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Folge 22: Weltweit für die deutsche Wirtschaft im Einsatz

- September 2024 -

Zusammen mit den Deutschen Botschaften und den Auslandshandelskammern sind GTAI-Auslandskorrespondentinnen und GTAI-Auslandskorrespondenten das Gesicht der Deutschen Wirtschaft im Ausland.

GTAI-Auslandsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind weltweit auf allen fünf Kontinenten für die Deutsche Wirtschaft im Einsatz. Sie recherchieren und analysieren Themen und Trends, die die deutsche Wirtschaft bewegen, von A wie Abfallwirtschaft bis Z wie Zahnarztbedarf. Um an die wirklich relevanten Informationen zu gelangen, sind sie Profi-Netzwerker – auch nach Feierabend. Zu ihrem Netzwerk gehören Firmenchefs, Botschafterinnen und Wissenschaftlerinnen, genauso wie Verkäufer und Hobbyfußballer.

Sie schreiben aber längst nicht nur Berichte. Zusammen mit den Deutschen Botschaften und den Auslandshandelskammern repräsentieren GTAI-Auslandsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter die deutsche Wirtschaft im Ausland. Sie briefen und begleiten deutsche Wirtschaftsdelegationen. Sie halten Vorträge, sprechen auf Konferenzen, geben Interviews. Auch sind sie erster Ansprechpartner für ausländische Unternehmen, die in Deutschland investieren möchten.

In dieser Folge von WELTMARKT sprechen wir mit drei von ihnen. Aktuell leben Alexander Hirschle, Dr. Stefanie Schmitt und Carsten Ehlers in Singapur, Chile und Kenia. Alle drei leben mit nur kurzen Unterbrechungen seit über 20 Jahren im Ausland, sind schon oft umgezogen und haben dabei nicht nur Länder, sondern auch Kontinente gewechselt, immer die Familie im Schlepptau. 

Alle drei sind gefragte Gesprächspartner in Wirtschaftskreisen. In dieser Folge von WELTMARKT verraten sie nicht nur, was die deutsche Wirtschaft in Asien, Südamerika und Afrika bewegt. Sie berichten auch von ihren Beobachtungen und Highlights aus über 20 Jahren Auslandstätigkeit. Und sie lassen durchblicken, dass das aufregende Leben im Ausland auch Schattenseiten hat.

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Gäste in dieser Folge

Alexander Hirschle Alexander Hirschle | © Studio Prokopy

Alexander Hirschle

Alexander Hirschle ist seit über 25 Jahren für die Förderung der deutschen Wirtschaft im Ausland unterwegs. Nach seinem ersten Auslandsposten in Sao Paulo (Brasilien) wechselte er 2008 nach Bangkok, Thailand. Nach einem Zwischenaufenthalt als GTAI-Bereichsleiter Asien/Pazifik in Bonn zog Hirschle zurück nach Asien: Ab 2014 leitete der Wirtschaftswissenschaftler das GTAI-Büro in Seoul (Südkorea), bevor er dann nach Taiwan zog. Gerade ist der begeisterte Hobbyfußballer wieder umgezogen, um in Singapur den ASEAN-Hub der GTAI aufzubauen.
 

Dr. Stefanie Schmitt Dr. Stefanie Schmitt | © GTAI/Bundesfoto Voelkner

Dr. Stefanie Schmitt

Stefanie Schmitt lebt und arbeitet für GTAI in Chile und ist von dort aus für die Wirtschaftsberichterstattung zu Chile und Argentinien verantwortlich. Davor war die promovierte Volkswirtin und China-Expertin viele Jahre in Asien tätig. Im Jahr 2000 wurde sie erstmals nach China entsandt, damals nach Shanghai. 2008 wechselte sie für drei Jahre nach Hanoi/Vietnam. Nach einem Zwischenstopp in der GTAI-Zentrale in Bonn zog sie von 2013 bis 2021 wieder nach China, dieses Mal nach Peking. Nach ihrer langen Zeit in Asien wechselte die gebürtige Heidelbergerin 2021 den Kontinent sowie die Kultur und lebt und arbeitet nun in Santiago de Chile.

Carsten Ehlers Carsten Ehlers | © GTAI/Bundesfoto Voelkner

Carsten Ehlers

Mit 20 Jahren Afrika-Erfahrung ist Carsten Ehlers nicht nur in deutschen Wirtschaftskreisen ein geschätzter Afrika-Experte. Der Volkswirt und gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann ging 2004 zunächst nach Südafrika und berichte von dort aus mehr als sechs Jahre über wirtschaftliche Entwicklungen im Süden des afrikanischen Kontinents. Nach einer Zwischenstation in der GTAI-Zentrale in Bonn ging er 2014 zurück nach Afrika und baute das damals neue GTAI-Büro in Ghana auf. Von dort aus war der gebürtige Hamburger für ganz West-Afrika zuständig. Heute lebt und arbeitet Carsten Ehlers mit seiner Familie in Nairobi (Kenia).

 

Weiterführende Informationen

Wirtschaftsinformationen ASEAN: www.gtai.de/asean

Wirtschaftsinformationen Singapur: www.gtai.de/singapur

Wirtschaftsinformationen Chile: www.gtai.de/chile

Wirtschaftsinformationen Argentinien: www.gtai.de/argentinien

Wirtschaftsinformationen Afrika: www.gtai.de/afrika

Wirtschaftsinformationen Kenia: www.gtai.de/kenia

 

Transkript der Folge 

Das folgende Transkript wurde zum Zwecke der Barrierefreiheit mit einer Spracherkennungssoftware erstellt und danach auf offensichtliche Fehler hin korrigiert. Es entspricht nicht unseren Ansprüchen an ein vollständig redigiertes Interview. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Sie heißen GTAI-Auslandskorrespondentinnen und GTAI-Auslandskorrespondenten - und ja, unter anderem recherchieren und schreiben sie ähnlich wie andere Auslandskorrespondenten von Zeitungen und Zeitschriften, vor allem über Trends in ihrer Region, die die deutsche Wirtschaft interessiert. In der Praxis machen sie aber viel, viel mehr: Sie repräsentieren die deutsche Wirtschaft im Ausland. Sie halten Vorträge, sprechen auf Konferenzen, geben Interviews. Auch sind sie Ansprechpartner für ausländische Unternehmen, die in Deutschland investieren möchten. 

Was sie noch alles machen und wie sie das machen, das lassen wir uns heute von drei GTAI-Auslandsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern selbst erklären. Aktuell leben Alexander Hirschle, Dr. Stefanie Schmitt und Carsten Ehlers in Asien, Südamerika und Afrika. Alle drei sind schon sehr oft umgezogen, immer die Familie im Schlepptau, haben Länder und zum Teil Kontinente gewechselt. Kurz: Sie sind in der Welt zuhause, damit wir in Deutschland die Welt besser verstehen.

Alexander Hirschle Und wenn man das geschafft hat, dann ist man wirklich angekommen. Das sind dann Informationen, die man wirklich exklusiv hat und die man nicht sonst wo im Internet liest oder in irgendwelchen Homepages. Sondern das ist das, was unsere Arbeit ausmacht. 

Stefanie Schmitt Dann halten wir die Ohren offen, die Augen offen. Was gibt es für Themen künftig? Was kann interessant sein? Natürlich immer speziell mit der Brille, was ist für deutsche Unternehmen interessant?

Carsten Ehlers Ein Aspekt, der sich aus meiner Sicht verändert hat, ist, dass Afrika in den letzten zehn Jahren, aus deutscher Sicht, massiv an Bedeutung gewonnen hat. Die GTAI zum Beispiel hat neue Büros eröffnet.


Unser erster Gesprächspartner sitzt in Singapur. Wir hörten ihn eben kurz zum Thema exklusive Informationen, die man nicht sonst wo im Internet liest. Hallo Herr Hirschle. Stellen Sie sich doch einmal bitte kurz vor?

Alexander Hirschle Einen schönen guten Tag! Mein Name ist Alex Hirschle. Ich arbeite seit 25 Jahren, oder ja, mehr als ein Vierteljahrhundert, für Germany Trade & Invest in Brasilien mehrere Jahre, in Thailand, natürlich auch in Deutschland, in Südkorea, in Taiwan und bin jetzt seit wenigen Wochen hier in Singapur, ziehe gerade um mit der Familie und baue hier den neuen ASEAN-Hub von Germany Trade & Invest auf. 

Drei Kontinente und ein Vierteljahrhundert … Wie können wir uns Ihre Aufgaben vorstellen? 

Alexander Hirschle Ich versuch’s mal ein bisschen herunterzubrechen. Das erste ist natürlich, wir sind Informationsprovider für die deutsche Wirtschaft, für deutsche Unternehmen, vor allem für kleine und mittelständische Firmen, und versuchen, diesen Unternehmen so viel wie möglich marktrelevante Informationen zu übermitteln, mithilfe deren sie eine Basis für ihre geschäftlichen Entscheidungen treffen können, in welche Länder sie mit ihren Geschäften, ihren Investitionen, ihren Exporten expandieren wollen. 

Das ist eigentlich der Hauptteil, aber ein immer wichtigerer Teil, der immer mehr an Bedeutung gewinnt, das ist auch, ich nenn es mal, diese Gesichtsfunktion, dass man repräsentiert, Netzwerke aufbaut, Schnittstellen schafft zwischen den beiden Ländern, zwischen Deutschland, der deutschen Wirtschaft und dem jeweiligen Gastland. 

Sie sind dort also das Gesicht von Deutschland?

Alexander Hirschle Es ist vielleicht ein bisschen zu viel gesagt, aber im wirtschaftlichen Bereich mit Sicherheit eines der Gesichter. Man trifft sich mit Vertretern der lokalen Regierungen, mit Vertretern von Wirtschaftsorganisationen, von Fachverbänden, von Unternehmen natürlich. Sei es im Gastland, sei es in Singapur, sei es in ASEAN. 

Man macht Briefings für deutsche Delegationen, sei es für deutsche Politiker, die sich die Länder anschauen und nach Investitions- oder Geschäftsperspektiven schauen, und natürlich Unternehmen, die hier nach Singapur kommen, deutsche Unternehmen, und versuchen, ihre geschäftlichen Aktivitäten auszuweiten. In der Praxis sieht es dann im Regelfall so aus, dass bei solchen Briefings immer der Botschafter, der Geschäftsführer der Auslandshandelskammer, und der oder die Vertreterin von Germany Trade & Invest auftritt und die wirtschaftlichen Gegebenheiten und die Chancen im Gastland darstellt. 

Klingt ein bisschen wie die Arbeit eines Botschafters ... 

Alexander Hirschle Ja, das ist im Prinzip ähnlich. Nur dass wir halt uns voll und ganz der Wirtschaft verschrieben haben und den wirtschaftlichen Perspektiven deutscher Firmen und da vor allem des Mittelstandes und das eben auch in Marktinformation dann umwandeln müssen, die dann für die Unternehmen hoffentlich so interessant sind, dass sie sagen „okay, in diesem Land sehe ich eine Geschäftschance, da gehe ich hin und schaue mir das mal vor Ort an“ oder vielleicht auch sagen: „Ne, im Moment, da lasse ich die Finger davon. Das ist im Moment mir grad zu heiß, oder die Lage ist nicht so gut.“ 

Wir sind auch völlig neutral in unserer Perspektive. Wir haben die Freiheit zu schreiben: „Moment, hier ist die Infrastruktur so schlecht, dass es für deine Branche keinen Sinn macht, dahinzugehen.“ Oder wir können sagen: „Ja, in drei Jahren, hier gibt es ein Programm, es wird besser.“ Ich bin da völlig unbefangen in der Schilderung der geschäftlichen Perspektiven vor Ort. Das ist eigentlich einer unserer großen Vorteile.

Sie überblicken von dem neuen GTAI-Hubstandort in Singapur aus den ganzen ASEAN-Raum. ASEAN - das ist ja ein Staatenbund mit zehn völlig unterschiedlichen Ländern. Welche Entwicklungen in der ASEAN-Region sind für deutsche Unternehmen denn aktuell besonders spannend? 

Alexander Hirschle Also die ganze ASEAN-Region hat unheimlich an Bedeutung gewonnen in den vergangenen Jahren, eben durch diesen sagen wir mal Diversifizierungs-Trend durch China plus One, weil eben in den vergangenen Jahren durch die verschiedenen Ereignisse, sei es durch Covid, sei es durch einen Handelskonflikt, den Russland-Ukraine-Krieg oder auch andere geopolitische Risiken wie Taiwan-China zum Beispiel, die Unternehmen versuchen, sich breiter regional aufzustellen. 

Und da ist ASEAN, was bisher so ein bisschen unter dem Radar geschwommen ist, immer stärker auf den Schirm gekommen, in den Fokus, weil ASEAN eben in den vergangenen Jahren vor Covid eine der am stärksten wachsenden Regionen weltweit war mit einem durchschnittlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 6%, die gesamte Region. Und jetzt, nach diesen klassischen Covid-Knick, wieder zurück auf diese alte Wachstumsschiene kommt. Also es ist mit Sicherheit eine der spannendsten Regionen der Welt für Unternehmen. Es liegt in der Nähe der großen Absatzmärkte wie Korea, wie Japan, wie China natürlich oder auch Taiwan. 

Man hat hier eine demografische Situation, wo wir noch viel junge Bevölkerung haben, ein Bevölkerungswachstum in vielen Bereichen. Es ist eine Handelsdrehscheibe hier in der Region, man hat Rohstoffe, die verfügbar sind. Also im Prinzip ist ganz ASEAN eine Region, die immer stärker in den Fokus der Unternehmen kommen. Das war auch der Grund, warum wir als Germany Trade & Invest hier mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz diesen ASEAN-Hub jetzt aufbauen, um eben deutsche Firmen zu unterstützen bei ihrer Intensivierung der Aktivitäten in der ASEAN-Region.

Was ist denn für Ihre Arbeit besonders wichtig?

Alexander Hirschle Vertrauen und persönliche Beziehungen spielen eine große Rolle im Geschäftsleben. Man muss mit den Menschen sprechen, man muss sich für die Gastländer interessieren, man muss mit denen mal essen gehen. Man muss wirklich präsent sein und das nicht nur einmal, sondern auch nachhaltig. Und das ist sehr, sehr wichtig. Ist im Übrigen auch sehr wichtig für unser, sagen wir mal Kerngeschäft, für das Erlangen von Informationen.

Geben Sie uns doch mal ein paar Beispiele. Woher bekommen Sie Ihre Informationen?

Wenn ich beispielsweise etwas über den Maschinenbau in Taiwan schreiben möchte oder die Konjunktur in den Philippinen, dann ist geht allem voran so eine große Materialsammlung, sämtliche Quellen anzuzapfen, die es gibt, um sich ein grundlegendes Bild zu verschaffen von der von der Situation in diesem Sektor oder in der wirtschaftlichen Lage. Und das fängt an bei internationalen Statistiken, bei Handelsstatistiken, Tagespresse, Wirtschaftspresse, Fachverbänden etc. Und dann bekommt man den ersten groben Überblick über die Lage und versucht ein bisschen auszutarieren, wie das Gesamtbild im Sektor jetzt beispielsweise ist. 

Dabei muss man dann sehen, was sehr wichtig ist, dass jede Information oder fast jede Information bis zu einem gewissen Grad befangen oder interessensgetrieben ist. Man muss da schauen, ein Fachverband beispielsweise in einem Halbleiterverband in Taiwan würde niemals schreiben, dass die taiwanischen Halbleiter schlecht sind, ja beispielsweise. Oder eine Wirtschaftsförderorganisation in Korea, wie die KOTRA, wird immer sagen, dass Korea ein toller Investitionsstandort ist. Und man muss dann versuchen, diese ganzen Faktoren erstmal zusammenzubringen und sich ein grobes und neutrales Bild über die Lage im Land oder in dieser Wirtschaftsbranche zu erarbeiten, das ist wirklich harte Arbeit. 

Und wenn man das dann hat, wenn man das mal geschafft hat, dann kommt eigentlich erst der Reality Check. Der Reality Check ist dann die Gespräche mit den Firmen vor Ort. Man muss im Prinzip deshalb unheimlich engen Kontakt haben und einen vertrauensvollen Kontakt haben auch zu den deutschen Firmen und Firmenvertretern im Gastland. Muss sich richtig reinstürzen, sage ich mal, in diese Netzwerke. 

Und hier teilweise über Jahre hinweg ein Vertrauensverhältnis aufbauen, wo man dann auch nachfragen kann: sag mal, wie sieht es denn aus in der Branche? Ist dem wirklich so? Und wenn man das das geschafft hat, dann ist man wirklich angekommen. Das sind dann Informationen, die man wirklich exklusiv hat und die man nicht sonst wo im Internet liest oder in irgendwelchen Homepages. Sondern das ist das, was unsere Arbeit ausmacht.

Sie sind grade wieder dabei, anzukommen. Sind mit Familie an einen neuen Standort gezogen. Ist das nicht ein Mega-Stress? 

Alexander Hirschle Es ist schon eine mittlere Katastrophe, gerade wenn man so noch mitten drinsteckt. Also ich denke immer, so ein Umzug in Deutschland ist schon übel. Von einem Stadtteil in den nächsten oder von einer Stadt in die nächste. Aber im Ausland ist das natürlich noch mal was ganz anderes. Der technische Aspekt ist sehr spannend über Landesgrenzen hinweg sich zu verändern, sei es die Buchung des Containers mit unterschiedlichen Frachten, der Abgleich, das alles in Deutschland darzustellen, die Kosten, die bürokratischen Anforderungen in den jeweiligen Gastländern, die immer unterschiedlich sind. 

Es ist ein Riesenaufwand und man muss im Prinzip fast immer damit rechnen, dass das gesamte Procedere fast ein Jahr in Anspruch nimmt von dem ersten Aufschlag, bis man dann wirklich alles so auch sich eingeruckelt hat in dem neuen Land. Und da fängt es an bei Kleinigkeiten wie: Wie bezahle ich meine Fernsehrechnung oder Wie kriege ich Strom? Von Visum und Steuerfragen wollen wir gar nicht sprechen. Das ist schon immer recht stressig.

Klingt so, als würde man jedes Mal wieder bei Null anfangen … 

Alexander Hirschle Es ist immer wieder quasi ein kompletter Neustart. Ja, es ist ein Neustart kulturell. Jedes Gastland ist anders. Es gibt in den jeweiligen Ländern gibt es Dinge, die kann ich sagen oder nicht sagen. Die Menschen sind unterschiedlich. Muss man erst mal drauf einstellen, teilweise Sprachen lernen etc. Das ist auf der einen Seite superspannend, das ist unser Lebenselixier, auf der anderen Seite sehr fordernd. 

Das nächste ist, was das Private natürlich, im Prinzip ist, ist man selber auf Null gestellt wieder. Alle Freunde, alle Bezugspersonen, alle Vertrauenspersonen sind weg. Und das gilt ja nicht nur für einen selber, sondern eben auch für den Partner und die Kinder und und und. Gerade heute, Schulbeginn war gestern. Natürlich gibt es da Tränen bei den Kindern. Also man muss da schon psychisch einigermaßen stabil sein, um durch diese Geschichten durchzugehen. Also es ist jedes Mal ein Neuanfang. Das hält einen jung irgendwie, auch jetzt, ich bin 55. Man muss im Prinzip wieder auf Leute zugehen. Man muss neue Dinge lernen, neue Sprachen lernen. Man muss Sachen machen, die man sonst eigentlich mit 20 macht, muss man mit 55 noch mal machen und sich einen neuen Freundeskreis aufbauen. Hält einen irgendwie auf Trab und ist dann auch sehr bereichernd.

Sie sind ein starker Netzwerker - vor und nach Feierabend. Verraten Sie uns einen Ihrer Tipps, um schnell viele Menschen kennenzulernen?

Alexander Hirschle Ich habe so das Gefühl, umso mehr Internet und Informationsangebot es gibt, umso wichtiger wird der persönliche Bezug. Angesichts dieser Informationsfülle, die man bekommt, muss man ja erst mal filtern, welchen Informationen ich vertrauen kann. Und da wird das Persönliche eigentlich eher wichtiger als unwichtiger und da ist ein Medium natürlich bei mir Fußball. 

Ich bin seit Kindesbeinen begeisterter Fußballer. Im Ausland gibt es im Regelfall Fußballclubs. Und das Gute dabei ist, wenn man da hinkommt, lernt man auf einen Schlag 50 bis 150 Leute kennen, auf einmal, mit denen man gemeinsam auf dem Sportplatz steht, gemeinsame Reisen macht, Weihnachtsfeiern, wie auch immer. Wenn man in Singapur, sage ich mal, 90 Minuten bei 40 Grad auf dem Fußballplatz geschwitzt hat und danach noch irgendwie zwei drei isotonische Getränke zu sich nimmt und dann über das Geschäft spricht, da hört man die Geschichten, wie es wirklich abgeht und was passiert. 

Sie sind doch gerade erst in Singapur angekommen. Heißt das: Sie haben sogar schon einen neuen Fußballverein? 

Alexander Hirschle Ja, natürlich.

Vielen Dank nach Singapur, Alex Hirschle. Jetzt wissen wir, dass es sich nicht nur auf Botschaftsempfängen, Konferenzen und Chefetagen netzwerken lässt, sondern auch nach Feierabend auf dem Fußballplatz. Wir wünschen weiterhin ein gutes Ankommen und viel Erfolg beim Aufbau des ASEAN-Hubs der GTAI.

Wir wollen wissen, wie das in anderen Ecken der Welt läuft und unterhalten uns gleich mit Carsten Ehlers, der seit 2004 in Afrika lebt und arbeitet und nicht nur in deutschen Wirtschaftskreisen ein äußerst geschätzter Afrika-Experte ist.

Aber jetzt schauen wir zuerst nach Südamerika. Hallo Stefanie Schmitt. Wo sind Sie denn aktuell zuhause und wie war Ihr Weg dorthin?

Stefanie Schmitt Ich arbeite seit knapp drei Jahren für Germany Trade & Invest in Chile in Santiago. Allerdings ist Chile für mich komplett neu. Ich habe eigentlich fast mein ganzes Berufsleben in China verbracht, von 2000 bis 2008 in Shanghai und von 2013 bis 2021 in Peking. Dazwischen zwischen bin ich kurz fremdgegangen, in Anführungszeichen. 

Ich war knapp drei Jahre in Vietnam und vor meiner GTAI-Zeit habe ich auch noch für ein Maschinenbauunternehmen gearbeitet, als Chinareferentin und bin promovierte Volkswirtin und war das erste Mal 1987 in China. Ich habe später meine Diplomarbeit in China geschrieben und auch meine Doktorarbeit über ein Chinathema. Ich bin also wirklich in China-Gewächs und für mich ist Lateinamerika ganz neu und sehr spannend.

Wurde Asien dann doch langweilig?

Stefanie Schmitt Asien ist nie langweilig und China lässt einen nie los. Und der lange Arm Chinas, der reicht auch bis Chile und bis Argentinien. Das sind die zwei Länder, die ich bearbeite. Aber ich wollte dann doch mal was anderes machen, eine neue Sprache noch mal lernen. Und wir haben ja bei der GTAI die Möglichkeit, wir haben ja über 50 Standorte weltweit, auch mal was Neues zu machen. Ich bin jetzt Mitte 50 und ich habe gedacht, wenn ich jetzt nicht was Neues mache, machst du es nie wieder und es war die richtige Entscheidung. 

Helfen Ihnen da ihre Asien-Erfahrungen? Oder funktioniert Lateinamerika komplett anders?

Stefanie Schmitt Gerade Chile oder Argentinien sind Europa natürlich viel näher. Also insofern ist es einfacher in Anführungszeichen, aber man hat irgendwo vielleicht den kleinen Nachteil, man wird als Ausländer nicht so wahrgenommen wie in China. Da fällt man natürlich sofort auf. Und wenn man aus Deutschland kam, wird man in China, ich nenne das immer so positiv diskriminiert. Also es gibt dann gewisse Vorschusslorbeeren, die man hat, die man hier in dem Maße nicht so bekommt. Obwohl Deutschland in Chile und auch in Argentinien natürlich einen sehr guten Ruf genießt.

Ihr Kollege Alex Hirschle hat uns schon erzählt, was seine Hauptaufgaben sind. Wie sieht denn Ihre Arbeit in Chile und Argentinien aus?

Stefanie Schmitt Zum Beispiel arbeite ich zurzeit an einem Branchenbericht zum Pharmamarkt in Argentinien. Wobei das Schreiben eigentlich die wenigste Zeit beansprucht. Der größere Teil geht tatsächlich in die Recherche. Man muss sich erstens mal selber fit machen für das Thema, denn ich weiß ja auch nicht alles und wir schreiben ja für Fachleute und die merken natürlich ganz schnell, wenn man keine Ahnung hat. 

Gut wird so ein Bericht ja erst dann, wenn man hier mit den Leuten vor Ort spricht, die in der Branche arbeiten. Das ist das, was viel Zeit frisst und was man im Nachhinein vielleicht gar nicht so sieht. Solche Gespräche oder so Interviews vor Ort, die zeigen einem, ob man in die richtige Richtung denkt, ob man bei der Recherche vielleicht was überlesen hat, weil man es nicht richtig eingeordnet hat. Oder ob es ganz neue Entwicklungen gibt, die im Internet vielleicht noch gar nicht so auftauchen. Und deshalb sind wir ja auch als GTAI als Korrespondenten vor Ort, sonst könnten wir den Job ja auch aus Bonn oder aus Berlin machen.

Und dann halten wir natürlich auch noch Vorträge für Unternehmensdelegationen, auch mitunter für Vertreter aus der Politik, die hier aufschlagen. Das machen wir in der Regel gemeinsam mit den Vertretern der AHK und der Botschaft. Dann halten wir die Ohren offen, die Augen offen. Was gibt es für Themen künftig? Was kann interessant sein? Natürlich immer speziell mit der Brille: Was ist für deutsche Unternehmen interessant?

Das klingt ja so, als sei das Netzwerken auch bei Ihnen ein wichtiger Bestandteil Ihrer Arbeit? 

Stefanie Schmitt Das ist das A und O. Und ich netzwerke eigentlich immer.

Welche Entwicklungen in der Region sind denn aktuell besonders spannend für die deutsche Wirtschaft? 

Stefanie Schmitt Ich fange vielleicht mal andersherum an: Als ich nach Chile gekommen bin, da hatte ich ja gehofft, ich hätte es hier ein bisschen ruhiger als in China. Denn wenn Sie in China sind, dann sind Sie immer im Fokus. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. China war bis 2023 über viele Jahre hinweg wichtigster deutscher Handelspartner. Und ich habe gedacht, in Chile sei ich da ein bisschen am Ende der Welt. 

Und dann habe ich ganz schnell gelernt: Das war falsch. Ich bin hier völlig am Puls der Zeit. Also mit Themen wie erneuerbare Energie, grüner Wasserstoff, Kupfer. Chile hat weltweit die größten nachgewiesenen Kupfer- und Lithiumvorkommen. In Chile kann man Wind- und Sonnenenergie sehr kosteneffizient nutzen, um grünen Wasserstoff herzustellen. Und das ist ja künftig ein ganz entscheidender Energiespeicher für erneuerbare Energiequellen. Und ohne Kupfer und ohne Lithium ist natürlich auch die Energiewende nicht zu machen. Und mein anderes Land, Argentinien, das hat eigentlich alles, was die Welt braucht. 

Das hat eine ganz hocheffiziente Landwirtschaft. Also Argentinien produziert ein Vielfaches dessen, was es selbst braucht für die Ernährung und kann deshalb auch für die Welternährung eine ganz entscheidende Rolle spielen. Argentinien hat auch Energie, Öl, Gas, Wind, Solar. Und der Wind bläst in Argentinien genauso gut wie in Patagonien wie in Chile. Dann hat Argentinien auch ganz erhebliche Rohstoffvorkommen. Lithium. 

Es treibt die Projekte sogar mit mehr Stringenz voran als Chile. Und es ist touristisch wie Chile auch ein ganz wunderbares Land, dass man sich wundert, dass da nicht mehr Leute hinkommen. Das Problem in Argentinien ist allerdings, dass es über Jahrzehnte hinweg wirklich ganz grauenvoll regiert worden ist. Und eigentlich müssten die Menschen dort leben wie im Paradies.

Aktuell sind in den meisten Regionen Südamerikas noch vergleichsweise wenig deutsche Unternehmen vertreten. Sollte sich das Ihrer Meinung nach ändern? 

Stefanie Schmitt Also ich finde auf jeden Fall, dass sich die deutsche Wirtschaft zumindest insgesamt mehr in Südamerika engagieren sollte. Und zwar aus zwei Gründen: Einmal in Sachen Risikostreuung und zum anderen: Die Konkurrenz schläft nicht. Natürlich ist das von Branche zu Branche unterschiedlich. Und es ist natürlich auch eine Frage, ob sich das Unternehmen das leisten kann. Also ich kann jetzt nicht jedem Mittelständler empfehlen, sich in jedem Land Lateinamerikas zu engagieren.

Aber es gibt natürlich andererseits sehr, sehr große Abhängigkeiten, eben speziell von China, zum Teil auch gefährliche Abhängigkeiten. Also wir wissen, dass 86 % aller Laptops aus China kommen und 84 % des Vitamin C auch. Und gerade im Arzneimittelbereich ist Deutschland extrem von Wirkstoffzulieferungen aus China abhängig. Oder Seltene Erden. Laut Bundesbank flossen 2023 6,5 Milliarden € an Investitionen von Deutschland nach China. Derisking sieht anders aus. 

Ich finde es eben sehr wichtig, dass man sich zusätzliche Standbeine aufbaut in Sachen Absatz und in Sachen Beschaffung. Und da käme Chile und Argentinien natürlich wirklich eine wichtige Rolle zu in Sachen Rohstoffen. Ich sage noch mal Kupfer, Lithium in Sachen Energiewende und unter Umständen eben auch als Absatzmarkt, auch wenn es kleine Märkte sind. Aber Chile ist zum Beispiel ein sehr rechtssicheres Land. Von hier aus kann man auch andere Märkte bearbeiten in Lateinamerika. Also insofern ist es wirklich schade, dass hier deutsche Firmen sich so wenig sehen lassen. 

Das Ankommen in einer neuen Kultur dauert ja immer. Haben Sie vielleicht Tipps, wie das schneller geht?

Stefanie Schmitt Es hilft bestimmt, wenn man viel rausgeht, versucht sich viel zu unterhalten, also nicht nur hinter seinem Bildschirm klemmt. Und ich versuche, mit jedem zu reden, Mit jedem Taxifahrer, mit der Marktfrau, mit dem Friseur. Dass ist einmal für meine Sprache gut und zum anderen erfährt man dann doch das ein oder andere nebenbei, was für die Menschen hier wichtig ist. Und was für die Menschen hier wichtig ist, ist letztlich dann auch für meine Arbeit wichtig. 

Sie haben ja sehr viele Jahre im Ausland verbracht. Können Sie uns zum Abschluss vielleicht eines der schönsten Erlebnisse erzählen, an das Sie sich gern zurückerinnern?

Stefanie Schmitt Ja, klar. Und zwar saß ich mal, das war Ostern. Und die Laeticia, also meine Tochter, war damals noch kein Jahr alt, auf einem Bahnhof in Zentral-Vietnam und habe stundenlang auf den Zug gewartet. Es gibt in Vietnam nur eine Bahnlinie, die fährt von Ho Chi Minh City nach Hanoi, und die ist oft stundenlang zu spät. Und ich saß da also. Und irgendwann sprach mich dann ein Mann an, in gebrochenem Deutsch, ob er mir helfen könnte. 

Und ich habe gesagt: Nee, alles gut. Und dann haben wir uns ein bisschen unterhalten. Und dann stellte sich heraus, dass der auf dem Weg war zur deutschen Botschaft, um sich ein Visum für Deutschland ausstellen zu lassen, weil er einen Fortbildungskurs machte für Minensuchgeräte. In Vietnam liegen noch sehr viele Bomben, die noch nicht entschärft sind, und Minen, die noch nicht entschärft sind. Und die sind eine große Gefahr für die Bevölkerung. Und dann habe ich gedacht: Oh, super Thema, den Mann schreibst du dir auf. Thema Netzwerken. Ich habe ihm auch meine Kontaktdaten gegeben und am nächsten Tag stand der Mann dann vor meiner Haustür. Mit einem Blumenstrauß in der Hand, gab mir den Blumenstrauß, hat dann gesagt: Es war supernett, Sie kennenzulernen und. Und ist wieder gegangen. Und ich habe mich gewundert. 

Okay, ich habe den Blumenstrauß in die Vase gestellt. Ich habe versucht, dieses Thema unterzubringen. Hat ungefähr ein halbes Jahr gedauert, ein gutes halbes Jahr und dann hieß es: Ich kann das Thema bearbeiten. Dann habe ich ihn wieder angerufen und er war ganz erfreut und hat dann gesagt, ich hätte sie sowieso jetzt bald kontaktiert. Ich bin nämlich gerade Vater geworden, dank Ihnen. Dann habe ich gedacht: Oh Gott, was habe ich mit dem Kind zu tun? Ja, und dann habe ich ihn gefragt: Wieso? Dank mir? Ja. Ich habe Sie doch damals getroffen mit dem Baby. 

Und der Mann war mein Alter. Also, ich war damals 42, der war vielleicht Mitte 40. Und meine Frau, die hatte mir gerade gesagt, dass sie schwanger ist und wir hatten doch schon zwei große Kinder. Und dann habe ich, als ich Sie gesehen habe, gesehen, wie einfach das ist und dass selbst so eine alte Frau wie Sie mit dem Kind gut klarkommt. Und dann haben wir das Kind behalten und jetzt ist das da. Und jetzt wollen wir Sie gerne einladen. Diese Geschichte über die Minensuchgeräte habe ich dann auch gemacht, aber die war dann doch eher zweitrangig.

Was für eine schöne Story! Es sind doch immer wieder die menschlichen Begegnungen, die das Leben so lebenswert machen … Vielen Dank für die spannenden und auch zum Teil sehr berührenden Einblicke in Job und Leben an Stefanie Schmitt, aktuell in Chile.

Unser dritter Gesprächspartner lebt und arbeitet seit 20 Jahren in Afrika, zunächst in Südafrika, danach viele Jahre in West-Afrika. Nun sprechen wir mit ihm an seinem dritten Standort auf dem Kontinent, nämlich in Ostafrika, genauer in Nairobi. 

Hallo Herr Ehlers. Könnten Sie sich vielleicht kurz vorstellen?
 

Carsten Ehlers Habari yako. Jina langu ni Carsten Ehlers. Nafanya kazi GTAI Nairobi. Natarajia mazungumzo yetu.

Das hört sich gut an. Was ist das für eine Sprache?

Carsten Ehlers Also das ist Suaheli. Das ist die Sprache, die hier in der Region Ostafrika tatsächlich in vielen Ländern gesprochen wird. Und das heißt so viel wie. Hallo, wie geht's? Mein Name ist Carsten Ehlers. Ich arbeite für die GTAI in Nairobi und ich freue mich auf unser Gespräch. 

Sie sind von Nairobi, Kenia aus für ganz Ostafrika zuständig. Ist Suaheli dort überall Verkehrssprache? 

Carsten Ehlers Suaheli beschränkt sich auf die auf die Kernländer Ostafrikas. Also das wird nicht in allen 15 Ländern gesprochen, für die ich zuständig bin. In erster Linie wird Suaheli in Tansania, aber auch in Kenia, Uganda und zum Teil auch in Ruanda gesprochen. Aber wenn sie dann mehr in die Peripherie der Region gehen, also die die Inseln im Indischen Ozean zum Beispiel, oder am Horn von Afrika, da werden andere Sprachen gesprochen. 

Und in Ihrem beruflichen Alltag. Welche ist da die verbreitetste?

Carsten Ehlers Englisch. Eigentlich ausschließlich. Ich bin in der Lage, mich so ein bisschen, ja so ein bisschen auf Suaheli zu verständigen. Aber ich könnte jetzt kein Wirtschaftsgespräch in Suaheli führen. Die Geschäftssprache ist in den meisten Ländern Englisch. Und in einigen Ländern wie Burundi, Dschibuti wird auch Französisch gesprochen. 

Sie erwähnten eben, Sie sind für 15 Länder zuständig, die sich vermutlich enorm voneinander unterscheiden.

Carsten Ehlers Ostafrika ist in der Tat sehr divers, weil zu meinem Berichtsraum ja eben auch das Horn von Afrika und die Inseln im Indischen Ozean wie Mauritius, die Seychellen etc. gehören. Sie haben einmal große Unterschiede zwischen den, ja, frankophon geprägten Ländern und den anglophonen Ländern hier in der Region. 

Sie haben natürlich ein riesiges Wohlstandsgefälle. Kenia ist in der Region so was wie der Hub, das wirtschaftlich wichtigste Land neben Äthiopien. Und dann gibt es Länder wie Somalia und den Südsudan, die sehr, sehr arm sind, die auch von hoher politischer Instabilität geprägt sind, dorthin zu reisen ist sehr, sehr aufwendig. Und dann haben sie am anderen Ende der der Wohlstandsskala ein kleines Land wie Mauritius. Wenn Sie dorthin reisen, werden Sie sich fast wie in Europa fühlen mit modernen Autobahnen und Verkehrsleitsystemen. Also das ist so die die Bandbreite, die man hier in der Region abdeckt.

Was würden Sie sagen, sind aktuell die wichtigsten Themen und Trends in Ihrer Region? 

Carsten Ehlers Dazu gehört das Bevölkerungswachstum, das hier massiv ist in allen Ländern. Kenia hat jedes Jahr über 1 Million Menschen mehr. Aktuell liegt die Bevölkerungszahl bei etwa 55 Millionen Menschen. Und das hat natürlich sehr, sehr große Auswirkungen. Die Urbanisierung geht hier sehr schnell vonstatten. Nairobi: Wenn man mit Leuten spricht, die hier vor 20 Jahren schon waren, die erkennen diese Stadt gar nicht wieder, weil sich, weil sich die Stadt eben so schnell ausbreitet. Es gibt Umweltprobleme, es gibt auf der anderen Seite einen immer höheren Nahrungsmittelbedarf. 

Das sind so die die Themen, die, die mit der Bevölkerungsexplosion zusammenhängen. Dann, ja, darüber wird sehr viel gesprochen, die Staatsverschuldung in vielen Ländern hier in Ostafrika hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Aktuell ist die die hiesige Regierung sehr stark damit beschäftigt, diese Schulden abzubauen. Sie muss die Steuern erhöhen, die Staatsausgaben, die Subventionen werden gekürzt und das merkt natürlich die die breite Bevölkerung. Das merken auch die die Unternehmen. Das sind Dinge, die sind im Prinzip in ganz Afrika zu erkennen, die die steigende Staatsverschuldung oder die hohe Staatsverschuldung. 

Und als dritten Aspekt würde ich noch die die neue Partner-Landschaft nennen. So als Trend, der auch aus deutscher Sicht zu beachten ist, die, das gilt jetzt nicht nur für Ostafrika. In ganz Afrika haben sich in den letzten 10, 15 Jahren immer stärker neue Partner etabliert. Dazu gehört vor allem China, aber auch Indien, die Türkei, Marokko, Südafrika. Das sind alles Länder, aus denen Unternehmen in verschiedene afrikanische Länder gekommen sind und versuchen hier Fuß zu fassen. Und das hat für deutsche Unternehmen natürlich auch Auswirkungen. Die Konkurrenz ist definitiv gestiegen.

Die Konkurrenz ist gestiegen, sagen Sie...  Woran machen Sie das fest? Und gibt es Unterstützung für deutsche Unternehmen?

Carsten Ehlers Ein Aspekt, der sich aus meiner Sicht verändert hat, ist, dass Afrika in den letzten zehn Jahren aus deutscher Sicht massiv an Bedeutung gewonnen hat. Man hat von Regierungsseite vielleicht gesehen, die Chinesen kommen immer stärker in diesen Markt. Die deutschen Firmen verlieren ein stückweit ihre Marktanteile. Was können wir tun, um aktiver in den afrikanischen Ländern zu werden? Und die GTAI zum Beispiel hat neue Büros eröffnet. Zuvor gab es nur das Büro in Johannesburg und in Nairobi - wenn ich mich jetzt auf Sub-Sahara-Afrika beschränke. 

Auch die AHKn haben ihr ihren Service also deutlich ausgeweitet. Es gibt viel mehr AHKn als noch vor 10, 15 Jahren in der Region. Das heißt die, dass sich die Bedeutung des Kontinents für die deutsche Regierung ist sehr stark gestiegen. Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass es hier massive Risiken gibt, die man bei einer Investition, wenn man als Unternehmen hierherkommen möchte, die man im Hinterkopf haben muss. Und man muss hier auch Geld an die Hand nehmen und Geduld mitbringen, um hier erfolgreich zu sein. Aber von staatlicher Seite gibt es also inzwischen ein sehr gutes Angebot für die Unternehmen, also sie bei ihrem Geschäft in der Region zu unterstützen.

Sie sagten es gerade: Germany Trade and Invest hat in den vergangenen zehn Jahren mehrere neue Büros in Afrika eröffnet: in Westafrika in Côte Ivoire, Ghana und Nigeria und in Nordafrika in Marokko und Algerien. Wo sehen Sie denn zum Beispiel Chancen für deutsche Unternehmen?

Carsten Ehlers Die Palette an Bereichen oder Branchen, in denen deutsche Unternehmen sich potenziell engagieren könnten, ist sehr breit in vielen afrikanischen Ländern. Man muss dann gucken, wie kann man mit seinem Produkt oder mit seiner Leistung hier tatsächlich seinen Markt findet. Das wäre zum Beispiel der Bereich Energieerzeugung. Erneuerbare Energien ist ein Thema, das hier in vielen Ländern im Moment sehr aktuell ist. Die Solarpanels, die werden sicherlich aufgrund der der Kostenvorteile aus Fernost oder aus China kommen. Aber das heißt nicht, dass deutsche Firmen sich aus dem Bereich herausziehen müssen. 

Deutsche Firmen werden immer den Nachteil haben, dass der Preis hoch ist. Und in Afrika spielt der Preis eben beim Einkauf die entscheidende Rolle. Aber wenn deutsche Firmen in der Lage sind, ein Gesamtpaket zu schnüren und vielleicht nicht nur das reine Liefergeschäft betreiben, sondern über das Liefergeschäft hinaus sich Gedanken machen: Wie kann ich meinen potenziellen Kunden Gesamtlösungen anbieten? Dann kommen deutsche Firmen in der Regel sehr gut ins Geschäft. 

Und das wäre zum Beispiel im Bereich von Solar-Stromversorgung, das wäre die Möglichkeit, dem Kunden ein Gesamtkonzept anzubieten, also von der Installation der Panels bis hin zum Betrieb. Und man kann sich auch darüber Gedanken machen, wie man bei der Finanzierung dem Kunden flexible Bedingungen einräumt. Aber wenn man sich, wenn man sich diese Länder etwas genauer anguckt, wenn man sich bei der Identifizierung der Kunden und auch beim Kundenkontakt etwas mehr Zeit nimmt, dann kann am Ende hier ein sehr, sehr attraktives Ergebnis stehen.

Ihre Kollegen haben schon erwähnt, Netzwerken hat eine ganz große Bedeutung bei ihrer Arbeit. Wie ist das bei Ihnen in Afrika?

Carsten Ehlers Konkret läuft es so ab, dass der Kontakt zu allen möglichen Partnern, zu Unternehmen, zu Regierungsstellen, egal, ob das deutsche Stellen sind oder kenianische Ministerien, der muss sehr eng sein. Netzwerken spielt hier eine sehr große Rolle. Das liegt auch daran, dass die Märkte tendenziell intransparent sind. Das heißt, die Informationsverfügbarkeit zum Beispiel im Internet ist relativ gering, wenn man das mit anderen Weltregionen vergleicht. 

Wenn ich jetzt über den Bausektor zum Beispiel in Kenia Informationen sammle, dann gibt es hier auch Branchenverbände, aber die sind, bei weitem nicht so aufgestellt, wie man das aus Deutschland kennt. Das heißt, der Kontakt zu Gesprächspartnern ist sehr, sehr wichtig. In Kenia insbesondere bedeutet das: Sehr viel Netzwerken. Und was die anderen Länder anbelangt, trifft das auch zu. Das kann man auch nicht von Nairobi aus machen, sondern man muss tatsächlich in diese Länder reisen. 

Es ist auch nicht so, wenn Sie dann vor Ort, ich nehme mal Tansania als Beispiel, wenn Sie, wenn Sie in Tansania einmal jemanden treffen, dass man dann sofort ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat und dass man dann sozusagen offen spricht, sondern das entwickelt sich auch über die über die Zeit. Also ein regelmäßiges Reisen in die in die wichtigsten Länder ist sehr wichtig.

Sie leben seit zwei Jahrzehnten in Afrika. Das war und ist für Sie und Ihre Familie vermutlich nicht immer ganz einfach, oder? 

Carsten Ehlers Es gab immer wieder Situationen, die ja so ein Stück weit herausfordernd waren, die die dann im Endeffekt aber auch gut ausgegangen sind. Im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass das Leben in Afrika, und zwar an allen drei Standorten, das kann ich als durchaus angenehm bezeichnen, solange alles funktioniert. 

Und es ist immer nur dann, wenn Dinge nicht so funktionieren, wenn man, wenn man krank wird, wenn politische Konflikte auftreten, dann merkt man plötzlich, dass das Eis, auf dem man hier sich befindet, dann doch recht brüchig ist. Und ich glaube, man muss dann immer wieder schnell Entscheidungen treffen, von denen man nicht so genau weiß, ist es jetzt die richtige oder die falsche Entscheidung.

Gibt es etwas, das Sie besonders für die afrikanische Kultur einnimmt?

Carsten Ehlers Was die afrikanische Kultur insgesamt anbelangt, würde ich sagen, dass man hier auf eine sehr, sehr hohe Offenheit trifft. Ich würde sagen, also, wenn wir bei diesem interkulturellen Komplex sind, würde ich sagen, dass die Afrikaner, die in allen Ländern sich durch eine hohe Neugierde auszeichnen, durch eine Offenheit, relativ wenige Befindlichkeiten auch im Vergleich zu zur chinesischen Kultur, wo sie vielleicht heute auch immer noch relativ viele Fettnäpfchen haben, wenn Sie sich treffen. Das ist in Afrika gar nicht so, also man hat hier doch einen sehr, sehr guten Zugang auch zu hochrangigen Gesprächspartnern und das fand ich immer sehr, sehr interessant.

Was würden Sie denn deutschen Unternehmen mit auf den Weg geben, die Afrika-Neulinge sind?

Carsten Ehlers Ich glaube, dass für deutsche Firmen, gerade die, die zum ersten Mal nach Afrika gehen, die noch nicht so die Erfahrung haben, denen geht es im Prinzip genauso wie auch dem GTAI-Korrespondenten. Die, die sollten sich Zeit nehmen. Denn auch für die Unternehmen gilt, dass die Märkte tendenziell intransparent sind. 

Das ganz einfache Liefergeschäft per Mausklick, womöglich noch aus Deutschland heraus, das führt in afrikanischen Ländern immer wieder auch zu ich sag mal zu, ähm, ja, sehr risikobehafteten Situationen, da Sie unter Umständen nicht wissen, mit wem sie dieses Geschäft gerade abgeschlossen haben. Das heißt intransparente Märkte, hohe Risiken, die man, die man nicht ignorieren darf. Das alles deutet darauf hin, dass Netzwerken mit Zeit hier eine wichtige Rolle spielt. 

Die Unternehmen, die sich Zeit für diese Länder nehmen, fahren in der Regel recht gut, weil sie, weil sie die richtigen Partner finden. In der Regel sucht man sich wenige Länder heraus und versucht nicht gleich das ganze, das ganze Afrika zu erschließen, sondern konzentriert sich erst mal auf ein oder zwei Märkte, sucht sich dort seine Partner, reist auch mehrmals in diese Länder. Sie können nicht bei der ersten Dienstreise bei einem Gespräch gleich ein Vertrauensverhältnis aufbauen, sondern das wächst über die Zeit und es wächst über persönliche Besuche. Das würde ich den Unternehmen empfehlen.

Aber Sie würden Unternehmen Mut machen, hinzugehen? 

Carsten Ehlers Absolut. Absolut. Es ist ein sehr spannender Kontinent. Und es gibt hier sehr, sehr viele Unternehmen, die sich diese Zeit genommen haben, Kontakte zu knüpfen, die richtigen Partner zu finden. Je häufiger man herkommt, desto besser kann man auch die die Risiken einschätzen, kann sich dagegen auch ein Stück weit absichern. Und da würde ich sagen, haben doch viele, auch deutsche Unternehmen hier sehr viel Erfolg, wenn sie, wenn sie ein wenig Geduld mitbringen.

Vielen Dank für Ihre Einschätzung Carsten Ehlers. Und dass Sie uns Afrika in diesem Gespräch präsentiert haben. Dass es dort offene Menschen und wenige Fettnäpfchen gibt, ist schon mal sehr einladend, neben den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Wir haben in dieser Folge auch viel Überraschendes und Erhellendes aus Asien und Südamerika gehört. 

Wenn Sie neugierig geworden sind - die Links zu sämtlichen Berichten unserer GTAI-Korrespondenten finden Sie in den Shownotes. Hören Sie auch gern in andere WELTMARKT-Folgen (www.gtai.de/podcast) hinein, in denen GTAI-Korrespondenten schon berichtet haben, wie etwa in der Indien-Folge oder in unserer Folge zu Mexiko. 

Nächsten Monat wird WELTMARKT dem Deutschen Handwerk ins Ausland folgen, und zwar unter anderem auf eine Baustelle nach Amsterdam, zum höchsten Holzhochhaus der Niederlande. Eine gute Zeit, und bis dahin!

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