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Vietnams Autoindustrie startet schwach ins Jahr 2024
Der Kfz-Markt hat sich bisher verhalten entwickelt. Ab Mitte 2024 könnte eine langsame Erholung einsetzen. Einige neue Hersteller wollen im Land Autos montieren lassen.
29.05.2024
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Ausblick der Kfz-Branche in Vietnam
- Nach einem kräftigen Rückgang 2023 wird sich der Automarkt 2024 nur ab der zweiten Jahreshälfte langsam erholen. Dann dürften die bessere Konjunkturentwicklung, niedrigere Zinsen und neue Modelle die Nachfrage beleben.
- Der Markt für E-Autos hat 2023 einen Sprung getan. Allerdings hat der wichtigste Marktakteur Vinfast den Großteil an ein firmeneigenes Taxiunternehmen veräußert. Ein richtiger Publikumsmarkt besteht noch nicht und der Wachstumssprung dürfte sich 2024 nicht wiederholen.
- Weiter kommen neue Hersteller ins Land, die mit lokalen Partnern in die Montage einsteigen. So will der drittgrößte chinesische Hersteller Chery eine Fabrik hochziehen.
Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: April 2024
Markttrends
Der Automarkt leidet unter einer für vietnamesische Verhältnisse schwachen Konjunktur- und Kaufkraftentwicklung. Nach einem deutlichen Rückgang 2023 lagen die Kfz-Verkäufe im ersten Quartal 2024 erneut um 17 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Der Absatz von Pkw fiel um 21 Prozent und der von Nutzfahrzeugen um 6 Prozent zurück. Analysten erwarten ab dem zweiten Halbjahr 2024 mit einem Anziehen der Konsumausgaben, neuen Modellen und niedrigeren Zinsen wieder eine langsame Erholung. Die absatzstärksten Marken sind Hyundai, Toyota und Kia. Deutsche Hersteller dominieren das Luxussegment.
Mehrere Faktoren lasten auf dem Absatz
Die Antikorruptionskampagne der Kommunistischen Partei, die 2023 spektakuläre Fälle ans Tageslicht gebracht hat, bremste den Absatz vor allem im Luxussegment. Gleichzeitig ist Ende 2023 ein Nachlass von 50 Prozent auf die Registrierungsgebühr für im Land montierte Kfz ausgelaufen, den die Regierung zum 1. Juli 2023 als Fördermaßnahme eingeführt hatte. Starke Rabattaktionen seit Mitte 2023 haben den Absatz bisher nicht beleben können.
Die Wirtschaft wuchs 2023 um 5,1 Prozent gegenüber Wachstumsraten von rund 7 Prozent in den Jahren vor der Coronakrise. Die Einzelhandelsumsätze legten 2023 um 8,6 Prozent und im ersten Quartal 2024 um lediglich 7 Prozent jeweils gegenüber dem Vorjahr zu. Angesichts einer Inflationsrate von 3,8 Prozent im ersten Quartal und einem Bevölkerungswachstum von etwa einem Prozent wächst der Konsum nur sehr verhalten.
2021 | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 (in %) | |
---|---|---|---|---|
Pkw | 310.874 | 410.983 | 322.714 | -21,5 |
Nfz (Vans, Lkw, Busse, Sonderfahrzeuge) | 99.224 | 99.150 | 81.052 | -18,3 |
Gesamt | 410.098 | 510.133 | 403.766 | -20,9 |
Der Markt für Elektrofahrzeuge hat 2023 einen großen Sprung nach vorne gemacht. Nach Daten von Statista sind in Vietnam im Jahr 2023 etwa 8,7 Prozent Hybridfahrzeuge und 7,6 Prozent reine Elektrofahrzeuge verkauft worden. Der inländische Hersteller Vinfast dominiert den Markt für reine Elektrofahrzeuge und verfügt über das einzige landesweite Ladenetz mit etwa 2.200 Stationen Ende 2023. Die Firma weitet ihr Verkaufsnetz weltweit aus, verkauft bisher aber fast nur in Vietnam. Nach 7.500 E-Autos im Jahr 2022 hat Vinfast 2023 ganze 34.855 E-Autos verkauft. Allerdings gingen 72 Prozent davon im Jahr 2023 an eigene Unternehmen und hier überwiegend an die firmeneigene Taxifirma GSM. Ein veritabler Publikumsmarkt besteht daher in Vietnam noch nicht. 2024 will Vinfast 100.000 Fahrzeuge absetzen.
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. US$) | Projektstand | Anmerkungen |
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Autofabrik, Provinz Thai Binh, Kapazität 50.000 Autos/Jahr | 800 | Rahmenvereinbarung im Oktober 2023 unterschrieben; Baustart 2. Quartal 2024 | Investoren: Geleximco (Vietnam) und Chery (China) |
Reifenfabrik, Provinz Binh Phuong | 500 | Investitionslizenz im September 2023 erhalten; Fertigstellung 1. Halbjahr 2024 | Investor Shandong Haohua Tire (China) |
Batteriefabrik, Provinz Ha Tinh, Kapazität 30 Mio. Batterien/Jahr | 275 | Baustart November 2023; Fertigstellung 3. Quartal 2024 | Investor VinES (Vietnam) und Gotion (China) |
Autoschlüsselfabrik, Provinz Quang Ninh, Kapazität 60.000 Stück/Jahr | 165 | Investition im Februar 2023 lizenziert; Baustart 2. Quartal 2023 | Investor Boltun Corp (Taiwan) |
Autoteilefabrik, Provinz Quang Ninh | 154 | Baustart Juli 2023; Fertigstellung 2. Quartal 2025 | Investor Autoliv (der Schweiz) |
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Seit Mitte der 90er-Jahre ist in Vietnam eine Kfz-Industrie entstanden, die nahezu vollständig auf der Montage von importierten CKD-Bausätzen (completely knocked down) beruht. Die Förderbedingungen haben sich mit der Zeit verändert. Montagebetriebe können Teile, die lokal nicht verfügbar sind, bis 2027 noch zollfrei einführen. Auf fertige Pkw hingegen werden Importzölle von bis zu 70 Prozent erhoben, die allerdings im Zuge der Umsetzung vieler Freihandelsabkommen nach und nach absinken und für Kfz aus ASEAN-Staaten seit 2018 bei null liegen.
Fast alle ausländischen Hersteller kooperieren mit einem von drei lokalen Joint-Venture-Partnern als Minderheitseigner. Die staatliche Vietnam Agricultural Machinery Corporation ist Joint Ventures mit Toyota, Honda, Ford und zeitweise auch mit Fiat eingegangen. Thaco Auto produziert für Kia, Mazda, Fuso, Peugeot sowie BMW und TC Motor für Hyundai. Mercedes montiert in niedrigen Stückzahlen eigenständig in Ho-Chi-Minh-Stadt vier Modelle.
Eine Ausnahme ist die vietnamesische Firma Vinfast, die zur größten Unternehmensgruppe des Landes, Vingroup, gehört. Vinfast hatte 2019 eine Fabrik in Haiphong mit einer integrierten Produktionsstraße in Betrieb genommen. Bis 2022 liefen hier Pkw mit Verbrennungsmotor vom Band, seit 2023 nur noch Elektrofahrzeuge.
Die Produktion und Montage von Kfz im Inland ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Thaco hat 2023 mit der Montage von BMW-Modellen in Vietnam begonnen. TMT Motors hat 2023 eine Fabrik für 30.000 Elektro-Kleinwagen pro Jahr der chinesischen Marke Wuling MiniEV in Betrieb genommen.
Eine Reihe weiterer Produktionsvorhaben ist in Umsetzung. TC Auto, ebenfalls aus Vietnam, will noch 2024 eine Fabrik für den Zusammenbau von Pkw von Skoda eröffnen. In kleinerem Maßstab wird die deutsche Firma Roding Mobility das vietnamesische Unternehmen Thai Hung dabei technisch unterstützen, ab 2024 bis zu 6.000 Elektro-Kleinstwagen pro Jahr nach EU-Standard L7e zu produzieren.
Ein zweiter chinesischer Hersteller steigt in die Produktion ein
Das Konglomerat Geleximco (vor allem Papier, Zement, Kohlekraftwerke und Immobilien) hatte bereits 2022 den Bau einer Fabrik für 800 Millionen US$ angekündigt. Im November 2023 wurde bekannt, dass hier Autos des drittgrößten chinesischen Herstellers Chery (Marken Omoda, Jaeco) von Band laufen sollen. Eine erste Phase bis 2030 sieht eine Kapazität von 50.000 Fahrzeugen pro Jahr vor. Bis 2033 sollen dann Zulieferbetriebe aufgebaut werden, um eine lokale Wertschöpfung von 40 Prozent zu erreichen.
Die lokale Wertschöpfung gilt als großer Schwachpunkt der Kfz-Industrie in Vietnam. Derzeit liegt sie bei Pkw zwischen 12 und 20 Prozent, bei Lkw zwischen 35 und 40 Prozent. Zumeist erreichen Fahrzeuge damit nicht eine lokale (oder für Asean regionale) Wertschöpfung von 40 Prozent, die zollfreie Exporte in die Asean-Wirtschaftsgemeinschaft ermöglicht. Vietnam exportierte daher in den letzten Jahren nur rund 1.000 Fahrzeuge pro Jahr. Länder mit stärker entwickelten Kfz-Industrien wie Indonesien, Thailand und China exportieren im Gegenzug immer mehr Fahrzeuge nach Vietnam. Eine stärkere Einbindung lokaler Wertschöpfung zeichnet sich noch nicht ab.
Die Abgabenlast auf Kfz ist in Vietnam eine der höchsten weltweit. Dadurch ist der lokale Absatzmarkt zu klein, um eine Ausweitung der Montagewerke zu rechtfertigen, die aufgrund geringer Stückzahlen relativ hohe Kosten haben. Die lokalen Teilehersteller produzieren vor allem für den Export, während die Montagefabriken nahezu komplette Bausätze und einen Großteil der Kfz-Teile importieren.