Wirtschaftsausblick | Äthiopien
Aussichten für Äthiopiens Wirtschaft sind durchwachsen
Äthiopiens Regierung hat wichtige Schritte zur Öffnung der Wirtschaft umgesetzt. Auch wenn das Umfeld schwierig bleibt, ist der Zeitpunkt gut, den Markt intensiv zu beobachten.
23.01.2025
Von Carsten Ehlers | Nairobi
Top-Thema: Öffnung des äthiopischen Finanzmarkts
Äthiopien setzt tiefgreifende Schritte für die Liberalisierung seines Finanzsektors um. Es begann im Juli 2024 mit der Einführung eines flexiblen Wechselkurses für die äthiopische Währung Birr im Vergleich zum US-Dollar und damit auch der Aufgabe von Devisenexportkontrollen. Fremdwährung ist seitdem im Land wieder vorhanden. Banken müssen die, zum Beispiel durch Exporte, generierte Liquidität in Fremdwährung nicht mehr zu einem festen Kurs an die Zentralbank (zwangs-)verkaufen. Sie können nun selbst den Devisenkurs bestimmen und ihre eigenen Währungsreserven aufbauen.
Durch die Angleichung der Kurse an den inoffiziellen Schwarzmarktkurs hat der Schwarzmarkt weitgehend an Bedeutung verloren. Die Zentralbank wurde mit neuen Befugnissen ausgestattet und führte Mitte 2024 den neuen Leitzins National Bank Rate ein, der aktuell 15 Prozent beträgt.
Ende 2024 wurde dann das Gesetz zur Öffnung des Bankensektors verabschiedet. Ausländische Banken können nun Filialen und Tochtergesellschaften ohne lokalen Anteil in Äthiopien gründen oder Anteile an äthiopischen Banken von bis zu 40 Prozent erwerben. Beobachter glauben aufgrund von Währungsrisiken und des immer noch schwierigen und komplexen operativen Umfelds zwar nicht, dass viele internationale Großbanken eine Ansiedlung ins Auge fassen. Einige afrikanische Regionalbanken aus Kenia, Südafrika, Nigeria oder Marokko könnten sich aber mit langem Atem aus strategischem Interesse in Äthiopien ansiedeln.
Im Januar 2025 ging schließlich die lange geplante Börse Ethiopian Stock Exchange (ESX) an den Start. Mit dem staatlichen Mobilfunknetzbetreiber Ethio Telecom ist bislang nur ein Unternehmen gelistet. Börsenkenner erwarten, dass es Jahre dauern wird, bis die Börse floriert. Es fehlt allen Beteiligten noch an Know-How für das Börsengeschäft, das langsam aufgebaut werden muss. Noch am ehesten verfügen die lokalen Banken über Kenntnisse, wie man einen Börsengang organisiert. Mit deren Börsengang wird daher auch gerechnet.
Wirtschaftsentwicklung: Unternehmen schieben Investitionen auf
Nicht so richtig zur Aufbruchstimmung im Finanzsektor passt der weiterhin schlechte Zustand der Wirtschaft Äthiopiens. Eine hohe Inflation sowie eine restriktive Geldpolitik der Zentralbank sorgen für schwierige Rahmenbedingungen. Erschwerend hinzu kommt für Unternehmen, dass der hochverschuldete Staat dringend seine Einnahmen erhöhen muss. Er versucht dies vor allem durch neue Steuern. Einige Unternehmen berichten von willkürlichen hohen Steuerforderungen.
Erstaunlich hoch sind die Wachstumsschätzungen und -prognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Economist Intelligence Unit (EIU) geht für 2024 von einem Plus von 7,4 Prozent aus, womit das Land in Ostafrika zu den am schnellsten wachsenden Ökonomien Afrikas zählen würde. Das spiegelt nicht die Meinung der Unternehmen wider, die einen Aufschwung eher mittelfristig erwarten.
Diverse Wirtschaftsexperten halten die Prognosen für überhöht. Allein die weitgehend brach liegende Wirtschaft im zweitgrößten Bundesland Amhara drückt auf das Gesamtergebnis. In Amhara gilt aufgrund politischer Instabilität seit August 2023 der Ausnahmezustand.
Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Direkt im Anschluss an die Wechselkursflexibilisierung fiel der Wert des Birr im Vergleich zum US-Dollar um mehr als 100 Prozent. Immerhin hat sich die Währung seit Dezember 2024 bei einem Umtauschwert von etwa 125 Birr für einen US-Dollar stabilisiert.
Die Zentralbank verfolgt eine restriktive Geldpolitik. Devisen sind jetzt zwar problemlos zu bekommen, aber es gibt kaum Birr. Und Kredite können sich die meisten Unternehmen bei einem Leitzins von 15 Prozent kaum leisten, wenn sie überhaupt angeboten werden. Landeskenner berichten daher von weitgehend ausbleibenden Investitionen von privater Seite.
Geld für Investitionen sitzt auch beim hochverschuldeten Staat nicht locker, sodass die ganz großen Investitionen ausbleiben. Im Gegenzug für die Liberalisierung kommt indes finanzielle Unterstützung von Seiten des Internationalen Währungsfonds (IWF), der 3,4 Milliarden US-Dollar über vier Jahre seit 2024 zur Verfügung stellt. Investitionen kommen auch aus dem Ausland, vor allem aus China und Staaten des Mittleren Ostens. Aktuell laufen der Bausektor, die Landwirtschaft und auch der Goldbergbau gut.
Die Inflation schwächt etwas ab, wenngleich auf hohem Niveau. Nach Teuerungsraten von über 30 Prozent seit dem Jahr 2022 erwartet der IWF für das Fiskaljahr 2024/25 "nur noch" durchschnittlich 25 Prozent.
Ministerpräsident Abiy Ahmed dürfte weiter bemüht sein, die Öffnung der Wirtschaft voranzutreiben. Angekündigt, bislang aber nicht umgesetzt wurde die Öffnung des Handels für ausländische Unternehmen. Für deutsche Unternehmen wäre das eine interessante Veränderung, da dann die Eröffnung einer Vertriebsniederlassung möglich wäre.
GTAI-Informationen zu Äthiopien
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Deutsche Perspektive: Lieferungen bleiben vorerst auf niedrigem Niveau
Für deutsche Unternehmen zählte Äthiopien noch vor wenigen Jahren zu den vielversprechendsten Märkten der Region. Angesichts der wachsenden Probleme im Land ist der Ansturm jedoch ausgeblieben. Nur eine Handvoll deutscher Unternehmen ist vor Ort präsent. Die meisten Marken lassen sich von lokalen Handelsdistributoren vertreten. Eigene Vertriebsniederlassungen dürfen Firmen bislang ohnehin nicht betreiben. Viele Unternehmen steuern ihre Aktivitäten in Äthiopien von Kenia, Dubai oder Deutschland aus.
Die deutschen Ausfuhren nach Äthiopien dürften im Jahr 2024 deutlich gefallen sein. Das deuten die vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts bis einschließlich Oktober an. Auch 2025 bleibt das Umfeld für den Handel schwierig. Sollte sich die wirtschaftliche Situation bessern, dürfte das Geschäft mit Äthiopien sprunghaft ansteigen. Auch deshalb verfolgen viele Unternehmen den Markt weiterhin mit großem Interesse.