Special USA
Gründerkultur der USA bleibt weltweiter Benchmark
Start-ups aus der gesamten Welt orientieren sich an den USA. Hier entwickelte sich das System, wonach aus einer großen Anzahl von Gründerideen eine kleine Anzahl wertvoller Firmen erwächst. Apple, HP, Microsoft oder auch Amazon, sie wurden allesamt in kalifornischen Garagen gegründet, eine Vorform der heutigen Start-ups. Die Geldgeber von damals sind inzwischen zu einem eigenen Zweig der Finanzwirtschaft herangewachsen, mit allen damit verbundenen Übertreibungen. Finanzblasen drohen zu platzen.
Gründergeist, Risikobereitschaft sowie der Wille zur permanenten Veränderung und Vervollkommnung gehören in den USA zu den Grundtugenden jeglichen Wirtschaftens. Dass insbesondere an der Westküste bahnbrechende technologische Neuerungen aus Garagen heraus entwickelt wurden, die anschließend ganze Branchen umkrempelten, ist vielfältig belegt. Wenn ein Benchmark für eine gut entwickelte Start-up-Kultur gesucht wird, dann ist er hier zu finden.
Staatliche Förderung hat wenig Tradition
Zu den Eigenheiten der USA gehört, dass sich Herausbildung, Förderung und Finanzierung von Start-ups auf rein privater Basis vollziehen. Der Staat hält sich weitgehend zurück. Zunächst wurde in den 90er- und verstärkt in den 2000er-Jahren um Universitäten und Forschungsinstitute herum eine Vielzahl von Inkubatoren gegründet, meist mit einem Branchenschwerpunkt. Hier sollten und konnten Forscher und Studenten in frei verfügbaren Laboren und Werkstätten innovative, marktfähige Produkte entwickeln. In einigen Fällen wurde Seed Capital zur Verfügung gestellt, in anderen nicht.
Inkubatoren oft mit Branchenschwerpunkt
So befinden sich in Philadelphia Inkubatoren für Healthcare, Pharma und Chemie, in New England unter anderem für BioTech und in Kalifornien für die Tech-Industrie. Je nach Zuschnitt beteiligt sich an ihnen auch die öffentliche Hand über die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Kommune oder des Bundesstaates. Teilweise engagieren sich auch staatliche Bildungseinrichtungen mit Interesse am beruflichen Fortkommen ihrer Absolventen. Jedoch nehmen staatliche Beteiligungen nur in Ausnahmefällen eine dominante Stellung ein.
Finanzindustrie hochspekulativ
Um die Start-up-Szene herum hat sich in den zurück liegenden Jahren eine hochspekulative Finanzindustrie entwickelt. Die auf Start-ups spezialisierten Geldgeber, in erster Linie Venturecapital Firmen mit ihren Start-up-Fonds, sind zu einem eigenen Zweig innerhalb der US-Finanzwirtschaft herangewachsen. Die Vielfalt der Finanzierungsangebote, vor allem aber die Vergabevolumina, haben in den zurückliegenden Jahren einen atemberaubenden Aufschwung hingelegt.
Mittelvergabe der Start-up-Fonds (in Milliarden US$)
2016 | 2017 | Januar bis Juni 2018 |
75,6 | 81,9 | 57,5 |
Quelle: Pitch-Book-NVCA Venture Monitor
Venturecapital Firmen konkurrieren um Start-ups
Im Silicon Valley, dem weltweit anerkannten Mittelpunkt der Start-up-Szene, konzentrieren sich die Investoren im Wesentlichen auf junge Tech-Unternehmen, darunter Anbieter von Datenspeicherlösungen, von Datenanalysen im Internet, von Onlinereisebüros, von Handelsplattformen, von Portalen zum Preisvergleich, von Tauschbörsen, von Fitnessapps oder vom Verleih von E-Fahrrädern.
Neben einer zündenden Geschäftsidee sollte jedes Start-up die betriebswirtschaftliche Fähigkeit aufweisen, umfangreiche Finanzierungen zu absorbieren und rasch organisch zu wachsen. Letzteres kann jedoch ein Problem darstellen.
Kapitalflut kann organisches Wachstum ersticken
Das verbesserte, vor allem an großvolumigen Finanzierungen orientierte, Überangebot hat für Start-ups im Silicon Valley durchaus Konsequenzen. Sie müssen ihre Strukturen um einiges schneller aufbauen und gleichzeitig finanziell breiter und größer denken, als es ursprünglich ihr Plan war. Dadurch steigt die Gefahr, durch zu viel Startkapital zu lange abhängig von Fremdfinanzierungen zu bleiben, bevor aus eigener Kraft Gewinne erwirtschaftet werden.
Zahl der Kapitalgeber ist in die Höhe geschnellt
Nicht nur die Zahl der Investoren in Start-ups ist über die Jahre gewachsen, auch die Vielfalt und der Internationalisierungsgrad der Finanzierungsangebote hat sich dramatisch erweitert. Aus Japan ist das Konglomerat SoftBank mit seinem 93 Milliarden US$ schweren Vision Fund hinzugestoßen. Aus China zogen gleiche mehrere milliardenschwere Venturecapitalfirmen nach und aus den USA selbst sind inzwischen einige staatliche Investitionsfonds (sovereign wealth funds) dazu übergegangen, Start-ups zu finanzieren.
Die neuen Investoren begründen ihren Drang zur Start-up-Finanzierung damit, dass sie ihre Portfolios über Beteiligungen an jungen, neu entstehenden Industrien diversifizieren wollen sowie Anteile an Start-ups erwerben wollen, noch bevor diese aus eigener Kraft an die Börse gehen können. Etablierte Venture Capital Firmen wie Accel, Andreessen Horowitz, Battery Ventures, Bessemer, Greylock Ventures, Kleiner Perkins oder Sequoia Capital erweitern derweil ihre Kapitalausstattung, nehmen noch mehr Fremdmittel auf, um angesichts der steigenden Anbieterzahl überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Mega-Rounds werden zur Routine
Start-ups, die bei sogenannten Mega-Rounds100 Millionen US$ und mehr einsammeln, sind keine Seltenheit mehr. Im Jahr 2017 wurde die Rekordzahl von 273 solcher Finanzierungsrunden gezählt, wie der Datenlieferant Crunchbase mitteilte. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2018 belief sich ihre Zahl bereits auf 268.
Allein im Juli 2018 wurden 50 Finanzierungen im Gesamtwert von 15 Milliarden US$ abgeschlossen. Die Zahl der Start-ups, die in kürzester Zeit eine Kapitalisierung von 1 Milliarde US$ und mehr aufweist, sogenannte Einhörner (Unicorns), ist laut CB Insights von 80 im Jahr 2015 auf 258 im Jahr 2018 gestiegen.
Wie viele dieser Unicorns sich am Ende als überkapitalisiert erweisen, weiß niemand so genau. Erst wenn sie an die Börse gehen, findet eine Marktbewertung statt. Fachleute sehen daher Finanzblasen am Horizont heraufziehen, die zu platzen drohen.
Text: Ullrich Umann