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Branchen | Äthiopien | Arzneimittel, Diagnostika

Äthiopien plant Aufbau einer Produktion von Impfstoffen

Mit einem Großprojekt will Äthiopiens Regierung dem Mangel an Vakzinen begegnen. Die inländische Pharmaindustrie ist klein, soll aber immerhin mehr Devisen bekommen.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Mangels anderer Investitionen plant Äthiopiens Regierung den Aufbau einer Impfstoffproduktion im Land nun selbst anzuschieben. Die Finanzierung der 100 Millionen US-Dollar (US$) teuren Fabrik ist zum größten Teil gesichert, sagt Ruth Deneke vom Branchenconsultant CHS Advisory in Addis Abeba. Bisher muss Äthiopien die benötigten Impfstoffe importieren. Um eine Produktion kümmert sich auf staatlicher Seite nun unter anderem das Ethiopian Public Health Institute.

Finanzierung durch die Weltbank beabsichtigt

Für die Finanzierung setzen die beteiligten Ministerien für Gesundheit und Finanzen offenbar auf Mittel eines länderübergreifenden Vorhabens der Weltbank: Deren Projekt sieht unter anderem 84 Millionen US$ für den Aufbau einer Produktion von Impfstoffen und anderen Pharmazeutika in Äthiopien vor. Sie würden staatliche Mittel ergänzen. Zwei Drittel der 359 Millionen US$ für das Gesamtprojekt vergibt die Weltbank als Zuschuss. 

Xinhua hatte das Impfstoffprojekt Ende Januar 2024 mit über 70 Millionen US$ beziffert. Die chinesische Nachrichtenagentur vermeldete auch den ersten Spatenstich wenige Tage zuvor in Kilinto. Den Industriepark in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba hatten chinesische Firmen bevorzugt für die Produktion von Arzneimitteln gebaut. 

Für das Impfstoffprojekt gründeten die Behörden die Firma ShieldVax. Sie suchen dafür laut Ruth Deneke potenzielle Partner in Asien und Europa. Die Firmen könnten sich in vielfältiger Weise beteiligen, mit Eigenkapital, in einem Joint-venture oder auch mit Know-how oder bei der Beschaffung. 

Eine internationale – allerdings nicht genannte - Beraterfirma wird laut Ruth Deneke in den kommenden vier Monaten eine Liste der benötigten Ausrüstungen zusammenstellen. Die Fabrik solle auf 20.000 Quadratmetern zunächst 200 Menschen beschäftigen. Fokus sei die Herstellung von Impfstoffen, welche die globale Impfstoffallianz GAVI nicht abdeckt. Angepeilt sei eine Jahresproduktion von etwa 80 Millionen Dosen zum Schutz vor Masern, Tollwut, Cholera, Gelbfieber, Tetanus und BCG (Bacille Calmette–Guérin). Die ungenannte Beraterfirma arbeite parallel daran, eine während der Coronapandemie erstellte Machbarkeitsstudie für eine Impfstoffproduktion in Äthiopien zu aktualisieren. 

Auch andere Arzneimittel meist importiert

Importe decken mit Blick auf den gesamten Pharmamarkt Äthiopiens den größten Teil des Bedarfs. Einheimische Hersteller decken Schätzungen zufolge aktuell nur 5 bis 10 Prozent der Nachfrage. Bei der öffentlichen Beschaffungsagentur Ethiopian Pharmaceuticals Supply Service (EPSS), die, ebenfalls geschätzt, gut zwei Drittel des Marktes versorgt, liegt dieser Anteil nach Presseberichten bei 8 Prozent - Tendenz sinkend, in der Vergangenheit seien es schon 25 Prozent gewesen. Die Branche in Äthiopien produziert laut CHS Advisory insgesamt nur 144 Präparate. Das ist nicht einmal jedes vierte der 623 Medikamente, welche EPSS als "essenziell" eingestuft hat und die längst nicht alle Bedarfe abdecken. 

Aktuell gibt es im Land ein knappes Dutzend Pharmahersteller, oft mit Kapital aus China oder Indien. Sie beschäftigen laut Presseberichten 6.000 Mitarbeiter, wobei eine Aufstellung für 2019 auf lediglich gut 3.500 Mitarbeiter kam. Etwa die Hälfte der Firmen produziert nach GMP (Good Manufacturing Practice). Dabei handelt es sich bislang aber in keinem Fall um den international anerkannten GMP-Standard, weil die Firmen nur durch die nationalen Behörden zertifiziert wurden. Nach Unterlagen von CHS arbeitet kein einziger inländischer Hersteller an neuen pharmazeutischen Formulierungen oder Prozessen. Inzwischen gebe es immerhin eine Firma, die importierte Fertigarzneien nach GMP-Standard verpackt. 

Pharmahersteller in Äthiopien

Unternehmen

Anteilseigener; Anmerkungen

Beschäftigte (2019)

GMP-Standard 1)

Ethiopian Pharma EPHARM

Mohammed Nuri (äthiopisch); expandiert

943

nein

Humanwell

Humanwell (China, 100%)

487

ja

Sansheng

Sansheng (China, 100%); Investition von 85 Mio. US$

371 2)

ja

Cadila Pharmaceuticals

Cadila (Indien, 62,5%), Almeta (Äthiopien, 37,5%)

219

ja

East Africa Pharma

Eigner aus Sudan, Jemen und Saudi-Arabien (insgesamt 99%)

151

nein 3)

Kilitch Estro Biotech

Kilitch (Indien) und Estro (Äthiopien); gegründet 2015

k.A.

ja

Sino Ethiopia Africa

Eigner: chinesisch 70%, äthiopisch 30%

108

nein

Julphar

Eigner: Julphar (VAE, 55%) und Mohammed Nuri (45%)

104

nein

Pharmacure

Teil der Midroc Group (Äthiopien), produziert u.a. Infusionslösungen

102

nein, "bald“

Medsol

äthiopisch

70

nein

Addis Pharma Factory

äthiopische Firma mit Verbindungen nach Tigray (49%), ausländische Firma (51%); geschlossen

917

k.A.

GlowCare 

k.A.

k.A.

ja

1 zertifiziert nach Good Manufacturing Practice, allerdings nur bei der äthiopischen Zulassungsbehörde; 2 Mitte 2022: 350; 3 nach eigenen Angaben vorhandenQuelle: CHS Advisory 2024, UNCTAD 2023

Hauptschwierigkeit ist für Äthiopiens Pharmahersteller, wie für die gesamte Wirtschaft, der Mangel an Devisen. Die Firmen müssen den Großteil ihrer Vorprodukte importieren. Dazu gehören auch relativ einfache Produkte wie Zucker und Stärke für pharmazeutische Zwecke oder Sirupflaschen, heißt es in der Presse von Seiten des Herstellerverbands Ethiopian Pharmaceuticals and Medical Supplies Manufacturers Association. Die Wertschöpfung erreiche 30 bis 50 Prozent.

Humanwell zum Beispiel braucht laut Presse jährliche 12 Millionen US$ Fremdwährung und muss dafür auf Unterstützung durch die Mutterfirma aus China bauen; Die Auslastung liegt auch deshalb nur bei einem Drittel. Auch Cadila Pharmaceuticals produzierte in den letzten vier Jahren wegen fehlender Dollar nur 30 Prozent der Tabletten, Kapseln und Sirups, die möglich sind. 

Die Regierung will die Industrie stärken. Einerseits um die Versorgungssicherheit zu verbessern, aber auch weil Vorprodukte aus dem Ausland weniger Devisen benötigen als fertige Arzneimittel. Das Projekt zu Impfstoffen, bei denen die Regierung laut Ruth Deneke die größten Versorgungsdefizite sieht und worauf sie ihren Fokus legt, ist dafür das umfangreichste Vorhaben in der Pharmabranche. 

Regierung gibt Herstellern mehr Devisen

Produzierende Unternehmen wie Pharmahersteller können nun seit einigen Monaten mehr Devisen beantragen. Zudem will der staatliche EPSS einheimischen Herstellern "bis zu" 55 Prozent der Devisen für importierte Vorprodukte bereitstellen. Im März 2023 meldete die Presse den Abschluss von entsprechenden Vereinbarungen über rund 35 Millionen US$. Die Verträge umfassten neben pharmazeutischen Vorprodukten aber auch fertige Arzneimittel und medizinische Ausrüstungen.

Kontakte

Organisation

Anmerkungen

Ministry of HealthGesundheitsministerium

Ethiopian Pharmaceuticals Supply Service (EPSS)

Beschaffungsbehörde

Ethiopian Food and Drug Administration

Regulierungsbehörde, früherer Name: Food, Medicine and Health Care Administration and Control Authority (FMHACA)

Ethiopian Pharmaceuticals Suppliers & Manufacturers Sectoral Association (EPSMSA)

Herstellerverband; hat laut Presse 24 Mitglieder

Ethiopian Pharmaceutical Association (EPA)

Berufsverband

Delegation der Deutschen Wirtschaft für Ostafrika

Für Äthiopien zuständige Auslandshandelskammer in Nairobi

Quelle: Recherche von Germany Trade & Invest 2024

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