Branchen | Tschechische Republik | Automobilsektor
Marktchancen Automobil- und Kfz-Teile-Produktion
Der Produktionswert der Branche ist wieder so hoch wie vor Corona. Doch liegt die Autofertigung noch erheblich darunter. Hohe Energiekosten dämpfen die Investitionsstimmung.
27.03.2023
Von Miriam Neubert | Prag
Über ein Zehntel Elektrofahrzeuge
Trotz des russischen Kriegs und des immer wieder aufflammenden Halbleitermangels konnte Tschechiens Automobilindustrie (NACE 29) ihre Produktion 2022 preis- und kalenderbereinigt um 11,7 Prozent steigern. Dem Statistikamt zufolge übertraf sie dadurch auch die Werte aus 2019 um 2,1 Prozent und schob die Industrie insgesamt über die Vorcorona-Schwelle. Umsätze und Aufträge legten in laufenden Preisen um je 11,8 und 8,5 Prozent zu. Treiber war jeweils die fast doppelt so hohe Dynamik im Inlandsgeschäft.
Nach dreijährigem Rückgang rollten 2022 wieder mehr Straßenfahrzeuge von den Bändern. Dem Verband der Automobilindustrie AutoSAP zufolge war es ein Plus von 9,4 Prozent auf 1,25 Millionen Einheiten. Elektrisch liefen 11 Prozent von ihnen - 135.000 Pkw und 56 Busse. Auto-SAP-Präsident Martin Jahn zeigte sich zuversichtlich, dass es trotz kurzfristiger Liefervolatilitäten und Produktionsschwankungen gelingen sollte, die Produktion 2023 weiter in Richtung der Vorkrisenwerte zu heben. Die Differenz zu 2019 beträgt rund 210.000 Pkw. Sie entfällt fast komplett auf Škoda Auto.
Widerstand gegen die geplante Abgasnorm Euro 7
Positiv stimmte die Autohersteller Anfang 2023 der Auftragsbestand, pessimistisch die durch die Europäische Kommission angestrebte Abgasnorm Euro 7. Für das Autoland, in dem die Kfz-Branche fast ein Viertel der Industrieumsätze und der Warenexporte stemmt, hängt viel von dem Übergang zur emissionsfreien Mobilität ab. Auf das Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 hat sich die Autoindustrie eingestellt. Durch den Euro-7-Entwurf aber, besonders die Kurzfristigkeit, sieht sie sich bedroht. Die Norm sei für Tschechien in der Form nicht annehmbar, sagte Verkehrsminister Martin Kupka.
Pkw-Hersteller | 2021 | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 |
---|---|---|---|---|
Škoda Auto | 680.287 | 693.032 | 864.889 | 24,8 |
Hyundai Motor Manufacturing Czech | 275.000 | 322.500 | 340.500 | 5,6 |
Toyota Motor Manufacturing Czech Republic | 149.936 | 202.255 | 192.427 | -4,9 |
Summe | 1.105.223 | 1.217.787 | 1.397.816 | 14,8 |
Škoda Auto und Hyundai steigern Batterieproduktion
Škoda Auto hat 2022 in Folge des Krieges die Produktion in Russland bis auf Weiteres eingestellt und einen Teil der Kabelbaumproduktion aus der Ukraine nach Tschechien verlagert. Ungeachtet der Lieferprobleme produzierte die Volkswagen-Tochter in Tschechien fast 13.000 Pkw mehr als 2021, musste aber auf dem Heimatmarkt Absatzrückgänge um 11 Prozent hinnehmen. Im Stammwerk Mladá Boleslav, wo die vollelektrische Enyaq-iV-Familie entsteht, nahm sie eine Fertigung von Batteriesystemen in Betrieb. Eine weitere Linie soll 2023 folgen und die Gesamtkapazität um 340 Prozent auf 1.500 Batteriesysteme pro Tag steigern. Bis 2026 will Škoda drei weitere vollelektrische Modelle vorstellen: Einen Kompakt-Stadtgeländewagen (SUV), einen Stadtwagen und einen siebensitzigen SUV. Es geht um Investitionen von 5,6 Milliarden Euro in die Elektromobilität und 700 Millionen Euro in die Digitalisierung.
Hyundai (HMMC) legte 2022 um 47.500 Pkw zu und überschritt damit die Zahlen von 2019. In Nošovice, sein einziges europäisches Werk, investierte der südkoreanische Konzern 180 Millionen Euro, um die neue Generation des Kona Electric zu starten. In Folge wird die Produktion von Batteriesystemen von 50.000 auf bis zu 200.000 Stück erhöht.
Am meisten steigerte sich Toyota (TMMCZ). In seinem Werk in Kolín liefen 52.000 Pkw mehr vom Band als 2021. Doch schmälern steigende Energiekosten und anhaltende Inflation das Investitionsbudget 2023.
Elektrifizierung auch bei Bussen, Wasserstoff im Test
Iveco Bus will 2023 eine vollelektrische Version des Stadtbusses Crossway produzieren. In Prag geht der von Škoda Group entwickelte Wasserstoffbus Škoda H’CITY in den Testbetrieb. Auf Wasserstoff setzt auch Lkw-Hersteller Tatra Truck in Kopřivnice. Mit nationalen Partnern entwickelt er H2Tatra, einen brennstoffzellenbetriebenen Lkw.
Das 2022 gegründete Batteriecluster soll die Kräfte zu dieser Technologie bündeln. Was fehlt, ist eine Großinvestition. Volkswagen hat seine Standortentscheidung für eine Batteriezellfertigung in Mitteleuropa auf 2023 verschoben. Tschechien ist mit einem Flughafengelände in Líně bei Pilsen im Rennen, auf dem die Regierung einen strategischen Unternehmenspark vorbereitet. Die Ansiedlung einer Gigafabrik wäre auch für den Zuliefersektor eine wichtige Perspektive.
Zulieferer machen die Hälfte der Branchenumsätze
Gut 95 Prozent der Umsätze der Kfz-Industrie entstehen in 246 Unternehmen unter ausländischer Kontrolle. Die exportstarken Zulieferunternehmen (NACE 29.3) erlösten 2021 dem Industrieministerium zufolge umgerechnet 23,7 Milliarden Euro. Sie machten damit die Hälfte der Branchenumsätze aus. Dutzende der weltweit wichtigsten TIER-1-Unternehmen und Hunderte von Zulieferfirmen fertigen im Land. Die umsatzstärksten sind Continental, Bosch und Kiekert.
Auch 2022 litt der Zuliefersektor unter dem erratischen Produktionsrhythmus der Endhersteller im In- und Ausland. Diese unklare Absatzperspektive steht weiter im Raum. Hohe Energiepreise und steigende Löhne erfordern Einsparungen. Größere Projektmeldungen sind rar. Doch erzwingt die Lage Investitionen in Energie- und Prozesseffizienz, weitere Automatisierung und Diversifizierung.
Vorhaben | Investitionssumme *) | Projektstand | Anmerkungen |
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Hyundai | k.A. | Umbau für 2025 geplant, Vorbereitungsphase läuft | Umstellung des Werkes Nošovice auf die Produktion von Elektroautos |
Tatra Trucks | 101 | Investitionssumme für die erste Etappe; Vorhaben über drei Jahre geplant | Erweiterung der Lkw-Produktion in Kopřivnice |
Škoda Auto, Bageterie Boulevard, Škoda CB Auto und Ionity | k.A. | Bau begonnen; Fertigstellung für Ende 2024 geplant | Lade-Hub für E-Autos und Škoda eMobility Experience Centre in Planá u Českých Budějovic zusammen mit Gastronomie |
Tesla | k.A. | Bau begonnen; Eröffnung für 2024 geplant | Vertriebs-, Service- und Auslieferungszentrum in Brno |
Flughafen Prag | k.A. | Planungsphase; Analyse wird durchgeführt | Modernisierung des Flughafens, unter anderem mit Ladestationen für Flughafentaxis und private Nutzer sowie neue Parkhäuser mit Ladepunkten |
Von Januar bis Oktober 2022 hat die Einfuhr von Kfz-Teilen laut Eurostat in den unten aufgeführten Kategorien nominal um 12 Prozent zugenommen. Deutschland ist wichtigstes Bezugsland vor Polen, der Slowakei und Südkorea.
Tschechiens Kfz-Zuliefersektor steigerte seine Ausfuhren um 8,6 Prozent auf über 14,5 Milliarden Euro. Überdurchschnittlich wuchsen die Lieferungen nach Deutschland, das 43 Prozent dieses Werts abnahm. Die bilateralen Lieferbeziehungen sind durch das Netz der Niederlassungen in Tschechien besonders eng. Im Ranking folgten die Slowakei und Frankreich. Russland als zuvor viertwichtigster Absatzmarkt verschwand auf Rang 18. An seine Stelle rückte Ungarn.
Die weiter aufwertende Krone begünstigt die Einfuhr von Neu- und Gebrauchtwagen sowie Kfz-Teilen. Sie erschwert aber Tschechiens Exporteuren den Wettbewerb im Ausland. Am 10. Februar 2022 kostete der Euro mit 23,69 Tschechischen Kronen so wenig wie zuletzt 2008.
2022 | 2023 | Veränderung 2023 / 2022 | aus Deutschland (2023) | |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 1.387 | 1.423 | 2,6 | 232 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 10.642 | 11.947 | 12,3 | 4.421 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 1.663 | 1.896 | 14,0 | 374 |
SITC 713.2 Motoren | 2.049 | 2.418 | 18,0 | 1.175 |
Summe | 15.741 | 17.684 | 12,3 | 6.202 |
(Stand Februar 2023)