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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Wirtschaftsbeziehungen mit EU

Komplizierte Ausgangslage vor anstehendem EU-UK Gipfel

Fünf Jahre nach dem Brexit nähern sich die EU und das Vereinigte Königreich wieder an. Die Gespräche beim Gipfel im Mai werden komplex und anspruchsvoll.

Von Marc Lehnfeld | London

Mit großer Spannung wird der EU-UK-Gipfel erwartet, der am 19. Mai 2025 in London stattfinden wird. Dort werden für die europäisch-britischen Beziehungen neue Weichen gestellt, wie es der britische Premierminister Keir Starmer direkt nach seinem Amtsantritt im Sommer 2024 angekündigt hatte.

Anlass der Gespräche sind die zukünftige Verteidigungskooperation sowie die Verbesserungen des gemeinsamen Handels- und Kooperationsabkommens. Schließlich muss die im Abkommen festgelegte planmäßige Überprüfung, üblicherweise als "Review" bezeichnet, bis Juni 2026 abgeschlossen sein. Explizit erforderlich ist darin eine Neuregelung der Fischfangquoten. Außerdem besteht Verhandlungsbedarf zur Optimierung des Stromhandels und beim Elektroautoexport. 

Britische Wunschliste für Handelsverbesserungen ist lang

Aus britischer Sicht ist der Raum für Verbesserungen der Handelsbedingungen groß. Schon im Wahlkampf versprach die Labour-Partei eine Wiederannäherung an die EU durch ein SPS-Abkommen (Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen), die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie eine Harmonisierung der Chemieregulierung. Außerdem ist eine Verbesserung der Visumsbedingungen für britische Künstler auf EU-Tourneen gewünscht. 

Der Verhandlungsführer für das Vereinigte Königreich ist Nick Thomas-Symonds, Europastaatsminister in der britischen Regierung. Ende Januar 2025 stellte er dem Wirtschaftsausschuss des Unterhauses seine Verhandlungsposition vor. Neben den oben genannten Punkten kamen darin jedoch noch neue Themen hinzu. 

So erklärt Thomas-Symonds, dass eine Verbindung des britischen und europäischen Emissionshandelssystems ETS ausdrücklich erwünscht ist und auch im bestehenden Freihandelsabkommen angestrebt wird. Dies schließt die jeweils unterschiedlichen CO2-Grenzausgleichsmechanismen (CBAM) ein. Hinzu kommt ein möglicher Beitritt des Vereinigten Königreiches in die Pan-Europa-Mittelmeer-Konvention. Ein Beitritt würde den zollfreien Handel auch für britische Unternehmen vergrößern. 

Das Klima in den bilateralen Gesprächen ist ausgesprochen gut, wie zuletzt beim Treffen der Parlamentarischen Partnerschaftsversammlung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich am 17. und 18. März 2025 in Brüssel deutlich wurde. In der gemeinsame Abschlusserklärung spricht Sandro Gozi, der europäische Co-Vorsitzende des Ausschusses, von "warmen, konstruktiven und für die nächsten Jahre verheißungsvoll guten Diskussionen mit den britischen Kollegen". Der gemeinsame Ausschuss trifft sich als nächstes im November 2025 in London.

UK-Rückkehr in Zollunion ausgeschlossen

Die Verhandlungen werden hingegen nicht einfach. Schließlich hat die britische Regierung von Anfang an deutlich gemacht, dass eine Rückkehr sowohl in die Europäische Union als auch in die Zollunion ausgeschlossen ist. 

Die EU wiederum möchte die Vorteile des Binnenmarkts nicht durch zu große Kompromisse mit Drittstaaten verwässern. Hinzu kommt, dass sich die britische Seite bisher wenig kompromissbereit zeigt. Der vergleichsweise moderate Wunsch der EU eines gemeinsamen Jugendmobilitätsabkommens wird von der britischen Regierung bislang zurückgewiesen, obwohl ein solches Abkommen bereits mit einigen Ländern umgesetzt wurde.

Dabei befindet sich die EU insgesamt in einer günstigeren Verhandlungsposition. Die Wiederannäherung der britischen Regierung zeigt, dass der ursprünglich propagierte Deregulierungskurs der konservativen Vorgängerregierung nicht fortgesetzt wird. Das Vereinigte Königreich wird also kein Standortkonkurrent in großem Stil, wenngleich zum Beispiel bei der Regulierung der künstlichen Intelligenz britische Standortvorteile bestehen. Die britische Regierung setzt bei der politischen Wiederannäherung an die EU auf den Abbau handelspolitischer Barrieren, um die hohe Kostenbelastung durch die gestiegene Bürokratie abzumildern. 

Die Übernahme europäischer Regulierungen liegt im starken britischen Interesse. Im legislativen Prozess befindet sich bereits der Gesetzesentwurf zur Produktregulierung und Metrologie. Sie soll dem amtierenden britischen Wirtschaftsminister genau diese fallabhängige einseitige Anwendung ermöglichen. Auch wenn das britische Interesse überwiegt, kann die EU die Chancen nutzen, um durch ein Entgegenkommen den Marktzugang für europäische Exporteure zu hebeln.

"ReArm Europe"-Plan noch ohne britische Beteiligung

Die Pläne für den anstehenden milliardenschweren Rüstungswettlauf in Europa verkomplizieren die Verhandlungen um den UK-EU-Gipfel zusätzlich. Das rund 150 Milliarden Euro schwere "ReArm Europe"-Rüstungspaket der EU-Kommission bleibt der britischen Rüstungsindustrie noch verschlossen. 

Als Nicht-EU-Land kann sich die britische Regierung nur daran beteiligen, wenn sie einen Verteidigungspakt mit der Union schließt. Das ist zwar grundsätzlich auch im Interesse der EU, die zügig Verhandlungen mit der britischen Seite aufnehmen will. Einige Mitgliedstaaten hingegen wollen die Einigung mit der notwendigen Neuverhandlung der Fischfangquoten koppeln. Das deutet auf komplexe britisch-europäische Verhandlungen hin. 

Dabei winkt nicht nur britischen Rüstungsunternehmen der Zugang zu europäischen Projekten. Auch der britische Rüstungsmarkt ist für die europäische Industrie höchst interessant. Schließlich verfügt das Vereinigte Königreich über das drittgrößte Verteidigungsbudget der NATO-Staaten nach den USA und Deutschland und investiert in den nächsten Jahren massiv in die Modernisierung und den Ausbau ihrer Streitkräfte. 

So soll der Anteil der Verteidigungsausgaben von 2,3 Prozent am Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 auf 2,5 Prozent in drei Jahren angehoben werden. Schon jetzt fließt rund ein Drittel der Ausgaben in die Ausrüstung. Der in Kürze erwartete Strategic Defence Review und die Defence Industrial Strategy im Sommer werden die zukünftige Ausrichtung des britischen Militärs und der Rüstungsindustrie prägen. 

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