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Deutsche Immobilienfirma will Äthiopiens Finanzdistrikt bauen
Der Bauboom in Addis Abeba geht an deutschen Unternehmen bislang weitgehend vorbei. Nun plant ein deutscher Immobilienentwickler ein Megaprojekt.
07.03.2025
Von Ulrich Binkert | Bonn
Der deutsche Immobilienentwickler Rockstone Real Estate plant in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba nach einer Absichtserklärung vom November 2024 den Bau eines ganzen Finanzviertels. Es soll rund um die neu eröffnete Börse in Äthiopiens Hauptstadt entstehen, zwischen Mesquel Suare und der Addis Ababa City Administration. Für die hochwertigen Bürogebäude, Hotels, Einkaufszentren und Wohnungen sowie Grünflächen und weitere Infrastruktur plane man aktuell mit Kosten von 300 bis 400 Millionen US-Dollar (US$), sagt Benjam Vetterli, Afrika-Chef des Unternehmens.
Im Zuge der laufenden Liberalisierung von Äthiopiens Finanzsektor benötigten einheimische und künftig auch ausländische Banken und Finanzfirmen eine moderne Infrastruktur. Diese fehle im Land bisher. Für den geplanten Finanzdistrikt ist Rockstone den Informationen zufolge bislang der einzige Immobilienentwickler.
Selbst die Wandfliesen werden importiert
Das Finanzzentrum soll laut Vetterli nach internationalen Baunormen entstehen, mit entsprechenden Chancen für deutsche Zulieferer und andere Partner. Glas aus Belgien, Aluminium aus Griechenland und Aufzüge des Schweizer Herstellers Schindler - diese Produkte verbaut Rockstone laut Vetterli aktuell in KEFITA: Dieses Wohn-Hochhaus in Addis Abeba mit Zielgruppe einkommensstarke Ausländer, das zu rund zwei Drittel fertiggestellt sei und rund 40 Millionen US$ koste, sei das größte Projekt von Rockstone in Äthiopien. Weltweit arbeite das Unternehmen an Projekten für rund 1 Milliarde US$.
Äthiopiens Bauwirtschaft muss viele Materialien im Ausland beschaffen, nicht nur hochwertige Armaturen für teure Apartments oder leistungsfähige Aufzüge. So würden nur 53 Prozent des benötigten Baustahls in Äthiopien produziert und 6 Prozent der Wandfliesen, heißt es in einer aktuellen Präsentation des Ministry of Urban & Infrastructure mit Daten von 2021.
Die Branche stößt dabei aber an Grenzen. "Die meisten Maschinen sind alt", zitierte die Presse im Januar 2025 einen Vertreter der Ethiopian Roads Administration zum Straßenbau. Angesichts des Mangels an Devisen gebe es keine Importe, und selbst das Mieten der Technik komme sehr teuer. Zement, Explosivstoffe, Teer und anderes Baumaterial seien ebenfalls schwer zu bekommen.
Bausektor boomt weiter
Äthiopiens Bausektor ist seit langem ein Zugpferd für die gesamte Wirtschaft. Nach einer leichten Abflachung in der Coronazeit wuchs er auch im letzten Fiskaljahr 2023/24 mit real 9 Prozent schneller als der Rest der Wirtschaft. In Addis Abeba und im ganzen Land sind chinesische Baufirmen aktiv. Das bislang größte Vorhaben, das Staudammprojekt am Blauen Nil, hat dagegen maßgeblich Webuild aus Italien umgesetzt. An einzelnen Vorhaben im riesigen Chaka-Projekt in der Hauptstadt sind dem Vernehmen nach auch französische Firmen beteiligt.
Deutsche Unternehmen sind in Äthiopiens Bauwirtschaft kaum präsent. Ein seit Langem in der Branche tätiger äthiopischer Geschäftsmann mit Beziehungen nach Deutschland kann diese Zurückhaltung ein Stück weit nachvollziehen. Der Markt biete große Chancen, sei aber auch riskant. Die Risiken ließen sich jedoch eingrenzen durch einen genauen Plan vor einem Engagement, wie man sein Geld wieder aus dem Land bekomme.
Experte gibt Tipps für deutsche Unternehmen
Wichtig dafür sei wiederum ein Vorgehen "top-down": Mit der Pflege guter Kontakte zunächst zur zentralstaatlichen Ethiopian Investment Commission, später zu den relevanten Behörden und dann womöglich zu den Vertretern lokaler Ämter. Dabei komme es darauf an, mit Problemen bei "höheren" Ämtern vorstellig zu werden, damit diese eine "Ansage nach unten" machten. Benjam Vetterli von Rockstone wiederum nennt auf die Frage nach seinen wichtigsten Erkenntnissen für deutsche Firmen an erster Stelle den Wert der langjährigen Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern vor Ort.