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Wirtschaftsumfeld | Türkei | Geldpolitik

Erdoğan erklärt Abkehr von niedrigen Zinsen

Anfang September stellte der türkische Staatspräsident das neue mittelfristige Programm für die Wirtschaft vor. Dabei kündigte er eine straffe Geldpolitik an.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan stellte am 6. September 2023 das neue mittelfristige Programm (MTP) für die Jahre 2024 bis 2026 vor. Dieser im Dreijahresturnus veröffentlichte Wirtschaftsplan fokussiert diesmal auf Strategien, um die Inflation zu reduzieren und das Wachstums zu fördern. Erdoğan erklärte, dass mit Hilfe einer restriktiven Geldpolitik die Inflation bis 2026 auf einstellige Werte gesenkt werden soll. Das Inflationsziel des MTP zum Jahresende 2023 liegt bei 65 Prozent. Im August betrug die Preissteigerung 59 Prozent. Energiekosten werden die Inflation in den kalten Wintermonaten wieder antreiben. Die hohe Inflation ist das derzeit schwerwiegendste Problem der türkischen Wirtschaft.

Erdoğan versprach bei der MTP-Präsentation fiskalische Disziplin und bewertete diese als Grundstein für Vertrauen und Stabilität in die türkische Wirtschaft. Dies markiert eine Abkehr von Erdoğans Niedrigzinspolitik, um kurzfristiges Wachstum über Exporte und Konsum zu erzielen.

Zielwerte des mittelfristigen Programms 2024 bis 2026

2022 *)

2023

2024

2025 

2026

BIP (in Mrd. US$)

906

1.067

1.119

1.205

1.318

BIP pro Kopf (in US$)

10.659

12.415

12.875

13.717

14.855

Reales BIP-Wachstum (Veränderung in %)

5,5

4,4

4,0

4,5

5,0

Privater Konsum (Veränd. in %)

17,8

10,9

3,5

4,3

4,4

Private Bruttoanlageinvestitionen (Verändung in %)

-0,6

5,1

4,0

4,3

5,0

Inflation zum Jahresende (in %)

64,3

65,0

33,0

15,2

8,5

* Ist-Wert.Quelle: Amtsblatt Resmi Gazete 2023

 Inflationsbekämpfung hat Priorität

Der neue Finanzminister Mehmet Şimşek und die Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan verfolgen seit Erdoğans Wiederwahl eine strenge Finanz- und Wirtschaftspolitik, die darauf abzielt, die Inflation durch niedrige Zinsen und einen schwächeren Konsum zu senken. Erkan hat den Leitzins schrittweise von 8,5 auf 25 Prozent angehoben. Das mittelfristige Programm scheint den Willen Erdoğans zu zeigen, diese Neuausrichtung zu unterstützen. Şimşek betonte diese Entschlossenheit Erdoğans auf einer Pressekonferenz nach Bekanntgabe des MTP. Allerdings stehen Ende März 2024 Kommunalwahlen an, und das Zeitfenster für bei der Bevölkerung unpopuläre, restriktive Maßnahmen wie weitere Zins- oder Steuererhöhungen ist begrenzt. Denn Erdoğan möchte Istanbul und Ankara von der Opposition zurückgewinnen.

Vor der Wahl im Mai 2023 hatte Erdoğan zudem Wahlgeschenke verteilt, wie Rentenerhöhungen, Erleichterungen der Renteneintrittsvoraussetzungen oder einen Monat kostenloses Gas für die Bevölkerung. Maßnahmen wie diese stünden im Widerspruch zu einer straffen Geldpolitik. Außerdem hatte die türkische Zentralbank auf Druck der Politik den Wechselkurs der Türkischen Lira durch Devisenverkäufe und andere Maßnahmen gestützt. Şimşek und Erkan wollen den Lirakurs wieder stärker dem Markt überlassen. Sie fahren die Stützungskäufe und andere Maßnahmen wie gegen Währungsverluste gesicherte Lira-Einlagenkonten (KKM) zurück, die zwar maßgeblich dazu beigetragen haben, den Lirakurs zu sichern, aber für den Staat auch sehr teuer waren.

Weltbank erhöht Kreditpaket

Die Weltbank gab nach Veröffentlichung des MTP bekannt, dass sie ihre Mittel für die Türkei in den nächsten drei Jahren von 17 Milliarden auf 35 Milliarden US-Dollar aufstocken wird. Dies umfasst auch direkte Kredite für die Regierung, um die Privatwirtschaft zu stützen. Ein Sprecher der Weltbank erklärte, diese Entscheidung sei eine Reaktion auf Ankaras Entschlossenheit, die makroökonomische Stabilität wiederherzustellen. Die Weltbank will damit die Türkei bei diesen Schritten unterstützen.

Diese Strukturreformen plant die Regierung 

Das mittelfristige Programm nennt sieben Schlüsselbereiche für Strukturreformen:

- Wachstum und Handel

- Preisstabilität und Finanzstabilität

- Grüne und digitale Transformation

- Geschäfts- und Investitionsumfeld

- Öffentliche Finanzen

- Humankapital und Beschäftigung

- Katastrophenmanagement

Vizepräsident Cevdet Yılmaz erklärte, dass das Wachstum und der Handel durch die Unterstützung des industriellen Wandels gefördert werden sollen. Außerdem würden Maßnahmen ergriffen werden, um die Logistik auf der Schiene zu verbessern. Reformen auf den Finanzmärkten sollen zur Preis- und Finanzstabilität beitragen. Im Bereich des Geschäfts- und Investitionsumfelds stehen Themen wie transparente und berechenbare Vorschriften in Übereinstimmung mit internationalen Normen sowie die Vereinfachung bürokratischer Verfahren auf der Agenda.

Wirtschaft begrüßt das Programm

Führende Wirtschaftsverbände haben das mittelfristige Programm positiv aufgenommen. Rifat Hisarcıklıoğlu, Präsident der Türkischen Union der Kammern und Warenbörsen (TOBB), betonte die Bedeutung des MTP für eine erhöhte Planbarkeit. Er begrüßte auch die neuen Bemühungen zur Verbesserung des Geschäfts- und Investitionsumfelds, darunter die Förderung von öffentlich-privaten Partnerschaften, und die Betonung der grünen und digitalen Transformation.

Mustafa Gültepe, Präsident der Versammlung der türkischen Exporteure (TİM), betonte gegenüber der Tageszeitung Hüriyyet Daily News, wie wichtig es für Exporteure sei, sich auf Preisstabilität zu konzentrieren. Denn in der Vergangenheit habe eine hohe Inflation zu Produktions- und Absatzproblemen geführt. Gürsel Baran, der Vorsitzende der Handelskammer Ankara (ATO), hob die Notwendigkeit hervor, die Inflation zu bekämpfen, und beschrieb sie als das drängendste Problem in der Türkei.

In der Vergangenheit wurden die Ziele des MTP in der Regel nicht erreicht. Dennoch zeigt das Programm den geplanten Kurs der Regierung.

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