Wirtschaftsumfeld | Saudi-Arabien | Wirtschaftsstruktur
Regierung will Wirtschaft diversifizieren
Die Abhängigkeit vom dominierenden Öl- und Gassektor soll weiter sinken. Die Klimapolitik könnte wichtige Impulse geben.
18.07.2024
Von Robert Espey | Dubai
Etwa die Hälfte der Wirtschaftsleistung der sechs Länder im Golfkooperationsrat (GCC) entfällt auf Saudi-Arabien. Das Königreich erwirtschaftete 2023 ein Bruttoinlandsprodukt von 1.068 Milliarden US-Dollar (US$), gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) mit 514 Milliarden US$. Beim Pro-Kopf-Einkommen lag Saudi-Arabien mit 32.200 US$ nur auf Rang 4, hinter Katar (78.700 US$), den VAE (52.000 US$) und Kuwait (34.000 US$).
Entwicklung des Nichtölsektors wird forciert
Ein Hauptziel der Entwicklungsplanung "Vision 2030" ist die Reduzierung der Abhängigkeit vom Ölsektor. Die angestrebte Diversifizierung sieht allerdings keine Schrumpfung, sondern vielmehr eine weitere Expansion der Ölindustrie und nachgelagerter Downstream-Sektoren vor. Kräftige, überdurchschnittliche Zuwächse in verschiedenen Sparten sollen den wachsenden Anteil der Nichtölwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt (BIP) realisieren.
Neben dem Ausbau der verarbeitenden Industrien stehen vor allem die Dienstleistungen im Fokus. Anders als in der bislang dominierenden sehr kapitalintensiven Ölwirtschaft entstehen in der Dienstleistungsbranche viele neue Arbeitsplätze für die junge einheimische Bevölkerung. Beispiele sind der stark expandierende Freizeit- und Tourismussektor und die Logistikbranche.
Der Umbau des Landes in Richtung Klimaneutralität könnte der Wirtschaft wichtige Impulse geben. Saudi-Arabien will 2060 das "Net Zero"-Ziel erreichen, zugleich aber seine Ölförderung und -exporte auf hohem Niveau halten. Die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien soll zur Klimaneutralität beitragen. Ein größeres Interesse richtet sich allerdings auf CCUS-Technologien (Carbon Capture, Usage and Storage). Bis 2035 soll eine CCUS-Kapazität von jährlich 44 Millionen Tonnen CO₂ erreicht werden.
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Internationale Unternehmen sehen neue Potenziale
Das Interesse ausländischer Firmen an Saudi-Arabien hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Ein wesentlicher Grund sind die zahlreichen angekündigten oder bereits begonnenen Megaprojekte. Die meisten Vorhaben werden komplett oder im wesentlichen Umfang vom staatlichen Public Investment Fund (PIF) finanziert.
Die positivere Einschätzung des saudi-arabischen Marktes ist auch auf einige Verbesserungen bei rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen zurückzuführen. Zudem hat die partielle Modernisierung der sehr konservativen islamischen Gesellschaftsordnung zu einer Imageverbesserung beigetragen.
Öl und Petrochemie sind die wichtigsten Wirtschaftssektoren
Der Ölsektor bleibt vorerst der dominierende Wirtschaftszweig. Sein Anteil (einschließlich Gas und Raffinerien) am BIP sank 2023 deutlich von 40,8 auf 33,4. Diesen Rückgang verursachte jedoch vor allem der 2023 um 17 Prozent gesunkene Ölpreis und eine Drosselung der Ölförderung um 9 Prozent auf 9,6 Millionen Barrel pro Tag.
Steigende Öl- und Gaspreise und/oder eine Ausweitung der Förderung werden den BIP-Anteil des Ölsektors künftig wieder nach oben treiben. Saudi-Arabien will bis 2027 seine Ölförderkapazität von aktuell 12,3 Millionen auf 13 Millionen Barrel pro Tag ausweiten. Hohe Investitionen fließen auch in den Ausbau der Gasförderung.
Die petrochemische Industrie ist mit einer jährlichen Produktionskapazität von über 120 Millionen Tonnen die größte Sparte des verarbeitenden Gewerbes. Die weitere Expansion und die Diversifizierung der Downstream-Industrie bildet einen Schwerpunkt der saudi-arabischen Entwicklungsstrategie.
Die Wasserstoffproduktion gilt in Saudi-Arabien als eine der wichtigsten Zukunftsbranchen. Ein Projekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff ist mit deutscher Beteiligung im Bau. Zahlreiche andere Wasserstoffprojekte sind in der Diskussion. Dabei spielt blauer Wasserstoff eine große Rolle.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2023 1) | Anteil an den Beschäftigten 2024 2) |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 2,9 | 2,6 |
Bergbau | 27,3 | 0,9 |
Öl- und Gasförderung | 26,8 | k.A. |
Verarbeitendes Gewerbe | 15,6 | 9,4 |
Ölraffinerien | 6,3 | k.A. |
Energie- und Wasserversorgung | 1,2 | 0,8 |
Baugewerbe | 5,6 | 12,4 |
Dienstleistungen | 47,5 | 74,0 |
Große Wirtschaftszentren an der West- und Ostküste
Dammam bildet zusammen mit den angrenzenden Städten Dhahran und Khobar das administrative Zentrum der Ölindustrie. Die nationale Ölgesellschaft Aramco hat in Dhahran ihre Zentrale. Der Hafen von Dammam ist der zweitgrößte des Landes.
Jeddah an der Westküste ist traditionell das große Handelszentrum des Königreichs. Zudem lebt die Stadt von den Millionen Touristen, die über Jeddah in die heiligen Städte Mekka und Medina reisen.
Die Royal Commission for Jubail and Yanbu (RCJY) ist für die Entwicklung der Industriezonen in Jubail und Ras Al Khair an der Ostküste sowie in Yanbu und Jazan an der Westküste zuständig. Die Schwerpunkte der RCJY-Industriezonen sind Investitionen in die Petrochemie und andere energieintensive Industrien.
In Jubail sind wichtige Chemiefirmen angesiedelt, darunter Sabic, die Arabian Petrochemical Company (Petrokemya), die Jubail United Petrochemical Company, SATORP und der Sadara Petrochemicals Complex. Geplant ist darüber hinaus der Bau eines CCUS-Hubs mit einer jährlichen Kapazität von 9 Millionen Tonnen.
Das größte Projekt in Ras Al Khair ist ein integrierter Aluminiumkomplex. Minen im Nordosten des Landes liefern das notwendige Bauxit. In Ras Al Khair wird auch Ammoniak produziert. Das Phosphat kommt ebenfalls aus lokalen Vorkommen.
Yanbu ist das Zentrum der petrochemischen Industrie an der Westküste. Dort produzieren drei Ölraffinerien mit einer Gesamtkapazität von über 1 Million Barrel pro Tag.
Ein neues Wirtschaftszentrum soll im dünn besiedelten Nordwesten des Königreichs entstehen. Für diese Region von der Größe Mecklenburg-Vorpommerns läuft unter dem Namen "NEOM" (New Future) weltweit eine aufwendige Imagekampagne, die ausländische Investoren anlocken soll. Die in NEOM geplanten beziehungsweise teilweise schon im Bau befindlichen Großprojekte sind eine futurische Stadt (The Line), eine Industrie- und Hafenzone am Roten Meer (Oxagon) sowie ein Tourismusprojekt in den Bergen (Trojena).
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