Rechtsbericht | Tunesien | Vertriebsrecht
Vertriebsrecht in Tunesien
Nach tunesischem Recht können sich Ausländer grundsätzlich nicht als Absatzmittler betätigen.
08.07.2022
Von Jakob Kemmer, Sherif Rohayem, Sven Klaiber, Niko Sievert
Handelsvertreter
Lediglich zwei Artikel des tunesischen Handelsgesetzbuchs (Code de Commerce; im Folgenden HGB), nämlich die Art. 625 und 626, befassen sich mit dem Handelsvertreter. Im Übrigen ist auf das allgemeine Auftrags- und Vertretungsrecht zurückzugreifen, das in den Art. 1104 ff. des Gesetzes über Schuldverhältnisse und Verträge (Dekret vom 15.12.1906, im Folgenden: SVG) geregelt ist.
Artikel 625 HGB definiert den Handelsvertreter als eine Person, die es unternimmt, den Kauf beziehungsweise Verkauf von Waren oder anderweitige Handelsgeschäfte im Namen und auf Rechnung des Prinzipals regelmäßig vorzubereiten oder abzuschließen, ohne diesem gegenüber dienstvertraglich gebunden (sprich: weisungsunterworfen) zu sein.
Direktlieferungen an tunesische Endabnehmer sind zulässig.
Der Aufbau einer Vertriebsstruktur und die damit verbundenen Aktivitäten vor Ort sind hingegen tunesischen Absatzmittlern, also tunesischen Staatsangehörigen, vorbehalten (Art. 2, 4 und 8 des Dekrets Nr. 61-14 vom 30. August 1961). Ausländer können sich demnach nicht als Absatzmittler betätigen. Dies gilt auch für juristische Personen, die nicht als „tunesisch“ anzusehen ist. Das geht soweit, dass es Ausländern versagt ist, aktive Produktvermarktung vor Ort zu betreiben (auch nicht über den "Umweg" eines Repräsentanzbüros).
Nach der Legaldefinition in Art. 3 des Dekrets Nr. 61-14 vom 30. August 1961 ist eine juristische Person "tunesisch", wenn
- sie nach den tunesischen Rechtsvorschriften gegründet wurde;
- sie ihren Sitz in Tunesien hat;
- ihr Kapital zu mindestens 50 Prozent von tunesischen Staatsangehörigen gehalten wird;
- sich die Unternehmensleitung (Verwaltungsrat, Geschäftsführung etc.) mehrheitlich aus tunesischen Staatsangehörigen zusammensetzt.
Von diesem grundsätzlichen Verbot für Ausländer, sich als Handelsvertreter zu betätigen, lässt Art. 4 des Dekrets Ausnahmen zu. Die wichtigste findet sich dort in Ziffer 10, die das Secrétariat d'Etat au Plan et aux Finances ausdrücklich ermächtigt, nach seinem Ermessen auch Ausländern eine Carte de Commerçant auszustellen. Jedoch wird von dieser Möglichkeit nur sehr selten Gebrauch gemacht.
Ein Mindestalter oder Geschäftsfähigkeit ist für den Handelsvertreter nicht vorgeschrieben (Art. 1105 Satz 2 und 3 SVG); er muss jedoch über die nötige Verstandesreife verfügen, Art und Umfang seines Handelns sachgerecht zu erfassen.
Aus Art. 626 HGB geht hervor, dass Handelsvertretervereinbarungen auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit eingegangen werden können. Wurde keine Befristung vereinbart, so kann jede der Vertragsparteien die Vereinbarung unter Einhaltung einer angemessenen Frist kündigen.
Die Länge der Frist ergibt sich aus dem Handelsüblichen, also aus dem Handelsbrauch. Nach Angaben der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer in Tunis gilt als Faustregel ein Monat Kündigungsfrist pro Jahr Vertragsdauer, höchstens jedoch sechs Monate. Keine Frist ist einzuhalten, wenn dem anderen Teil, dem gegenüber die Kündigung erklärt werden soll, eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.
Vertragshändler
Das tunesische Recht wartet nicht mit spezifischen Bestimmungen zum Recht des Vertragshändlers (Eigenhändlers) auf. Der Inhalt einer entsprechenden Vereinbarung unterliegt weitestgehend dem Willen der Vertragsschließenden. Ausländern ist eine Betätigung als Vertragshändler (Eigenhändler) nach den Art. 2, 4 und 8 Ziffer 4 des Dekrets Nr. 61-14 vom 30. August 1961 ausdrücklich verwehrt.
Carte de Commerçant
Nur wer vom Secrétariat d'Etat au Plan et aux Finances eine Carte de Commerçant bekommt und als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen ist (vergleiche Art. 8 des Gesetzes Nr. 95-44 vom 2. Mai 1995), darf sich als Absatzmittler betätigen. Ein spezielles Register für Handelsvertreter existiert jedoch nicht.