Interview | Saudi-Arabien | Baunebengewerbe
"Saudi-Arabien läuft gut" – ein Mittelständler berichtet
Im Königreich sorgt der Bauboom für glänzende Aussichten. Im Interview erläutert der Vertriebsleiter des Türbandherstellers Dr. Hahn, wie deutsche Unternehmen davon profitieren.
16.04.2025
Von Ulrich Binkert | Bonn

Frank Eggert kommt gerade von der Baumesse Big5 in Riad zurück. Der Vertriebsleiter für Osteuropa, Asien und den Nahen Osten beim Türbänder-Hersteller Dr. Hahn ist vom Wandel in Saudi-Arabien beeindruckt. "Noch vor acht Jahren gab es eine Pizza nur mit viel Glück, Musik in der Hotellobby gar nicht." Heute trifft der 58 Jahre alte Manager in Riad auf Clubs, Discos und "eine richtige Aufbruchstimmung". Von seinem Geschäft in Saudi-Arabien ist Eggert ebenfalls sehr angetan.
Herr Eggert, wie lief die Messe?
Sehr gut. Die boomende Bauwirtschaft sorgt für eine hohe Nachfrage nach Türen und damit auch den Bändern dafür, also den Verbindungsstücken zwischen Tür und Zarge. Gerade in unserem High-End-Bereich ist der Bedarf noch lange nicht gedeckt. Saudi-Arabien gehört für uns zu den Top-15-Märkten.
Sie profitieren von den Megaprojekten wie der neuen Stadt NEOM?
Die sind natürlich gut fürs Geschäft. Bis wir davon aber konkret etwas merken, wird es noch dauern. Bei solchen Milliardenvorhaben geht es zunächst um Straßen und die grundlegende Infrastruktur. Die Gebäude werden später gebaut. Erst dann kommen wir mit unseren Türbändern rein.
Wie sehen Sie da "Ihren" Erfolg?
Ich gehe nur selten durch eine Tür, ohne auf die Bänder zu schauen. Das ist wohl eine Berufskrankheit. Aber so bekomme ich mit, in welchem Projekt unsere Bänder verbaut wurden oder ob ein Wettbewerber den Zuschlag bekommen hat.
Ihre Endkunden sind die Türenbauer?
Wir vertreiben unsere Bänder weltweit über den Handel oder in einigen Fällen auch direkt an den Türenbaubetrieb. Das ist abhängig von der Größe des Unternehmens und von der Menge der benötigten Bänder.
Mit rund 450 Mitarbeitern und Exporten in 66 Länder zählt Dr. Hahn zu den "Hidden Champions" in Märkten, von denen man selten Notiz nimmt: Bei Scharnieren für Türen, im Fachjargon Bänder, erwirtschaften die Mönchengladbacher rund zwei Drittel ihrer Umsätze im Export. Außerdem wurde der Hersteller von hochwertigen Baubeschlägen nach eigenen Angaben jüngst als Innovationsführer im Bereich der Fenster- und Türentechnik ausgezeichnet.
Verkaufen Sie auch an die Hersteller von Profilen?
Das ist unser zweiter Absatzweg. Da gibt es zum Beispiel die Rollenbänder, das sind diese etwa stiftgroßen Bänder als Verbindung zwischen Rahmen und Tür. Unser Band wird so gestaltet, dass es möglichst formschlüssig mit dem Profil verbunden werden kann. Wir erarbeiten also eine Lösung, die an das Tür- und Rahmenprofil angepasst ist und die immer mit den Profilherstellern abgestimmt ist. Diese Hersteller übernehmen dann auch meist den Vertrieb der Bänder. Das ist in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht anders als in anderen Märkten.
Wie starteten Sie Ihre Präsenz in Saudi-Arabien?
Wir haben 1980 mit Handelsvertretern in Saudi-Arabien begonnen. Diese haben unsere Bänder bei den Türenbauern vorgestellt und die Aufträge abgewickelt. Mit dem steigenden Bekanntheitsgrad von Dr. Hahn kamen Anfragen direkt zu uns nach Deutschland. Inzwischen heißt ein Türband in Saudi-Arabien "Dr. Hahn". Wir sind zu einem Gattungsbegriff für das Band geworden.
Hilft Ihnen das auch gegen die Konkurrenz?
Ein hoher Bekanntheitsgrad ist für eine starke Marke unverzichtbar. Dennoch ist es nicht alles. Da sind die überzeugende Technik, die hochwertigen Oberflächen, die Zuverlässigkeit im Vertrieb ausschlaggebend. Qualität made in Germany ist für uns eine Verpflichtung gegenüber unseren Kunden, unsere Wertschöpfung liegt zu 100 Prozent in Deutschland. Das Know-how, das wir über Jahrzehnte erworben haben, unterscheidet uns von der Konkurrenz. Unsere Stärke sind individuelle Lösungen. Wir entwickeln unsere Produkte zudem ständig weiter. Das sichern wir auch durch Schutzrechte ab.
Mit Verlaub, aber Türbänder hört sich nicht nach Raketentechnik an.
Türbänder werden unterschätzt. Das sind Bauteile, die nicht nur für das reibungslose Öffnen und Schließen zuständig sind, sondern für den Brand- und Rauchschutz sowie für Fluchtwege eine entscheidende Rolle spielen. Hinzu kommt, dass es neben dem Aufschraubband Formen gibt, die fachkundiges Wissen erfordern. Über Rollenbänder sprachen wir bereits. Dazu gibt es verdeckt liegende Bänder, die im Inneren der Profile verbaut sind. Das sind dann schon sehr anspruchsvolle Konstruktionen.
Chinesische und andere asiatische Hersteller werden nicht auch besser?
Doch, aber in den nächsten zehn Jahren sehe ich in unserem Segment wenig ernsthafte Konkurrenz. Diese bedient den Massenmarkt. Sie nimmt auch den Aufwand für die Zertifizierungen nicht in Kauf, die wir für alle erdenklichen Anforderungen besitzen. China selbst ist für uns ein sehr wichtiger Markt. Wir haben in Shanghai unsere einzige eigene Auslandsniederlassung.
Sind Zahlungsausfälle im reichen Saudi-Arabien ein Thema für Sie?
Eher die Zahlungsziele. Bei den langen Verschiffungszeiten dauert es ab Bestellung schon drei bis vier Monate, bis der Kunde unser Teil im Regal liegen hat. Der Kunde muss seinerseits bei seinem Abnehmer lange auf sein Geld warten, sechs Monate laut Vertrag und de facto oft vier weitere. Insgesamt ist das über ein Jahr Verzögerung. Diese lange Zeitspanne müssen wir zahlungstechnisch mit unseren Kunden irgendwie aufteilen.
Saudi-Arabien und seine Megaprojekte: Wie kommt ein deutscher Mittelständler neu auf diesen Markt?
Indem er sich zum Beispiel zusammentut mit anderen, die schon dort sind. Einen Hersteller von Türschlössern kann ich auf einer Messe wie der Big5 kürzlich in Riad mit möglichen Partnern zusammenbringen. Er hat dieselben Kunden wie wir, Türenbauer, den Handel oder Profilhersteller, macht mir aber keine Konkurrenz. Im Gegenzug kann ich darauf hoffen, über ihn später an weitere Kunden zu kommen.
Nach meinem Eindruck kooperieren deutsche Mittelständler schon recht gut auf diese Art. Deutsche Gemeinschaftsstände auf Auslandsmessen wie jüngst auf der Big5 bieten dafür eine sehr gute Grundlage.