Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Äthiopien | Bau

Äthiopien baut seine Hauptstadt um

Visionärer Umbau oder Kahlschlag Addis Abeba baut Glitzertürme, Straßenschneisen, Wohnstädte. Oft mit privatem Geld, manches mit unklarer Finanzierung. Die Methoden sind umstritten.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Addis Abeba strebt den Umbaus seines Stadtzentrums zur High-Tech-Metropole an. Zentraler Baustein dieses Plans sind fünf "Korridore", die Äthiopiens Hauptstadt neu erschließen sollen. Die Stadtverwaltung lässt dafür urbane Schneisen schlagen, meist entlang bestehender Verbindungen. Vor allem in Nähe des Flughafens entstanden bereits vierspurige Highways. Sie sind gesäumt von Fahrradwegen, Grünstreifen und einer Beleuchtung, an deren Masten Passanten ihr Handy aufladen können. 

Welche Arbeiten die Korridorprojekte genau umfassen, ist nicht immer klar. Die Presse vermeldete zum Oktober 2024 den Abschluss der ersten Phase über 40 Kilometer. Nun arbeite man an 132 Kilometern und 2.817 Hektar. Auch die Bezeichnungen wechseln. Inzwischen werden die fünf Einzelkorridore miteinander verbunden, hieß es im Dezember beim föderalen Städtebauministerium (Ministry of Urban & Infrastructure). Das Ganze heiße jetzt "Lively Neighbourhood Projects" oder "Addis Tomorrow".

Glitzertürme und Wohnstädte verändern Addis

Einige der neuen Bürohochhäuser, Hotels, Einkaufszentren sowie Parks und anderen öffentliche Anlagen werden den Korridoren zugerechnet. Sie sind aber in der ganzen Stadt geplant, im Bau oder bereits entstanden. Bereits dem Erdboden gleichgemacht und weitgehend neu bebaut wurde das historische Piassa-Viertel. In dessen Zentrum steht nun das Museum "Adwa 00KM". 

Für den Bau eines neuen Finanzdistrikts um die kürzlich eröffnete Wertpapierbörse hat der deutsche Immobilienentwickler Rockstone im November 2024 eine Absichtserklärung unterzeichnet. Daneben entstehen riesige neue Wohnsiedlungen unterschiedlicher Preisklassen. 

Es gibt aber auch Mammutprojekte, deren Fortgang ungeklärt ist. Dazu gehören etwa der 700 Millionen US-Dollar (US$) teure Mesob Tower oder die "Addis Tomorrow Special Economic Zone", für die als Partner mal China Harbour Engineering Company Limited (FHEC) und ein anderes Mal China First Highway Engineering China First Highway Engineering Co. (CFHEC) genannt wurden.

Auch Provinzstädte bauen Korridore

Neue urbane Korridore entstehen auch außerhalb der Hauptstadt. Nach Angaben des föderalen Städtebauministers in der Presse arbeiten landesweit 58 Städte an solchen Vorhaben. Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Oromia gibt es dabei offenbar größere Fortschritte in Bishoftu unweit von Addis Abeba sowie in Jimma. Im nördlich davon gelegenen Bundestaat Amhara sollen Gondar, Kombolcha und Bahir Dar recht weit sein.

07.03.2025 Branchen | Äthiopien | Bau
Deutsche Immobilienfirma will Äthiopiens Finanzdistrikt bauen

Der Bauboom in Addis Abeba geht an deutschen Unternehmen bislang weitgehend vorbei. Nun plant ein deutscher Immobilienentwickler ein Megaprojekt.

Als zweitgrößtes Projekt Äthiopiens, nach dem weitgehend fertiggestellten Kraftwerk am Blauen Nil, gilt das Wohnbauprojekt Chaka. Für das Vorhaben rund um ein neues zentrales Regierungsgebäude ("Palast") im Stadtteil Yeka der Hauptstadt kursieren in der Presse Kosten von 10 Milliarden US$ und mehr. Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht und Beteiligte wollen nicht genannt werden.

Premierminister baut Milliardenpalast

Der Palast alleine schlägt mit knapp 1 Milliarde US$ zu Buche, hieß es in Berichten im Oktober 2022. Das Projekt umfasst nach Presseberichten 5 Quadratkilometer. Bauherr ist das Büro des Premierministers. Insgesamt soll in Yeka auf 30 Quadratkilometern ein ganzer neuer Stadtteil entstehen, sagen private Immobilienentwickler. Diesen Informationen zufolge sollen Wohnungen für mehrere Hunderttausend Menschen entstehen; mitsamt Hotels, Einkaufszentren und anderen Anlagen.

Wohnungsbau privat finanziert

Die Stadt Addis Abeba stellt laut den Insidern das Land und die Infrastruktur zur Verfügung. Die privaten Firmen planen und finanzieren die Immobilien, von denen nach Fertigstellung 30 Prozent in das Eigentum der Stadt beziehungsweise anderer Behörden übergehen. Nach diesem 70:30-Schema oder einem ähnlichen Modell der öffentlich-privaten Zusammenarbeit (PPP) entstehen in Addis Abeba die meisten großen Wohnbauprojekte.

De facto finanzieren Privatfirmen damit den Wohnungsbau. Nach Zahlen aus einer aktuellen Präsentation des Planungsministeriums wurden in den letzten vier Jahren landesweit gut 1 Million Wohnungen privat gebaut oder modernisiert und nur 72.000 öffentlich. Auch hochwertige Immobilienprojekte wie La Gare oder das Mahmadya Residential Village werden von privaten Entwicklern aus dem In- und Ausland umgesetzt und finanziert. 

Große Bauprojekte in Addis AbebaInvestitionen in Millionen Euro

Projekt

Investitionssumme1)

Stand, Anmerkungen

Neuer Flughafen 2)

6.000

Planung: Sidara Group; Bau soll schon Mitte 2025 beginnen
"Korridore"

k.A.

Bole nach Megenagna und Chaka/Yeka

4 Kilo Square nach Piassa

Piassa nach Legehar

Legehar zum Mexico Square

Mexico Square nach Wollo Sefer

Chaka-Projekt

10.000 3)

Regierungspalast und Mischbebauung mit Wohnbauprojekten für bis zu 500.000 Menschen
 Regierungspalast

950

503 Hektar, im Stadtteil Yeka. Unter anderem 3 künstliche Seen, Hotel, Villen; Bau Palast: Ethiopian Construction Works Corporation; Bau Sky View: staatliche chinesische Firma; Finanzierung soll Großteils aus VAE kommen
Ovid Gellan Gurra City 

3.600

Preiswerte Wohnungen; angeblich Addis Abebas größtes privates Wohnungsbauprojekt; 70:30-PPP: privater Entwickler übergibt 30% an den Staat; Entwickler: Ovid Group (Äthiopien); Baubeginn April 2024
La Gare

1.500

Luxuswohnungen, Hotels, Büros etc.; Entwickler: Eagle Hills (VAE)
Mahmadya Residential Village

950

Luxuswohnanlage inkl. Malls etc.; im Bau; Entwickler: Midroc (Äthiopien, privat)
Akaki Kaliti Housing Project

267

Preiswerte Wohnungen; Entwickler: Ethiopia Ministry of Urban Development and Construction; Baubeginn 2022
1 Werte auf Basis des Kurses 1 US$ = rund 50 Birr (vor Freigabe des Wechselkurses im Juli 2024, Februar 2025: 1 US$ = rund 130 Birr); 2 bei Bishoftu, jenseits der Stadtgrenze; 3 nach unbestätigten Berichten.Quelle: ABIQ-Projektdatenbank; Recherchen von Germany Trade & Invest

Fragen zur Finanzierung bleiben offen

Zur Finanzierung der rein öffentlichen Projekte gibt es indes keine verlässlichen Angaben, auch nicht zu den Kosten. Auch über Kredite ist nichts bekannt. Für den Chaka-Palast kommt nach unbestätigten Berichten Kapital aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Korridorprojekte finanziert laut föderalem Städtebauministerium die Stadt Addis Abeba vollständig selbst, ohne Geld der Zentralregierung. Die Stadtverwaltung verweist auf eine Finanzierung durch Steuern. 

Diese Milliardeninvestitionen erfolgen in einem Land, dessen Warenexporte jährlich gerade einmal gut 4 Milliarden US$ betragen, und dessen Budgets begrenzt sind: Der Haushalt der Stadt Addis Abeba erreicht im aktuellen Finanzjahr umgerechnet knapp 1,8 Milliarden US$, der des Zentralstaats 12 Milliarden US$ und dies nach einer im letzten November erfolgten, 60-prozentigen Aufstockung des ursprünglichen Entwurfs.

Kritik und Transparenz sind Mangelware

Dass die Behörden so viel des knappen Geldes in die Hauptstadt leiteten und für die Provinz damit weniger übrig bleibe, dazu ist in Äthiopien keine kritische Diskussion wahrnehmbar. Das Riesenvorhaben, das als wichtiges Projekt des Premierministers zählt und im Ausland auf eine kritische Berichterstattung gestoßen ist, gilt als heikles Thema. 

In einem Land mit teils gewalttätigen Spannungen zwischen einzelnen Gruppen sind die Menschen vorsichtig. Dies gilt auch für die Medien; mehrere kontaktierte Journalisten halten sich bedeckt. Auch bei den zuständigen Behörden sind keine Informationen zu bekommen, ebenso wenig Termine. Direkte und indirekte Anfragen hierfür bei der Stadtverwaltung und einem Büro im Bereich des Premierministers liefen ins Leere. 

Umsiedlungen sind umstritten

Die Behörden demolieren Berichten zufolge Gebäude, die den Korridoren im Weg stehen. Anwohner und Gewerbetreibende müssen ihre Sachen packen. "Bei einer Woche Vorwarnzeit hat man noch Glück", sagt ein Bewohner. Es gibt zwar oft höherwertigen Ersatz in neuen Siedlungen. Der kann jedoch weit weg liegen und lange Pendelfahrten mit sich bringen. "Viele freuen sich über die Modernisierung der Stadt", sagt der Bewohner. "Ich kenne aber niemanden, der die Umsiedlungen gut findet."

Entschädigungszahlungen sind oft niedrig oder kommen verspätet an. Auch der föderale Städtebauminister nennt Missstände. Landesweit zerstörten manche Stadtverwaltungen unter dem Deckmantel von Korridor-Projekten privates Eigentum. Gleichzeitig berichtet die Presse von hohen Erlösen, welche die Behörden durch die Vergabe des gewonnenen Landes an private Immobilienentwickler erzielten.

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.