Branchenbericht Somalia Stromübertragung, -verteilung, Netze
Weltbank finanziert Ausbau von Somalias Stromversorgung
Ein Stromnetz gibt es in Somalia eigentlich gar nicht. Nun will die Weltbank Leitungen, Solarmodule oder Batterien im Wert von 150 Millionen US-Dollar finanzieren. Zweifel bleiben aber.
23.03.2022
Von Ulrich Binkert | Bonn
Ein Schwerpunkt des am 8. Dezember 2021 verabschiedeten Vorhabens liegt auf dem Ausbau von isolierten (Offgrid-)Solaranlagen für Schulen und Krankenhäuser. Rund 75 Millionen US-Dollar (US$) sind für Netze in der Hauptstadt Mogadischu sowie in Hargeisa in Somaliland vorgesehen. In dieses de facto unabhängige Gebiet sollen insgesamt 50 Millionen US$ fließen.
Komponenten | Finanzierung (Mio. US$) |
---|---|
Generatoren-Synchronisierungen sowie Verstärkung von Verteiler- und Übertragungsnetzen in Mogadischu und Hargeisa | 75 |
Hybridisierung und Batteriespeicher für Kleinnetze (Minigrids) | 20 |
Offgrid-Solaranlagen für öffentliche Gesundheits- und Bildungseinrichtungen | 40 |
Unterstützung von Institutionen | 15 |
Summe | 150 |
Hauptempfänger der Mittel ist die Zentralregierung, heißt es bei der Weltbank auf Nachfrage. Unklar ist noch, welche Stromversorger von dem Paket profitieren. Die Weltbank sieht sich als einzigen Geber mit einer laufenden Finanzierung nennenswerter Höhe für Somalias Stromsektor. Das Projekt soll die Versorgung von fast der Hälfte der somalischen Bevölkerung verbessern. Erste Ausschreibungen sind bereits in Arbeit, mit Angebots-Öffnungen im Juni 2022.
Wie schnell und umfassend das Vorhaben tatsächlich umgesetzt wird, wagen somalische Branchenvertreter angesichts der politischen Unsicherheit im Land nicht zu sagen. Die Weltbank drückt es so aus: "Wir hoffen, dass die (Parlaments-)Wahlen erfolgreich abgeschlossen werden und eine Regierung im Amt ist, um ein günstiges Umfeld für die Projektdurchführung zu schaffen."
Stadt/Gebiet | Megawatt (MW) | Stromtarif (US$) | Versorger |
---|---|---|---|
Mogadischu 1) | 67 | 0,25-0,36 | Beco: 60 MW, davon 52 MW Diesel und 8,5 MW Solar |
Hargeisa/Somaliland 2) | 60 | 0,75 | SomPower: 57 MW |
Berbera/Somaliland | 7 | 0,5 | BEC |
Garowe/Puntland | 10 | 0,79 | Necsom |
Bosaso/Puntland | 14 | 0,8 | ENEE: 12 MW |
Summe | 158 | - | - |
Laut Weltbank haben nur 35 Prozent der 15 Millionen Somalier Zugang zu Elektrizität, auf dem Land sogar nur 15 Prozent. Die Erzeugerkapazität basiert meist auf Dieselaggregaten und erreicht nur rund 160 Megawatt (MW) in den größeren Städten; ein typisches Atomkraftwerk bringt 1.000 MW. Die Nachfrage liegt alleine in der Hauptstadtregion bei über 200 MW und dürfte außerdem kräftig steigen.
Nach den Zerstörungen im Bürgerkrieg existieren keine Übertragungsleitungen mehr zwischen den Städten und höchstens kleine Verteilnetze (Minigrids) in den Städten selbst. Die Strompreise sind teils mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Es gibt keine öffentlichen Versorger, sondern nur kleine Privaterzeuger, die sich in den letzten Jahren zu größeren Einheiten zusammengeschlossen haben.
Solarprojekte in Arbeit
Mogadischus Stromversorger Beco arbeitet nach Firmenangaben an der Installation von Solaranlagen mit 25 MW. Die Hälfte davon soll Ende März dieses Jahres in Betrieb gehen, der Rest Ende Juni. Techniklieferant soll Solon aus Indien sein. Geplant seien weitere 30 MW Solarkapazität 30 Kilometer außerhalb von Mogadischu samt einer Leitung in die Stadt. Land dafür sei in Aussicht, eine Finanzierung noch nicht.
In Bosaso im Teilstaat Puntland installiert die emiratische Firma Smart Gulf Solar gerade eine 7-MW-Solaranlage, finanziert vom Abu Dhabi Fund for Development. Die Finanzierung von weiteren 4 MW mit chinesischen Solarpaneelen sei noch unklar, sagt Abdiwali Hussein von der Firma Tasco Engineering. Daneben gebe es in Puntland Pläne für eine Stromversorgung von 37 Dörfern für 11 Millionen US$, allerdings ebenfalls keine Finanzierung.
Neue Erzeugerprojekte konzentrieren sich auf Offgrid-Solaranlagen. Nach Schätzung der Weltbank werden in Somalia jährlich über 100.000 Offgrid-Solarprodukte verkauft, mit einer Reihe von Anbietern im Markt. Windkraft spielt offenbar vorerst keine Rolle. Beco berichtet von ergebnislosen Gesprächen mit dem Turbinenhersteller Vestas, von dem man sich die Finanzierung eines Pilotprojekts über 1 MW erhofft habe. Somalias schlechte Infrastruktur erschwere den Bau großer Windkraftanlagen. In Puntlands Hauptstadt Garowe installierte die französische Firma EPS 2017 drei kleine Windräder mit insgesamt 0,75 MW für den örtlichen Versorger Necsom.
Deutscher Anbieter von Hybrid-Technik aktiv
Viel dreht sich in der Branche um Hybridlösungen: Erzeuger ergänzen - oder ersetzen - bestehende Dieselgeneratoren durch Solaranlagen oder erweitern ihre Minigrids. Ein vom britischen Außenministerium finanziertes Pilotprojekt hierzu, Esres in Somaliland, führte zu Tarifsenkungen von bis zu 40 Prozent und erhöhte zudem die Kapazität, so Projektdurchführer Mott MacDonald. Zudem bauen Beco und andere Erzeuger Batteriespeicher zu. EPS hatte bei seinem Projekt in Puntland nicht nur Wind- und (1 MW) Solarkraft installiert, sondern auch Batterien mit einer Kapazität von 1,8 Megawattstunden.
Die Firma Dhybrid aus Gauting bei München installierte 2021 in Berbera Technik, die das stadtweite Stromnetz überwacht und koordiniert. Die Berbera Electric Company kombinierte damit zwei Solaranlagen mit insgesamt 8 MW Leistung, einen Lithium-Ionen-Stromspeicher mit 2 MW Kapazität und drei Dieselgeneratoren. Auch mit Beco in Mogadischu führte Dhybrid ein Projekt durch.
Vielfach jedoch verlangt der Markt vor allem niedrigpreisige Technik. Es gibt keine kapitalkräftigen oder gar internationalen Versorger mit hohen Qualitätsstandards. Zudem fehlen weitgehend Projekte internationaler Geber mit Ausschreibungen, die auf Qualität setzen würden.
Finanzierungen kommen laut Stand Alone Solar Market Update Somalia (SAS) meist von lokalen Banken, und dies höchstens für Insellösungen und andere kleine Investitionen. Letztlich dürften viele Mittel aus Überweisungen von Auslandssomaliern stammen. Finanzierung oder Unterstützung des Sektors durch Behörden gibt es laut SAS keine. Zudem existiere de facto auch keine staatliche Regulierung, obwohl das zuständige Ministerium 2019 eine Energiepolitik definierte und 2020 ein Elektrizitätsgesetz ausarbeitete. Beide Dokumente waren im März 2021 nicht von der Regierung verabschiedet, und es findet sich auch nicht Neues hierzu.
Erneuerbare mit riesigem Potenzial
Das Potenzial an erneuerbaren Energien ist in Somalia so groß wie in keinem anderen afrikanischen Staat, zitiert die Presse eine Studie der Afrikanischen Entwicklungsbank. Das trockene Land bietet nicht nur viel Sonnenschein. Auch Wind-Karten sind besonders entlang der Küste dunkelrot eingefärbt, mit einem Potenzial alleine an Land von 45.000 MW.