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USA wollen bei Biotechnologie an die Weltspitze
Die US-Regierung setzt sich ehrgeizige Ziele für die Entwicklung von Biotechnologien. Ein neues Förderprogramm soll der Branche zum Durchbruch verhelfen.
21.06.2023
Von Ullrich Umann | Washington, D.C.
Nach dem Klimapaket Inflation Reduction Act richtet die US-Regierung ihren Blick auf ein neues Zukunftsfeld: Biotechnologien. Am 22. März 2023 hat die Biden-Administration ein neues Förder- und Reformprogramm verabschiedet. Schwerpunkte des Pakets sind biotechnologische Verfahren zur Herstellung neuartiger Werkstoffe, chemischer und pharmazeutischer Produkte, von Nahrungsmitteln, aber auch von Biokraftstoffen. Im Bereich der Biotechnologien sind die EU und China nach amerikanischen Angaben schon einen Schritt weiter. Nun wollen die USA nachziehen.
Geht es nach den Vorstellungen der US-Regierung, sollen zum Beispiel in 20 Jahren mindestens 30 Prozent der Chemikalien mit Hilfe lebender Organismen hergestellt werden, und Biowerkstoffe bis zu 90 Prozent der herkömmlichen Kunststoffe ersetzen. In der Industrie entsteht dadurch ein erheblicher Investitionsbedarf, angefangen bei der Forschung und Entwicklung von Bioprodukten und Verfahrenstechniken, über die Modernisierung und Umrüstung der Produktion bis hin zur Vermarktung der neuen Biotechnologieprodukte.
Produktionskapazitäten für Biotechnologien werden ausgebaut
Derzeit verfügen die USA nur über unzulängliche Kapazitäten zur Erzeugung von Biotechnologieprodukten, wie das U.S. Departement of Energy in einer Bestandsaufnahme feststellte. Deshalb würden amerikanische Unternehmen entsprechende Produkte mehrheitlich im Ausland herstellen. Um dies zu ändern, hat das Weiße Haus im März 2023 den US-Bundesministerien für Energie, Landwirtschaft, Handel und Gesundheit sowie der Nationalen Wissenschaftsstiftung (National Science Foundation) konkrete Aufgabenstellungen zugeteilt.
Ablösung von Kunststoffen und synthetischer Polymere durch biobasierte Alternativen |
Deckung von 30 Prozent des Chemikalienbedarfs über Produkte aus biologischer Herstellung |
Produktionssteigerungen bei zellbasierten Medikamenten um das Zehnfache |
DNA-Sequenzierung von 1 Mio. Mikrobenarten zur pharmazeutischen Nutzung |
Produktion von 11,4 Mrd. Litern Bio-Flugzeugtreibstoff |
Methanreduktion in der Landwirtschaft durch Biogasgewinnung und ressourcenschonende Düngung |
Die US-Regierung möchte zudem private Investitionen in die Bioproduktion stimulieren. Dafür geht sie Abnahmeverpflichtungen für biotechnologisch erzeugte Produkte ein. In diesem Zusammenhang wurden alle Bundesbehörden angewiesen, in ihren Beschaffungsprogrammen diese Art Produkte ausdrücklich zu berücksichtigen.
Auch werden das dem Weißen Haus unterstellte Office of Management and Budget sowie das US-Landwirtschaftsministerium regelmäßig Fortschrittsberichte anfertigen, in denen die aktuelle Marktentwicklung bei Biotechnologien aufgezeigt wird. Interessierte Unternehmen können diesen Berichten unter anderem Trends entnehmen und entsprechend neue Fertigungen aufbauen oder bestehende Verfahren an die aktuellen Entwicklungen anpassen.
Abbau von Bürokratie
Die US-Regierung möchte aber auch den Marktzugang und die Produktzulassung für Neuentwicklungen erleichtern, darunter für Arzneimittel. Dafür soll die Regulierungs- und Normierungsdichte ausgedünnt werden, jedoch ohne den Verbraucherschutz und die Produktsicherheit zu gefährden, wie ausdrücklich betont wird. Eigens dafür fördert die Regierung die angewandte Biosicherheitsforschung und schafft Anreize für Innovationen in diesem Bereich.
In einem ersten Schritt fließen Forschungsgelder
Fördergelder kanalisiert die Regierung zunächst in die Forschung und Entwicklung im Bereich der Biotechnologien. Als Benchmark für die Forschungsförderung wird das öffentliche Engagement bei der Entwicklung und Serienfertigung von mRNA-Impfstoffen während der COVID-19-Pandemie genannt.
Nicht umsonst ermitteln alle involvierten Bundesressorts gegenwärtig den Bedarf an Forschungsgeldern in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen. Auf der Grundlage der Initiative "Daten für die Bioökonomie" werden außerdem Behörden, Forschungslabors und Universitäten untereinander vernetzt, um den sicheren Austausch von Daten zu gewährleisten.
Unternehmen und Einrichtungen mit Interesse an einer Zusammenarbeit in der Forschung können sich an einschlägige Entwicklungslabors wenden. Zu den bedeutendsten zählen:
Für die Kontaktanbahnung und den Informationsaustausch stehen auch Fachkonferenzen wie zum Beispiel die SynBioBeta zur Verfügung. |
Nachholbedarf in der Fachkräfteausbildung
Ein weiterer öffentlicher Förderschwerpunkt liegt auf der Fachkräfteausbildung in den Bereichen Biotechnologie und Bioproduktion. Angesichts des allgemeinen Mangels an qualifizierten Arbeitskräften in praktisch allen Wirtschaftszweigen erscheint dies als eine der am schwierigsten zu lösenden Aufgaben. Mit Geld allein bewegt sich hier nur wenig - Strukturreformen müssen her, angefangen bei den allgemeinbildenden Schulen, über Berufsschulen und Community Colleges bis hin zu den Hochschulen.
USA suchen internationale Zusammenarbeit
Neben der nationalen Förderung möchte die US-Regierung auch die internationale Zusammenarbeit ausbauen. Die Biotechnologie und die Bioproduktion sollen in diesem Zusammenhang zur Bewältigung globaler Herausforderungen - vom Klimawandel über die Nahrungsmittelsicherheit bis hin zum Gesundheitsschutz - beitragen. Im Vordergrund steht dabei die grenzüberschreitende Entwicklung und Nutzung biotechnologischer Produkte.
Bei der internationalen Zusammenarbeit geht es aber auch um die Risikominimierung in den grenzüberschreitenden Lieferketten. Dazu gehören unter anderem der Schutz biologischer Humandaten, Cybersicherheitspraktiken sowie höchste Sicherheitsstandards für Softwareprogramme, die im Bereich der Biotechnologien zur Anwendung gelangen.