In Russland herrscht ein chronischer Mangel an qualitativ guten Zulieferern. Um diesen Missstand zu beheben, wurde die Agentur für Mittelstandsentwicklung (Agentur MSP) ins Leben gerufen. Deren Aufgabe ist es, für ausländische Unternehmen geeignete Lieferanten zu suchen und deren Qualitätsniveau auf die Standards der Investoren zu heben. Die deutschen Unternehmen Schäffler, GEA und Wilo haben bereits eine Vereinbarung mit der Agentur MSP unterzeichnet.
Nicht nur bei Lieferanten, sondern auch bei Fachkräften gibt es Engpässe. Viele Unternehmen bilden ihre Spezialisten selbst und auf eigene Rechnung aus. Ab 1. Januar 2018 sind die Ausbildungskosten, darunter für Lehrmittel und Räumlichkeiten sowie die Ausbildungsvergütung, als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar.
Um Russlands Stellung in der internationalen Wertschöpfungskette zu verbessern, wird der Export gefördert. Dazu wurden Änderungen der Abgabenordnung vorgenommen, die die Bedingungen für die Herstellung von Exportprodukten mit ausländischen Komponenten verbessern. Bislang mussten Produzenten beim Export zwischen verschiedenen Steuervorteilen wie dem Erlass der Mehrwertsteuer und der Verbrauchssteuern oder Vergünstigungen bei Zöllen und Steuern auf importierte Komponenten auswählen. Mit der Änderung können beide Vorteile genutzt werden.
Wichtige Förderprogramme
Förderprogramm | Branche | Inhalt |
Sonderwirtschaftszonen (föderale) | Industrieproduktion; Hightech und Innovationen; Flug-, See-, Binnenschifffahrtshäfen | Steuervergünstigungen; erhöhter Abschreibungsfaktor; Anerkennung von faktischen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in voller Höhe |
Sonderentwicklungsgebiete (regionale) - Territorien der beschleunigten sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung (TOR) | Industrieproduktion | Reduzierter Steuersatz auf Unternehmensgewinne; beschleunigte Erstattung der Mehrwertsteuer; Befreiung von der Vermögensteuer und der Grundsteuer; Sonderregelung für Sozialversicherungsbeiträge |
Sonderinvestitionsvertrag (SpezInvestKontrakt - SPIK) | Industrieproduktion | Föderaler Sonderinvestitionsvertrag: wird zwischen einem Investor und dem russischen Staat (vertreten durch das föderale Ministerium für Industrie und Handel) geschlossen; Regionaler Sonderinvestitionsvertrag: wird zwischen einem Investor und einer russischen Region geschlossen; Bietet steuerliche Vergünstigungen (Gewinnsteuersatz) und einen erhöhten Abschreibungssatz |
Staatliche Garantien der Rechte ausländischer Kapitalanleger |
| Das föderale Gesetz Nr.160-FZ in der Fassung vom 5. Mai 2014 regelt die Eigentumsrechte an den von Unternehmen in der Russischen Föderation erworbenen oder neu errichteten Immobilien |
Weiterführende Informationen:
- Zu Investitions- und Steuerrecht informieren wir Sie aktuell in der Reihe Recht kompakt Russland
- Einfuhrregelungen, Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse
- Nationale Fördermaßnahmen in Russland
Text: Hans-Jürgen Wittmann