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Arbeitsmarkt in Saudi-Arabien steht vor großen Herausforderungen
Die Beschäftigung von Ausländern wird immer mehr eingeschränkt, um für die Einheimischen Arbeitsplätze zu schaffen. Bei den Frauen ist die Erwerbstätigenquote stark angestiegen.
05.07.2023
Von Robert Espey | Dubai
Den saudi-arabischen Arbeitsmarkt kennzeichnet eine Aufspaltung in einheimische und ausländische Beschäftigte. Arbeitsplätze für die junge einheimische Bevölkerung zu schaffen gehört zu den drängendsten Problemen der nationalen Entwicklungsplanung. Der Anteil der unter 30-Jährigen an der einheimischen Bevölkerung lag 2022 bei 63 Prozent. Der schwankende Bedarf an ausländischen Arbeitskräften wird durch temporäre Migration (Anwerbung und Rückführung) gedeckt.
Die Arbeitsmarktstatistik für das 1. Quartal 2023 gibt die Gesamtbeschäftigung mit 15,4 Millionen Personen an. Die Zahl der einheimischen Arbeitskräfte betrug 3,9 Millionen, die restlichen 11,5 Millionen waren Ausländer. Der Anteil der Einheimischen an der Gesamtbeschäftigung lag mit nur 25,2 Prozent weit unter dem Bevölkerungsanteil. Gemäß dem Zensus von 2022 waren 58,4 Prozent der 32,2 Millionen Einwohner saudi-arabische Staatsbürger.
Einheimische Erwerbsbevölkerung steigt kräftig
Eine Auswertung der Zensus-Daten ergibt, dass im Fünfjahreszeitraum 2023 bis 2027 die Zahl der Einheimischen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) um insgesamt 1,7 Millionen wachsen wird. Dabei kommen rund 2,1 Millionen Personen hinzu, jedoch erreichen 0,4 Millionen die Altersgrenze. Nur etwa 32.000 einheimische Erwerbstätige in der Alterskohorte der 60- bis 64-Jährigen werden aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Angesichts einer Erwerbstätigenquote von etwa 70 Prozent in den jungen Altersgruppen ist mit einem jährlichen Bedarf von 250.000 bis 300.000 zusätzlichen Stellen zu rechnen.
Die Zahl der mit Einheimischen besetzten Stellen stieg 2022 sehr deutlich. Im Jahresverlauf erhöhte sich die Beschäftigung der Saudi-Araber um 320.000 auf 3,8 Millionen. Im Vorjahr betrug der Zuwachs lediglich 198.000, immerhin 82.000 waren es 2020. Von Anfang 2017 bis Ende 2019 stieg die Beschäftigung lediglich um 131.000 auf 3,2 Millionen.
Der kräftige Stellenzuwachs im Jahr 2022 ließ die Arbeitslosenquote der Einheimischen im 4. Quartal 2022 auf 8,0 Prozent sinken, den niedrigsten Wert in über 20 Jahren. Von 2003 bis 2021 war die Arbeitslosenquote durchgängig zweistellig. Der höchste Wert wurde im 1. Halbjahr 2018 mit 12,9 Prozent registriert.
Damit die Arbeitslosenquote 2023 weiter sinkt, müssten für saudi-arabische Staatsbürger mehr als 300.000 neue Stellen geschaffen werden. Ob das gelingt, ist fraglich. Für das 1. Quartal 2023 wird ein Anstieg der Arbeitslosenquote auf 8,5 Prozent gemeldet, obwohl sich die Beschäftigtenzahl gegenüber dem 4. Quartal 2022 um 99.000 erhöht hat.
Arbeitslosigkeit bei Frauen ist stark gesunken
Zu den derzeit wichtigsten Trends des saudi-arabischen Arbeitsmarkts gehört die zwar rückläufige, aber immer noch überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit bei den einheimischen Frauen. Hier sank die Arbeitslosenquote im 4. Quartal 2022 auf 15,4 Prozent. Im entsprechenden Vorjahresquartal waren es 22,5 Prozent. Bei den Männern ging die Quote von 5,2 auf 4,2 Prozent zurück.
Die Beschäftigung von Frauen hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Anfang 2017 lag der Anteil der Frauen an der einheimischen Gesamtbeschäftigung bei lediglich 16,2 Prozent. Mittlerweile sind es über 30 Prozent.
Die Erwerbstätigenquote der saudi-arabischen Frauen lag im 1. Quartal 2023 bei 36,0 Prozent (1. Quartal 2017: 17,4 Prozent). Für Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren wird eine Quote von 51,4 Prozent ausgewiesen. In den Alterskohorten von 35 bis 44 Jahren und 45 bis 54 Jahren sind es 49,8 beziehungsweise 42,2 Prozent.
Bei den Durchschnittseinkommen liegen die saudi-arabischen Frauen noch deutlich zurück. Nach Angaben des Statistikamtes betrug im 1. Quartal 2023 das durchschnittliche Gehalt für Frauen mit Bachelorabschluss umgerechnet 2.354 US-Dollar (US$). Männer kamen auf 3.566 US$. Noch größer war die Differenz bei Beschäftigten mit Masterabschluss: Frauen erhielten 3.343 US$, Männer 5.641 US$.
Staat will Stellenausbau beenden
Unter den meisten Einheimischen gilt eine Stelle im Staatsdienst aufgrund höherer Gehälter und attraktiverer Arbeitsbedingungen weiterhin als die beste Wahl. Aber der öffentliche Sektor zeigt beim Stellenausbau schon seit Jahren Zurückhaltung. Eine restriktive Personalpolitik soll den Staatshaushalt entlasten.
Im 1. Quartal 2023 waren 42,3 Prozent der einheimischen Beschäftigten im öffentlichen Sektor tätig. Der Anteil der Einheimischen im Staatsdienst betrug 91 Prozent. Rund 1,6 Millionen Einheimischen standen nur 0,2 Millionen Ausländer gegenüber. Der Anteil der saudi-arabischen Frauen an der einheimischen Beschäftigung im Staatssektor wird mit 38,2 Prozent angegeben.
Obwohl ein Personalabbau angestrebt wird, stiegen die mit Einheimischen besetzten Stellen zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 1. Quartal 2023 um 0,15 Millionen. Bei Männern gab es ein Plus von 0,09 Millionen, bei Frauen um 0,06 Millionen. Etwa ein Drittel der zusätzlichen Stellen dürfte durch Maßnahmen der "Saudisierung" entstanden sein, also den Abbau ausländischer Arbeitskräfte.
Politik der "Saudisierung" schafft Arbeitsplätze
Ein Großteil des Beschäftigungszuwachses bei den Einheimischen ist auf die seit 2011 zunehmend verschärfte Saudisierungspolitik zurückzuführen. Der Ersatz von Ausländern durch Saudi-Araber findet zwar auch im Staatssektor statt, das größte Saudisierungspotenzial liegt jedoch im Privatsektor. Hier sind gegenwärtig 7,7 Millionen Ausländer tätig. Zusätzlich arbeiten 3,6 Millionen Ausländer als Haushaltshilfen, Fahrer etc. in privaten Haushalten.
Die für den Privatsektor erlassenen Saudisierungsvorschriften regeln die Mindestbeschäftigigungsquoten für Einheimische. Diese erhöhen sich kontinuierlich. Die Quoten variieren nach Branche und Betriebsgröße. Bei verschiedenen Tätigkeiten gilt für Ausländer ein Beschäftigungsverbot. Gegen Unternehmen, die die Quoten nicht erfüllen, werden bis zur Erreichung der vorgeschriebenen Quote Sanktionen verhängt.
Sektoren | Saudi-Araber | Ausländer | Summe *) | Anteil der Saudi-Araber |
---|---|---|---|---|
Baugewerbe | 355 | 2.126 | 2.481 | 14,3 |
Handel, Fahrzeugreparatur | 382 | 1.149 | 1.531 | 25,0 |
Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen | 197 | 834 | 1.030 | 19,1 |
Verarbeitendes Gewerbe | 242 | 768 | 1.010 | 24,0 |
Hotel- und Restaurantgewerbe | 145 | 519 | 664 | 21,8 |
Verkehr und Lagerwesen | 101 | 238 | 339 | 29,9 |
Sonstige Dienstleistungen | 32 | 189 | 221 | 14,6 |
Gesundheits- und Sozialwesen | 73 | 136 | 210 | 35,0 |
Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen | 62 | 71 | 132 | 46,5 |
Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden | 99 | 31 | 131 | 75,9 |