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Life-Science-Unternehmen investieren in neue Labore

Auslaufende Patente sorgen in den USA für einen hohen Innovationsdruck. Die Forschungsausgaben der Unternehmen steigen kräftig. Und Labore schießen wie Pilze aus dem Boden.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Die US-amerikanischen Biopharma-Cluster erleben einen Bauboom. In den vergangenen fünf Jahren wuchs die von Life-Science-Unternehmen genutzte Laborfläche um 47 Prozent auf 16,9 Millionen Quadratmeter an. Weitere 3,7 Millionen Quadratmeter befinden sich im Bau ein Rekordwert. Dis 2025 steigt die Gesamtfläche der Labore laut Prognosen des Immobiliendienstleisters CBRE Research um weitere 22 Prozent.

Im Mittelpunkt steht der Großraum Boston, Massachusetts. Mit mehr als 1.600 Unternehmen sowie universitären Aushängeschildern wie Cambridge, Harvard und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist die Region der größte Life-Science-Cluster in den USA. Zu der sich bereits im Bau befindlichen Fläche von rund 1,4 Millionen Quadratmetern kommen mehr als 2,4 Millionen, die in der Planungsphase sind. Auch die San Francisco Bay Area weist mit rund 900.000 Quadratmetern Fläche, die gebaut wird, einen beachtlichen Wert auf.

Nach Einschätzung von Branchenkennern dürften die neuen Flächen schnell Abnehmer finden. In Boston beträgt der Leerstand nur etwa 3 Prozent. Landesweit stellen die Biotechnologie- und Pharmaunternehmen verstärkt Personal ein. Zur Rekordzahl von rund 2,1 Millionen Beschäftigten kamen zur Jahresmitte 2023 mehr als 400.000 ausgeschriebene Stellen hinzu.

Wegfallender Patentschutz kurbelt die Forschungsausgaben an

Die Entwicklungen sind Ausdruck eines beispiellosen Zwangs zur Innovation, den die Branche verspürt. Ursache ist das viel zitierte "patent cliff", über das die Life-Science-Unternehmen zu stürzen drohen. Für rund 200 Medikamente läuft bis 2030 in den USA der Patentschutz aus, darunter viele umsatzstarke Blockbuster. Betroffen sind nicht nur klassische Arzneimittel, sondern auch viele biologische Präparate; darunter mit Humira von Abbvie und Keytruda von Merck die vom Umsatz her meistverkauften Medikamente weltweit.

Durch den wegfallenden Schutz vor Generika und Biosimilaren droht den Branchengrößen bis 2030 ein jährlicher Umsatzeinbruch von über 200 Milliarden US-Dollar (US$). Als Ausweg bleibt den Biotechnologie- und Pharmaunternehmen deshalb nur, neue Medikamente zu entwickeln und dadurch frische Einnahmequellen zu erschließen.

Bei den Forschungsausgaben im Bereich Life Science gab es in den vergangenen fünf Jahren bereits ein Plus von etwa 40 Prozent. Insgesamt steckten die US-Unternehmen im Jahr 2022 rund 154 Milliarden US$ in Forschung und Entwicklung. Branchenkenner erwarten einen weiteren Anstieg. Vor allem große und mittlere Unternehmen haben in den vergangenen Jahren hohe Gewinne eingefahren. Dadurch verfügt die Branche über Rücklagen von 200 Milliarden US$, welche in die Entwicklung neuer Geschäftssparten fließen könnten.

Investitionsvorhaben im US-Life-Science-Sektor (Auswahl)
Name

Investitionssumme (in Mio. US$)

Details zum Vorhaben
Neues Forschungszentrum von Regeneron Pharmaceuticals in Tarrytown, New York

1.800

Bau mit einer Laborfläche von 83.000 Quadratmetern in zwei Phasen bis 2027
Research and Development District (RaDD) von IQHQ in San Diego, Kalifornien 

1.600

Neuer Life-Science-District mit einer Nutzfläche von rund 160.000 Quadratmetern. Geplante Fertigstellung bis 2024
Helix Health & Life Science Exchange von SJP Properties in New Brunswick, New Jersey

731

Bau eines Innovationszentrums mit einer Nutzfläche von 110.000 Quadratmetern. Fertigstellung bis 2025
Pacific Center von Sterling Bay in San Diego, Kalifornien

650

Bau eines Life-Science-Campus mit einer Nutzfläche von 74.000 Quadratmetern. Fertigstellung der ersten Phase mit 46.000 Quadratmetern bis Ende 2024
Neues Forschungszentrum von Pfizer in Pearl River, New York

470

Geplante Laborfläche von 24.000 Quadratmetern mit Fertigstellung bis 2026
Gene Therapy Innovation Center von Spark Therapeutics in Philadelphia, Pennsylvania

575

Bau eines Innovationszentrums mit einer Nutzfläche von 46.000 Quadratmetern bis 2026
Iron Horse Labs von Elevate Research Properties in New York

350

Bau eines Innovationszentrums mit einer Nutzfläche von 19.000 Quadratmetern bis 2025
The Paul and Diane Manning Institute of Biotechnology der University of Virgina in Charlottesville

300

Bau eines Forschungszentrums mit einer Nutzfläche von 32.000 Quadratmetern bis 2027
Hyde Park Labs von Trammell Crow in Chicago, Illinois

225

Bau eines Innovationszentrums mit einer Nutzfläche von 28.000 Quadratmetern bis Ende 2024
Neues Forschungszentrum für Takeda Pharmaceuticals in Cambridge, Massachusetts

k.A.

Geplante Laborfläche von 56.000 Quadratmetern mit Fertigstellung bis 2026
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

Pfizer erhöht den Forschungsetat für 2023 gegenüber dem Vorjahr um 8,7 Prozent. Bei Gilead wird sogar ein zweistelliges Plus erwartet. Moderna will bis 2028 insgesamt 15 neue Produkte auf den Markt bringen und dafür rund 25 Milliarden US$ in die Forschung stecken. Deshalb investiert das Unternehmen auch an der Westküste: In Seattle entsteht ein Campus für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Medikamentenwicklung. South San Francisco wird ein Standort für die Forschung an Gentherapien.

Bayer investiert in die Entwicklung von Zell- und Gentherapien 

Auf Zell- und Gentherapien als Zugpferd für die Zukunft setzen auch viele andere Unternehmen. Mit diesen Behandlungen werden Symptome nicht nur gelindert, vielmehr sollen die Ursachen angegangen werden wie beispielsweise bei Erberkrankungen. Hier könnten Fortschritte die Medizin revolutionieren und den Unternehmen hohe Einnahmen sichern.

Über 30 Therapien haben bereits eine Zulassung von der US-Regulierungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) erhalten. Zudem laufen in den USA mehr als 1.500 klinische Studien. Auch wenn viele davon scheitern, rechnet die FDA damit, dass ab 2025 jährlich etwa 10 bis 20 Zell- und Gentherapien zugelassen werden.

Mitten im Geschehen ist der deutsche Pharmariese Bayer. Am Standort Berkley nordöstlich von San Francisco wurde im Oktober 2023 eine Zelltherapie-Produktionsanlage eröffnet. Die Investition in Höhe von 250 Millionen US$ dient der Herstellung von Material für klinische Studien zur Behandlung von Parkinson.

 „Die Produktion spielt eine wichtige Rolle, um Zell- und Gentherapien im biopharmazeutischen Sektor vom Labor zu den Patienten zu bringen", sagt Holger Weintritt, Leiter von Product Supply der Division Pharmaceuticals der Bayer AG.

Für den Biotechnologiestandort Berkley hat Bayer auch langfristig große Pläne. Mit der Stadtverwaltung schloss das Unternehmen ein auf 30 Jahre angelegtes "Development Agreement", welches vereinfachte Genehmigungen für die Schaffung von rund 90.000 Quadratmetern an zusätzlicher Laborfläche vorsieht.

Unternehmen suchen die Nähe zu innovativen Start-ups

Bei der Erforschung neuer Medikamente setzen die Firmen nicht nur auf Entwicklungen im eigenen Haus. Unternehmen wie Abbvie oder Johnson & Johnson beteiligen sich beispielsweise als Founding Partner an Inkubatoren wie MBC BioLabs.

"Unsere vier bestehenden Einrichtungen in San Francisco und San Carlos bieten rund 9.800 Quadratmeter Laborfläche und beherbergen mehr als 120 Start-ups", sagt Linda Eng von MBC BioLabs. "Ein fünftes Gebäude in San Carlos ist bereits in Bau und wird zusätzliche 8.800 Quadratmeter zur Verfügung stellen. Damit sind wir einer der führenden Biotech-Inkubatoren in der San Francisco Bay Area."

Nach zuletzt starken Rückgängen beim Risikokapital hellen sich die Aussichten für Start-ups im Life-Science-Sektor wieder auf. Die im Gesundheitsbereich tätigen US-Venture-Capital-Fonds haben im 1. Halbjahr 2023 bereits 13,7 Milliarden US$ eingesammelt und steuern damit auf den Wert des Rekordjahres 2021 zu. Dadurch dürfte 2024 wieder mehr Kapital in Start-ups fließen.

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