Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Transportversicherung
Neue Angebote sichern Transporte in der Ukraine ab
Ob öffentlich gefördert oder privat finanziert: Rundum-sorglos-Pakete für Transportversicherungen in die Ukraine und innerhalb des Landes bleiben eine Ausnahme.
08.04.2025
Von Martin Gaber, Michał Woźniak | Berlin
belegte die Ukraine im Ranking der deutschen Außenhandelspartner 2024
Das deutsch-ukrainische Handelsvolumen näherte sich 2024 laut Destatis der Marke von 12 Milliarden Euro. Das erreichte Jahr-zu-Jahr-Wachstum von über 18 Prozent ist nicht nur im Vergleich zur insgesamt rückläufigen Außenhandelsbilanz der Bundesrepublik im Vorjahr bemerkenswert. Es wurde zusätzlich – und wortwörtlich – unter Beschuss generiert. Ohne vollumfänglichen Versicherungsschutz.
Internationale Logistikunternehmen müssten deswegen politische Risiken bei Lieferungen in die Ukraine ausschließen, berichtete Roland Schüller, Direktor für Business Development bei Hellmann East Europe, während eines Webinars von Germany Trade & Invest im Rahmen der Plattform Wiederaufbau. Die einen Verkäufer würden deshalb ihre Lieferkonditionen anpassen und die Transporte vom ukrainischen Abnehmer auf dem Gebiet der EU abholen lassen. Auf diese Weise würden sie ihm das Risiko auf dem territorialen Gebiet der Ukraine übertragen. Andere Verkäufer würden dagegen das Risiko eines Totalverlustes im Falle eines Angriffs eingehen. Allerdings: "Wir haben einen solchen noch nicht erlebt", so Schüller.
Risikoabhilfe dank neuer EBRD-Fazilität?
Um das entsprechende Angebot auf dem Markt zu stärken, startete zum Jahreswechsel 2024/2025 die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) eine neue Fazilität. Aus Mitteln mehrerer europäischer Länder schnürte sie zusammen mit dem Versicherungsbroker AON ein Rückversicherungsangebot. Dieses soll den Policenmarkt in der Ukraine beleben.
So funktioniert die neue Fazilität
Die EBRD-Zweckgesellschaft URGF IC Limited vergibt dem Rückversicherer MS Amlin eine 100-prozentige Garantie auf Rückversicherungen. Dafür stehen 110 Millionen Euro zur Verfügung. Dieser wiederum garantiert bis zu 90 Prozent des Wertes einer Police der dem Programm beigetretenen ukrainischen Versicherer. Zurzeit sind dies Colonnade, INGO und Uniqa. Diese können Binnenfracht, Kfz-Kasko, Binnenschiffe sowie Schienenfahrzeuge versichern, und zwar bei Transporten bis zu 50 Kilometer an die Frontlinie. Die Fazilität ist für bis zu fünf Jahre ausgelegt und kann je Objekt bis zu 2 Millionen Euro, je Versicherungsnehmer bis zu 5 Millionen Euro garantieren.
Unternehmen müssen sich Angebote genau ansehen
Sie deckt nur Kriegsrisiken ab. Die teilnehmenden Versicherer können aber vollumfängliche Versicherungspakete schnüren – auf dem Territorium der Ukraine und auch darüber hinaus. Zumindest in der Theorie, wie Claudius Kirchhoff, Associate Direktor bei der EBRD, sagt: "Wenn sie [die Versicherungskunden] im Einzelfall bereit sind, das Risiko einzugehen, von einem ukrainischen Versicherungsunternehmen im Schadensfall bezahlt zu werden, dann können sie [die ukrainischen Versicherer ihre Policen] auch an internationale Kunden anbieten." Diese Pakete sollten allerdings genau studiert werden. "Man hat vielleicht einen Schutz gegen das Kriegsrisiko, aber dann ist zum Beispiel Betrug ausgeschlossen", berichtet aus der Erfahrung Hellmann-Experte Schüller.
Kriegsrisikoabdeckung: Neue Angebote auch ohne öffentliche Stütze
"95 Prozent des globalen Versicherungskapitals von etwa 10 Billionen US$ sind formal vom ukrainischen Markt ausgeschlossen", unterstreicht Crispin Ellison, Partner bei Oliver Wyman, mit Verweis auf Pauschalausschlüsse wegen der andauernden Kriegsaktivitäten. Deswegen sei auch die im Juli 2023 gestartete UNITY Facility – ein Angebot, dass sich anfänglich an die Schiffstransporteure ab Odessa über das Schwarze Meer gerichtet hat – nur möglich gewesen, weil sich die ukrainische Regierung eingebracht hat.
Seitdem wurde das Angebot für knapp 3.500 Schiffstransporte genutzt, die Versicherungsprämie von 5,0 auf derzeit etwa 0,6 Prozent gedrückt. Und nun wird es geschlossen! "Wir transferieren die öffentlichen Mittel [in Absprache mit dem ukrainischen Wirtschaftsministerium] auf andere Prioritäten: Energie und Luftfahrt", kündigt Ellison an. Das bedeute aber nicht, dass es keine Versicherung mehr für Schwarzmeertransporte gibt. Im Gegenteil, mittlerweile bestehen privatwirtschaftliche Angebote, wie die Black Sea Grain Facility von Willis Towers Watson.
Die Firma versichert mittlerweile auch Landtransporte auf dem Großteil des ukrainischen Territoriums. Die standardmäßig bis zu 5 Millionen US$ große Deckung gilt jedoch nicht für die Regionen Mykolajiw, Cherson, Saporischschja, Sumy, Donezk, Charkiw, Luhansk und Krim. "Wir freuen uns, die erste Versicherungslösung für Kriegsrisiken innerhalb der ukrainischen Grenzen anbieten zu können, die einheimischen und den internationalen Unternehmen [...] Sicherheit gewährt,“ sagt Ukraine-Chef Vyacheslav Andriyko. Die Fazilität wird von einer Londoner Rückversicherung unterstützt und in Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Versicherer VUSO angeboten.
Deutsche Unternehmen sammeln positive Erfahrungen mit VUSO
Mit VUSO sammeln auch deutsche Logistikunternehmen erste Erfahrungen. "Wir arbeiten über einen ukrainischen Partner mit VUSO zusammen und sichern so unsere Transporte in der Ukraine ab. Von unseren Kunden erhalten wir ein positives Feedback für dieses Angebot", sagt Markus Schedewig, Senior Sales Manager von der Chemnitzer Fracht FWO AG. Die Prämien werden dabei im Einzelfall berechnet – feste Tarife gibt es nicht.
Exportkreditgarantien erleichtern Geschäftsabwicklung
Nicht für Transporte, sondern für die anderen Aspekte der Geschäftsabwicklung stehen die Exportkreditgarantien zur Verfügung. Das im Namen der Bundesregierung von Euler Hermes umgesetzte Angebot deckt Exportgeschäfte entlang der gesamten Wertschöpfungskette ab. Ferner erlaubt es deutschen Exporteuren, ihren Kunden beim Zahlungsziel entgegenzukommen. Zu Konditionen gemäß des AAA-Kreditrankings der Bundesregierung. Die übliche Laufzeit von bis zu 15 Jahre kann bei langwierigen Projekten – beispielsweise erneuerbaren Energiequellen – auf sogar 22 Jahre verlängert werden. Auch das Deckungslimit von 10 Millionen Euro ist in einigen Fällen verhandelbar.
Die Kosten einer Exportkreditgarantie werden berechnet anhand Länderrisiko, Bonität des Käufers, Laufzeit, Höhe des Selbstbehalts. Bei einem bonitätsschwachen Kunden aus der Ukraine, einer Laufzeit von fünf Jahren und einer Deckungsquote in Höhe der üblichen 95 Prozent auf einen Policenwert von 10 Millionen Euro, beliefe sich das Forderungsentgeld auf einen Einmalbetrag von 848.000 Euro.