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Südkorea setzt weniger auf China und stärker auf die USA
Die Phase der China-Euphorie in Südkorea ist vorbei. Derzeit stehen insbesondere die USA nicht nur politisch, sondern auch als Investitionsziel und Absatzmarkt im Fokus.
04.08.2022
Von Frank Robaschik | Seoul
Mit der seit Mai 2022 amtierenden Regierung von Präsident Yoon wendet sich Südkorea politisch noch stärker den USA zu. Wirtschaftlich gibt es diesen Fokus schon länger. Auf den Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2001 folgte eine Boomphase südkoreanischer Investitionen in der Volksrepublik. Ende 2007 entfielen knapp 32 Prozent des Bestands der südkoreanischen Direktinvestitionen im Ausland auf China und 17 Prozent auf die USA. Seitdem sinkt Chinas Anteil wieder und die Vereinigten Staaten gewinnen an Bedeutung. Ende 2021 befanden sich mehr als ein Viertel des Investitionsbestands in den USA und nur noch 18 Prozent in der Volksrepublik.
Dabei fließen weiter Investitionen in das Reich der Mitte. Auch relativ zur südkoreanischen Wirtschaftsleistung steigt die Bedeutung Chinas als Investitionsstandort, von 2 Prozent des südkoreanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2007 auf 5,7 Prozent im Jahr 2021.
Direktinvestitionen in die USA steigen massiv
Nur sind die in die Vereinigten Staaten strömenden Summen deutlich größer. Im Jahr 2021 erreichte der Bestand südkoreanischer Investitionen in den USA nach Angaben der Bank of Korea 144 Milliarden US-Dollar (US$). Dies entsprach 8 Prozent des südkoreanischen BIP. Auch die Flussgrößen zeigen die gleiche Entwicklung. Die südkoreanischen Direktinvestitionen in den Vereinigten Staaten wuchsen laut der Export-Import Bank of Korea von 11,2 Milliarden US$ 2018 auf 27,8 Milliarden US$ im Jahr 2021. Im 1. Quartal 2022 flossen weitere 8,7 Milliarden US$.
Empfängerland | 2018 | 2021 | 1. Quartal 2022 | 2018 bis 1. Quartal 2022 |
---|---|---|---|---|
USA | 11,2 | 27,8 | 8,7 | 78,1 |
EU (28) | 10,1 | 9,6 | 3,5 | 41,9 |
ASEAN, davon | 6,8 | 8,9 | 2,1 | 37,7 |
Vietnam | 3,3 | 2,5 | 0,4 | 13,6 |
Singapur | 1,7 | 2,4 | 0,8 | 12,0 |
Indonesien | 0,7 | 1,8 | 0,4 | 5,2 |
China | 4,8 | 6,7 | 4,3 | 26,1 |
Hongkong, SVR | 3,6 | 0,9 | 0,2 | 8,9 |
Kanada | 0,6 | 2,7 | 0,6 | 8,1 |
Japan | 1,3 | 1,2 | 0,2 | 5,7 |
Im verarbeitenden Gewerbe ist China weiter wichtig
In der Produktion investierten südkoreanische Firmen auch 2021 und im 1. Quartal 2022 noch mehr in China als in den USA. Das wichtigste Projekt dürfte die Übernahme des Halbleiterwerks von Intel in Dalian durch SK Hynix gewesen sein. Südkoreas Unternehmen bauen außerdem die Produktion in südostasiatischen Ländern wie Vietnam, Indonesien und Malaysia weiter aus. Innerhalb Europas präferieren sie im verarbeitenden Gewerbe oft Visegrad-Staaten wie Polen und Ungarn.
Empfängerland | 2018 | 2021 | 1. Quartal 2022 | 2018 bis 1. Quartal 2022 |
---|---|---|---|---|
China | 4,4 | 5,9 | 4,2 | 24,0 |
USA | 1,5 | 5,1 | 2,5 | 15,3 |
ASEAN, davon | 2,7 | 3,3 | 0,8 | 13,9 |
Vietnam | 2,1 | 1,3 | 0,2 | 8,0 |
Indonesien | 0,2 | 0,8 | 0,3 | 2,3 |
Malaysia | 0,1 | 0,8 | 0,3 | 1,3 |
EU (28), davon | 2,6 | 1,8 | 1,4 | 10,2 |
Polen | 0,5 | 0,5 | 0,4 | 3,0 |
Ungarn | 0,4 | 0,8 | 0,2 | 2,4 |
Indien | 0,9 | 0,2 | 0,0 | 1,9 |
Viele weitere Vorhaben in den USA
Die Investitionen in den Vereinigten Staaten dürften in den kommenden Jahren hoch bleiben. Allein in den Bau neuer Batteriewerke fließen einige Milliarden US-Dollar. Viele Projekte führen LG Energy Solution, SK On und Samsung SDI im Joint Venture mit Ford, General Motors und Stellantis durch. Einzelne Vorhaben setzen die Unternehmen auch allein um. Lotte Chemical kündigte im Mai 2022 Investitionen bei Batterievorprodukten in den USA an.
Akteur/Projekt | Summe | Projektstand | Anmerkungen (Kapazität in GWh) |
---|---|---|---|
BlueOvalSK1 | 11,4 | Plan vom September 2021; Bau bis circa 2027 | Werk für Batteriezellen in den USA, Werke in Blue Oval City in Tennessee (43 GWh) und in Kentucky (89 GWh) |
Ultium Cells2 | 7,2 | 2020 bis 2023; 2021 bis 2023 und 2022 bis 2024 | Werke für Batteriezellen in den USA in Lordstown, Ohio (35 GWh), in Spring Hill, Tennessee (35 GWh) und Lansing, Michigan (50 GWh) |
NextStar Energy3 | 4,1 | 2022 bis 2024 | Werk für Batteriezellen und -module in Windsor in Ontario in Kanada (45 GWh) |
Samsung SDI / Stellantis | 2,5 und später bis 3,1 | 2022 bis 2025 | Werk für Batteriezellen und -module in Kokomo in Indiana in den USA; 2025 Start mit 23 GWh; später bis zu 33 GWh |
SK On | 1,69 und 0,94 | 2019 bis 2022 und 2020 bis 2023 | Zwei Werke in Georgia (USA); zusammen 21,5 GWh |
LG Energy Solution | 1,3 | 2022 bis 2024; laut Pressemeldungen zurzeit unsicher | Werk für zylindrische Batterien in Queen Creek in Arizona in den USA (11 GWh) |
Die größte Einzelinvestition in den USA ist das geplante Werk für die Auftragsfertigung von Halbleitern von Samsung Electronics in Texas. SK Hynix übernimmt bis 2025 das NAND-Speicher- und Festplattengeschäft von Intel. Der größere Teil der Übernahme ist bereits abgeschlossen. Darüber hinaus will SK Hynix ein Forschungs- und Entwicklungszentrum im Silicon Valley aufbauen.
Die Hyundai Motor Group kündigte im Mai 2022 Investitionen in den USA in Höhe von mehr als 10 Milliarden US$ bis 2025 an. DL Chemical übernahm im März 2022 für 2,5 Milliarden US$ die auf umweltfreundliche Spezialpolymere und biobasierte Produkte spezialisierte Firma Kraton. Die Hanwha-Gruppe erweitert die Kapazitäten bei Solarmodulen und hat ihre Anteile an der in den USA Polysilizium produzierenden Firma REC Silicon erhöht. Im Juni 2022 investierte die Gruppe weitere 145 Millionen US$ in den Flugtaxientwickler Overair.
Anfang 2022 gab die amerikanische Film- und Fernsehproduktionsfirma AGBO bekannt, dass der Online-Spiele-Produzent Nexon mit 400 Millionen US$ bei AGBO eingestiegen ist. Nexon besitzt damit einen Anteil von 38 Prozent an AGBO. Daneben investieren südkoreanische Firmen in den USA unter anderem in Biotechnologie, Pharmazeutika und kleine modulare Kernreaktoren.
Akteur/Projekt | Summe | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Samsung Electronics | 17,0 | Ankündigung von 2021 | Halbleiterwerk in Taylor City in Texas; ursprünglich Baubeginn 2022 und Fertigstellung 2024; Subventionen aber noch nicht genehmigt |
Hyundai Motor Group | 5,5 | 2023 bis 2025 (Werk für Elektroautos) | Bau eines Werks für Elektroautos und Anlagen zur Herstellung von Batterien in Brian County in Georgia; Kapazität von 300.000 Elektroautos pro Jahr; noch keine Details zum Batteriewerk |
Hyundai Motor Group | 4,5 | 2022 bis 2025 | Zukunftsträchtige Geschäftsbereiche wie Robotik, künstliche Intelligenz, Flugtaxis und autonomes Fahren |
SD Biosensor / SJL Partners | 1,5 | Bis Ende 2022 | Übernahme des Diagnostik- und Arzneistoffherstellers Meridian Bioscience |
SK Hynix | k.A. | k.A. | Zentrum für Forschung und Entwicklung im Silicon Valley |
Hanwha Q Cells | 0,17 | 2022 bis 2023 | Erweiterung der Kapazitäten zur Produktion von Solarmodulen um 1,4 GW auf 3,1 GW pro Jahr |
Lotte Corporation | 0,16 | Bis Ende 2022 | Kauf eines Werks von Bristol Myers Squibb (BMS) in Syracuse im Bundesstaat New York und Aufbau einer Auftragsfertigung für Pharmazeutika (CDMO) für BMS und später auch andere Kunden |
Batterieprojekte auch in Europa und in Südostasien
Darüber hinaus bauen die Batteriehersteller Werke in Europa, Südostasien, China und in der Türkei. Angesichts des zu erwartenden schnellen Wachstums der Produktion von Elektroautos dürften weitere Vorhaben folgen. Daneben gibt es zahlreiche Projekte bei Vorprodukten wie etwa Batteriechemikalien oder Rohstoffen.
Akteur/Projekt | Summe | Projektstand | Anmerkungen (Kapazität in GWh) |
---|---|---|---|
SK On | 0,81 und 2,29 | 2019 bis 2022; 2021 bis 2028 | Zweites Werk in Komarom (9,8 GWh) und drittes Werk in Ivancsa (30 GWh) in Ungarn |
SK On / Ford / Koc | k.A. | Absichtserklärung | Produktion ab 2025 (30 bis 45 GWh) nahe Ankara in der Türkei |
Samsung SDI | 1,3 | 2022 bis 2025 | Werk für zylindrische Batterien in Seremban in Malaysia; Grundsteinlegung im Juli 2022, Produktion ab 2024 |
SK On | mind. 1,1 | 2022 bis 2024 | Zweites Werk in Yancheng, insgesamt viertes Werk in China (33 GWh) |
LG Energy Solution / Hyundai Motor | 1,0 | 2021 bis 2024 | Werk für Batteriezellen für Elektroautos und für Elektroautos nahe Jakarta in Indonesien (10 GWh) |
Hohe Investitionen tätigten Südkoreas Firmen in den letzten Jahren bei Finanzdienstleistungen. Im Jahr 2021 flossen knapp 30 Milliarden US$ an Direktinvestitionen ins Ausland, darunter 11 Milliarden in die USA. Im Rohstoffsektor sanken zwar in den letzten Jahren die Investitionen, dennoch gibt es Projekte. So übernahm POSCO International im März 2022 für etwa 310 Milliarden US$ die Mehrheit am australischen Gasförderer Senex Energy. Hanwha Solutions übernahm 2021 RES Mediteranee in Frankreich für 727 Millionen Euro. RES ist ein Projektentwickler bei erneuerbaren Energien.
Akteur/Projekt | Investition | Projektstand | Anmerkungen |
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Lotte Chemical | 3,9 | 2022 bis 2025 | Petrochemiekomplex in Cilegon in Indonesien für jährlich 1 Million Tonnen Ethylen, 520.000 Tonnen Propylen und 250.000 Tonnen Polypropylen |
POSCO | 3,5* | 2022 bis 2027 | Verdopplung der Produktionskapazität des Joint Ventures Krakatau Posco bei Rohstahl auf 6 Millionen Tonnen; Bau einer Produktionsstätte für Automobilstahlbleche |
POSCO | 0,83 | 2022 bis 2024 | Werk für Lithiumhydroxid in Argentinien |
USA werden für Südkorea auch als Exportmarkt wichtiger
Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten erholen sich wieder. Noch 1990 gingen etwa 30 Prozent der südkoreanischen Warenexporte in die USA, dann sank der Anteil 2011 auf den Tiefpunkt von 10 Prozent. Im 1. Halbjahr 2022 erreichte der Anteil wieder knapp 16 Prozent. Chinas Anteil sank von einem Höhepunkt im Jahr 2018 mit rund 27 Prozent auf 23 Prozent im 1. Halbjahr 2022.
Das von südkoreanischen Firmen praktizierte Modell, mit Vorprodukten aus Südkorea in China zu produzieren und die Erzeugnisse in die USA zu liefern, wird aus verschiedenen Gründen immer schwieriger. Dazu zählen steigende Lohnkosten und schwerer vorhersehbare Regulierungen in der Volksrepublik, zunehmende Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Konkurrenzprodukte, Sanktionen der USA gegenüber China und höhere Ansprüche westlicher Abnehmer an Compliance in den Lieferketten. Die Erfahrungen der Firmen mit den Vergeltungsmaßnahmen Chinas nach der Stationierung eines amerikanischen Raketenabwehrsystems in Südkorea im Jahr 2017 tragen dazu bei, dass diese bei Investitionen in China vorsichtiger agieren.
Bei den Importen Südkoreas sind die Werte stabiler. Im 1. Halbjahr 2022 stammten 21 Prozent der Einfuhren aus China und 11 Prozent aus den USA.