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Tschechiens neue Regierung will besser haushalten
Das Programm der liberal-konservativen Koalition verspricht in einigen Punkten Bewegung, die auch den Niederlassungen deutscher Unternehmen wichtig sind.
06.12.2021
Von Miriam Neubert | Prag
In einer denkwürdigen Zeremonie ernannte Tschechiens Präsident Miloš Zeman am 28. November 2021 den konservativen Politiker Petr Fiala zum neuen Premier. Dessen Bündnis war aus den Parlamentswahlen Anfang Oktober als stärkste Kraft hervorgegangen. Um den Hygienebedingungen Folge zu leisten, wohnte das positiv auf Covid-19 getestete Staatsoberhaupt dem feierlichen Akt abgetrennt durch transparente Plastikwände bei.
Der 57-jährige Fiala, Politikwissenschaftler, Hochschulprofessor und ehemaliger Bildungsminister, machte keinen Hehl daraus, dass das Jahr 2022 schwer werden wird und auf seine Regierung viele Herausforderungen zukommen. Als Prioritäten der aktuellen Stunde nannte er die Pandemie, die Energiekrise und den Staatshaushalt. Zugleich wolle seine Regierung das Land zukunftsfähig machen über eine Rentenreform, eine Neuausrichtung der Ausbildung und die Entwicklung der digitalen Infrastruktur. Die neue Regierung verfügt über eine Mehrheit von 108 der 200 Sitze in der Abgeordnetenkammer und wird voraussichtlich Mitte Dezember das Ruder übernehmen.
Der Euro steht nicht auf der Agenda
Schon am 9. November hatten Fialas Demokratische Bürgerpartei ODS, die christdemokratische KDU-ČSL, die wirtschaftsliberale Top 09, die Partei der Piraten und die Bürgermeisterpartei STAN einen Koalitionsvertrag unterschrieben. Er enthält das gemeinsame Regierungsprogramm.
Gleich eingangs findet sich darin ein klares außenpolitisches Bekenntnis zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) und der Nato. Tschechien wird Mitte 2022 für ein halbes Jahr den EU-Ratsvorsitz übernehmen. Das Wort Euro hingegen findet sich in dem Programm nur in einem Zusammengang: Unternehmen sollen die Möglichkeit erhalten, Buchhaltung und Steuerevidenz in Euro zu führen.
Bewegung bei dualer Ausbildung
Dafür verspricht das Programm Bewegung in anderen Punkten, die deutschen Unternehmen in Tschechien wichtig sind. Die Stärkung der beruflichen Bildung und Praxisorientierung steht da an erster Stelle der Wünsche an die neue Regierung, wie eine Blitzumfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (AHK Tschechien) ergab. Die Koalition betont, dass sie die Fachausbildung an den Mittel- und Berufsschulen unterstützt. Sie will ein landesweites Modell der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen einführen und Voraussetzungen für die rechtliche Verankerung der dualen Ausbildung als weiterer Form der Berufsausbildung schaffen. Firmen, die dem dualen System beitreten wollen, sollen Unterstützung erhalten. Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, soll die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Drittländern administrativ erleichtert werden.
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, ein weiteres Anliegen der Niederlassungen deutscher Unternehmen, ist ein zentraler Punkt. Beginnend mit dem Gesetz über das Recht auf digitale Dienste sollen dem Programm zufolge bis zum 1. Februar 2025 die Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung katalogisiert und digitalisiert werden. Zwischen den Behörden sollen nur noch Daten laufen, keine Bürger.
Hochgeschwindigkeitsnetz hat Priorität
In der Verkehrsinfrastruktur erhält der Bau der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecken Regierungspriorität. Einen Schlusspunkt hingegen setzt die Koalition unter das umstrittene Infrastrukturprojekt des Donau-Oder-Elbe-Kanals. Die Arbeiten daran werden eingestellt. Bei den Autobahnbauten stehen der Prager Ring, die D35 und die Beendigung der D1 vorn. Als Bestandteil der Autobahnen sollen Parkflächen für Lkw entstehen - vorrangig unter Nutzung von Brownfield-Flächen. Die Anbindung des Prager Flughafens Václav Havel über die Schiene wird beschleunigt.
Durch die Beteiligung der Bürgermeisterpartei rücken regionale Belange stärker in den Vordergrund. So wird das frisch verabschiedete Baugesetz noch einmal überarbeitet. Statt wie darin vorgesehen, die Verfahren künftig zentral zu koordinieren, will die Koalition die Bauämter auf lokaler Ebene erhalten. Für strategische und umfangreiche Linienbauten aber ist an ein spezialisiertes Bauamt gedacht. Das eigentliche Ziel - die Beschleunigung der langen Genehmigungszeiten für strategische Bauten - soll so gewährleistet sein.
Wohnraum ist knapp und ein heißes Thema. Neue Finanzinstrumente, die Absenkung der Mehrwertsteuer sowie eine Verkürzung der Abschreibungsfrist sollen den Bau von erschwinglichen Mietwohnungen anregen. Schnellere Abschreibungen sind auch für Nichtwohnbauten bei Investitionen wie etwa Dach-Fotovoltaik, Regenwassernutzung oder Wärmepumpen für Heizzwecke vorgesehen.
Studie zu sozialwirtschaftlichen Folgen des Green Deal
Den in dem hochindustrialisierten Land kontrovers diskutierten Green Deal sieht die neue Regierung als Chance, um die Wirtschaft zu modernisieren, Umwelt und Lebensqualität zu verbessern. Zugleich will sie sich bei der Aushandlung konkreter Maßnahmen in der EU dafür einsetzen, dass die sozialen Auswirkungen und spezifischen Bedingungen in Tschechien berücksichtigt werden.
Die Zukunft der tschechischen Energetik sieht die Koalition in einer Kombination von Atomkraft, dezentralisierten erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz. Energiepolitisch will sie die Fotovoltaik rehabilitieren, aber in der Taxonomie nachhaltiger Finanzierung der EU auch die Atomkraft als emissionsfreie Quelle sowie Erdgas als Übergangsquelle durchsetzen.
Zurück auf den Konsolidierungspfad
Zentrales Anliegen bleibt die Rückkehr zur Haushaltsdisziplin. Das geplante Defizit des Staatshaushalts 2022 (umgerechnet rund 15 Milliarden Euro) wird überprüft.
Die scheidende Regierung unter Andrej Babiš betont, dass trotz massiver fiskalischer Stimuli die öffentlichen Finanzen Tschechiens zu den am wenigsten verschuldeten in der EU zählen. Im Coronajahr 2020 betrug die Staatsverschuldungsquote 37,7 Prozent des BIP. Hingegen verweist die designierte Regierung auf die hohe Dynamik. Diese wird die Verschuldungsrate 2021 auf über 40 Prozent des BIP treiben. Ohne eindämmende Maßnahmen sind 2024 über 50 Prozent prognostiziert.
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