Special Türkei
Deutsche Firmen setzen in der Türkei auf eigene Ausbildungsprogramme
Trotz der Bemühungen der Regierung, die Bedingungen für Investitionen und Geschäftsaktivitäten zu verbessern, bleibt eine Reihe von Investitionshindernissen in der Praxis bestehen. Die Bürokratie und die Korruption in der öffentlichen Verwaltung haben eine lange Tradition. Managementabteilungen von Firmen müssen schätzungsweise ein Fünftel ihrer Arbeitszeit für die Bewältigung von Problemen aufwenden, die auf die öffentliche Verwaltung zurückzuführen sind.
Der für die Gründung einer Firma notwendige Zeitaufwand konnte inzwischen nach Angaben aus der Wirtschaft bis auf einen Tag reduziert werden. Die Handelskammer Istanbul (Istanbul Ticaret Odasi) wirbt in Zeitungsanzeigen sogar mit einer Firmengründung in sechs Stunden. Für die nach der Gründung folgenden zahlreichen weiteren Schritte bleibt jedoch der zeitliche und bürokratische Aufwand weiterhin beträchtlich. Der letzte „Doing Business“-Report der Weltbank für 2017 nennt hierfür sechseinhalb Tage. Auf der Rangliste der Geschäftsbedingungen mit insgesamt 190 Ländern fiel die Türkei gegenüber 2016 von Platz 63 auf Platz 69. Besonders große Hindernisse gibt es bei Baugenehmigungen, Steuern und Insolvenzabwicklungen.
Die von der Weltbank hervorgehobenen Probleme bei der Erwirkung von Baugenehmigungen werden auch von vielen Firmenvertretern bestätigt. Die Baugenehmigung für ein Projekt muss in der Regel bei den Städten beziehungsweise örtlichen Gemeinden beantragt werden. Bekanntlich ist die Korruption auf diesen Verwaltungsebenen am meisten verbreitet. Dieser Umstand kann zu höheren Einstandskosten oder Projektverzögerungen führen. Vereinzelt berichten Unternehmensvertreter auch über unnötige Verzögerungen bei der Zollabwicklung. Dabei wird die Zollfreigabe von Einfuhren wegen angeblich notwendiger Prüfungen zurückgehalten.
Ein weiteres Investitionshindernis ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften am türkischen Arbeitsmarkt. Dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen höhere Technologien und kompliziertere Produktionsprozesse zum Einsatz kommen. Schwächen in der Berufsausbildung kompensieren Unternehmen oft mit eigenen Initiativen, wie den Ausbildungsprogrammen bei Daimler, MAN, Bosch oder Festo.
Die Schattenwirtschaft hat nach Schätzungen der türkischen Regierung einen Anteil von mehr als 30 Prozent an der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Dies führt zu etlichen Unsicherheiten bezüglich der Durchsetzbarkeit rechtlicher Ansprüche und in einigen Fällen zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen am Markt.
Der Global Competitiveness Report des World Economic Forum (WEF) weist der Türkei einen mittleren Rang zu. Schwachpunkt sind vor allem der rigide Arbeitsmarkt, die immer noch in Teilen schwerfällige Bürokratie und das Bildungssystem. Recht gut entwickelt sind dagegen die Gütermärkte. Der ständige Ausbau der Infrastruktur macht sich in der international vergleichenden Bewertung bemerkbar.
WEF-Länderrating 2017 bis 18, Türkei (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 137 Ländern)
Kriterien 1) | Türkei | Deutschland |
Gesamtrang | 53 | 5 |
1 Institutionen 2) | 71 | 21 |
2 Infrastruktur | 53 | 10 |
3 Gesundheit und Grundbildung | 84 | 13 |
4 Höhere Bildung und Ausbildung | 48 | 15 |
5 Effizienz der Gütermärkte 3) | 53 | 11 |
6 Effizienz des Arbeitsmarkts | 127 | 14 |
7 Entwicklung des Finanzmarkts 4) | 80 | 12 |
8 Qualität des Geschäftsumfeldes | 67 | 5 |
9 Korruption 5) | 75 | 10 |
1) bewerten unter anderem: 2) Eigentumsrechte, Unabhängigkeit der Justiz, Auditierung, 3) benötigte Zeit für die Unternehmensgründung, Wettbewerbsintensität, Besteuerung, Zollvorschriften, 4) Beschränkungen der Kapitalströme, 5) Rang (von 176 Ländern) bei Transparency International (TI)
Quellen: World Economic Forum; Global Competitiveness Report; Transparency International
Text: Necip C. Bagoglu