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Saudi-Arabien arbeitet an E- und H2-Mobilität
Fahrzeuge mit Elektroantrieb sind in Saudi-Arabien noch eine Seltenheit. Bis 2030 könnten es 1 Million bis 2 Millionen werden. Eine erste Fabrik für Elektrofahrzeuge wird gebaut.
07.06.2022
Von Robert Gehrke, Robert Espey | Riad, Dubai
Auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos erklärte Saudi-Arabiens Minister für Investitionen, Khalid Al Falih, insgesamt drei Produktionsstätten für Elektrofahrzeuge (Electric Vehicle; EV) könnten im Königreich entstehen. Die lokale Produktion soll zunächst vor allem die heimische Nachfrage bedienen. Die mittel- und langfristige Planung geht aber davon aus, dass die EV überwiegend ins Ausland gehen.
Mehr als 1 Million Elektrofahrzeuge bis 2030
Über die Zahl der aktuell in Saudi-Arabien zugelassenen EV (vollelektrische und hybride Plug-in Modelle) liegen keine zuverlässigen Informationen vor. Schätzungen sprechen von nur einigen Hundert. Aber es gibt sehr ambitionierte Ziele. So soll der EV-Anteil in der Hauptstadt Riad bis 2030 auf 30 Prozent steigen. Offiziellen Schätzungen zufolge sind in Riad derzeit 2,7 Millionen Fahrzeuge unterwegs. Bis 2030 dürften es weit mehr als 3 Millionen sein. Entsprechend müsste allein in Riad der EV-Bestand auf über 1 Million steigen.
Die saudi-arabische Standards, Metrology and Quality Organization (SASO) hatte 2017 wegen fehlender Rechtsgrundlagen den Import elektrischer Fahrzeuge (EV) untersagt. Anfang 2018 wurden die Zulassungsvoraussetzungen durch Veröffentlichung der "Technical Regulations for Electric Vehicles" geschaffen. Die kommerzielle Einfuhr von EV wurde aber erst 2020 erlaubt. Die Vorschriften gelten für EV bis zu 3,5 Tonnen und Höchstgeschwindigkeiten ab 25 Kilometer pro Stunde. |
Eine 2021 vorgelegte Studie kalkuliert für 2030 landesweit mit einem Fahrzeugbestand von 16,5 Millionen. Ein EV-Anteil von 5 Prozent würde 800.000 EV erfordern, bei 30 Prozent wären es 4,9 Millionen. Die meisten Prognosen erwarten 2030 einen Wert zwischen 1 Million und 2 Millionen.
Lucid Motors baut EV-Fertigungsstätte
Saudi-Arabien ist seit langem bemüht, eine lokale Automobilindustrie zu etablieren. Der in Kalifornien ansässige EV-Hersteller Lucid Motors will nun in der King Abdullah Economic City (KAEC; 120 Kilometer nördlich von Jeddah) eine Fertigungsstätte errichten. Saudi-Arabiens staatlicher Public Investment Fund (PIF) ist an Lucid Motors mit 63 Prozent beteiligt.
Lucid Motors hat zur Durchführung des Projekts im Februar 2022 Vereinbarungen mit dem Ministry of Investment, der Saudi Industrial Development Bank, der KAEC (Emaar-The Economic City) und der Gulf International Bank (GIB) geschlossen. An der GIB hält der PIF eine Beteiligung von über 97 Prozent. In den nächsten 15 Jahren soll Lucid Motors Finanzierungen und Investitionsvergünstigungen von bis zu 3,4 Milliarden US-Dollar (US$) erhalten.
Im Mai 2022 hat Lucid Motors einen 640 Millionen US$ Auftrag zum Bau des EV-Werks an das lokale Bauunternehmen Al Bawani vergeben. Die Fertigstellung ist für 2025 oder 2026 vorgesehen.
Zunächst werden aus den USA gelieferte Bausätze (CKD oder SKD) des Modells "Lucid Air" montiert. Es soll dann eine schrittweise Erhöhung der lokalen Wertschöpfung erfolgen. Die Fertigungsstätte wird über eine jährliche Kapazität von bis zu 150.000 Fahrzeugen verfügen.
Lucid Motors wurde 2007 gegründet und produziert seit 2021 in Arizona EV mit Verkaufspreisen zwischen 87.400 und 179.000 US$ je Stück. Das Unternehmen hat im Februar das Produktionsziel für 2022 von 20.000 Fahrzeugen auf 12.000 bis 14.000 gesenkt.
Im April 2022 hat die saudi-arabische Regierung mit Lucid Motors einen Vertrag zum Kauf von 50.000 Fahrzeugen innerhalb von zehn Jahren unterzeichnet. Eine Option auf weitere 50.000 wurde vereinbart. Für 2023 und 2024 ist die Lieferung von jeweils 1.000 bis 2.000 Fahrzeugen vorgesehen, ab 2025 sind jährlich 4.000 bis 7.000 geplant.
Lokale Entwicklung eines Elektrofahrzeugs in Planung
Die taiwanesische Foxconn Technology Group und der PIF wollen ein Joint Venture gründen, um unter der Marke "Velocity" in Saudi-Arabien Elektrofahrzeuge zu entwickeln und zu produzieren. Foxconn soll die Software, Elektronik und die elektronische Architektur des Fahrzeugs bereitstellen. Das Elektrofahrzeug soll eine alte BMW-Plattform nutzen.
Batterieproduktion in der Diskussion
Der PIF will ein Werk für EV-Batterien bauen lassen. Die für 2028 geplante jährliche Produktionskapazität wird mit 15 Gigawattstunden angegeben. Das Projekt soll die Batterien für Lucid und andere EV-Hersteller liefern. Das saudi-arabische National Industrial Development Center (NIDC) schlägt die Schaffung einer Produktionskapazität von 28 Gigawattstunden vor. Hier sind neben EV-Batterien auch Speicher für erneuerbare Energien berücksichtigt.
Im Februar 2022 hat die australische EV Metals Group einen FEED-Auftrag (Front End Engineering Design) für den Bau von zwei Produktionslinien zur Herstellung von Lithium-Hydroxid-Monohydrat (LHM) vergeben. LHM wird unter anderem für EV-Batteriezellen benötigt. Das 800 Millionen US$ Werk wird in Yanbu an der saudi-arabischen Westküste gebaut. Die Produktionskapazität soll bei jährlich 50.000 Tonnen liegen. Die Rohstoffe kommen zunächst aus Australien.
EV-Ladeinfrastruktur im Aufbau
Aktuell gibt es in Saudi-Arabien nur in der Hauptstadt Riad, in Jeddah und entlang des arabischen Golfs vereinzelt EV-Ladestationen. Nun soll das lokale Unternehmen Electromin insgesamt 100 Ladestationen in zwei Projektphasen installieren. Electromin ist eine Tochter des Schmiermittel- und Kfz-Dienstleistungsunternehmen Petromin.
Nach Firmenangaben werden die in der 1. Phase installierten Ladestationen mit allen homologierten Fahrzeugen, die von der SASO mit AC-Steckern des Typs 2 zugelassen sind, kompatibel sein. In einer 2. Phase sollen zusätzliche Wechselstromladestationen sowie Gleichstromladestationen mit bis zu 360 Kilowatt installiert werden. Im April 2022 haben Frankreichs TotalEnergies und das lokale Unternehmen Altaaqaa (gehört zur Zahid Group) eine Vorvereinbarung zur Entwicklung einer EV-Ladeinfrastruktur unterzeichnet.
Brennstoffzellenfahrzeuge als weitere Option
Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Wasserstofferzeugung wird in Saudi-Arabien auch über die Produktion von Brennstoffzellenfahrzeugen diskutiert. Im April 2021 unterzeichneten Hyzon Motors (USA) und die lokale Modern Group eine Absichtserklärung über die Prüfung eines Projekts zur Errichtung eines Lkw-Montagewerks. Eine Jahreskapazität von bis zu 10.000 Fahrzeugen ist im Gespräch. Als Standort ist die neue Entwicklungszone Neom im Nordwesten des Landes anvisiert.
Die nationale Ölgesellschaft Aramco hat ihr Innovationscenter LAB7 beauftragt, das Potenzial der Brennstoffzellentechnologie in Saudi-Arabien zu untersuchen. Im Dezember 2021 vereinbarten Aramco und das französische Technologieunternehmen Gaussin, die Möglichkeiten zur Produktion wasserstoffbetriebener Fahrzeuge in Saudi-Arabien zu evaluieren. |