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Wirtschaftsumfeld | Afrika | Krieg in der Ukraine

Afrika spürt die Folgen des Krieges in der Ukraine

In Afrika wächst die Sorge vor Hunger und Unruhen. Einige Länder importieren viel Weizen aus Russland und der Ukraine. Bei Energie und Bergbau dürfte es aber auch Gewinner geben.

Von Ulrich Binkert | Bonn

In Tunesiens Supermärkten ist Weizenmehl seit Wochen kaum mehr zu bekommen, und Ägypten verbietet den Export von Weizen, Mehl oder Bohnen: In Nordafrika werden Erinnerungen an den "Arabischen Frühling" von 2011 wach, als gestiegene Nahrungsmittelpreise die Unzufriedenheit der Menschen anheizten. In Ägypten geben die Haushalte 40 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, Brot ist ähnlich wie in den Nachbarländern Grundnahrungsmittel. Dabei kam 2020 knapp 40 Prozent des verbrauchten Weizens aus Russland oder der Ukraine. Nun hat Russland die Ukraine vom Seehandel abgeschnitten und selbst den Export von Weizen und anderem Getreide beschränkt.

Produktion, Verbrauch und Import von Weizen in Afrika im Jahr 2020 (in Millionen Tonnen)

Produktion

Verbrauch

Import gesamt

Import aus Russland und Ukraine

Ägypten

9,0

21,6

9,6

8,2

Äthiopien

5,8

7,0

1,0

0,3

Marokko

2,6

10,0

5,5

1,4

Südafrika

2,1

3,5

2,2

0,6

Tunesien

1,0

3,1

1,8

1,1

Quellen: FAO (Produktion, Verbrauch und Import gesamt) und UN Comtrade (Import von SITC Code 041); Berechnungen von Germany Trade & Invest

Abhängigkeit bei Weizen teils kritisch

Grundnahrungsmittel in Ländern südlich der Sahara ist vielfach Mais und Hirse. Die Bedeutung von Weizen nimmt aber auch dort zu, und bei Importen herrscht ebenfalls eine starke Abhängigkeit von Russland und der Ukraine. Kenia und Äthiopien, wo in manchen Landesteilen aktuell Hunger droht, importierten von dort 2020 wertmäßig jeweils ein Drittel ihres Weizens, in Tansania waren es über zwei Drittel. In Westafrika ist diese Abhängigkeit etwas geringer. Das südliche Afrika immerhin, wo Mais das wichtigste Getreide ist, erwartet 2022 überdurchschnittlich hohe Ernten.

Preisdruck auf landwirtschaftliche Erzeugnisse entsteht in Afrika wie anderswo durch die gestiegenen Kosten für Treibstoff und Düngemittel. Der wichtige Agrarproduzent Südafrika immerhin verfügt 2022 voraussichtlich über genügend Dünger und verzeichnet bisher nur moderate Preissteigerungen. Ein Gutes könnten die hohen Notierungen an den internationalen Getreidebörsen haben: Dann nämlich, wenn Afrikas Landwirtschaft, von der noch große Teile der Bevölkerung abhängen, weniger mit billigen Importen zu kämpfen hat.

Anteile Russland und Ukraine am Import und Verbrauch von Weizen im Jahr 2020 (in Prozent)

Anteil Import am Gesamtverbrauch

Anteil von Russland und Ukraine am Import

Anteil von Russland und Ukraine am Gesamtverbrauch

Ägypten

44

86

38

Äthiopien

15

25

4

Marokko

55

25

14

Südafrika

63

29

18

Tunesien

60

57

34

Quelle: FAO (Produktion, Verbrauch) und UN Comtrade (Import von SITC Code 041); Berechnungen von Germany Trade & Invest

Für mehr Gaslieferungen müsste Algerien investieren

Beim Thema Energie gerät Afrika in Deutschland derzeit als alternative Lieferregion in den Blick. Auf der anderen Seite des Mittelmeers gibt es Pipelines in Algerien und Flüssiggas (LNG)-Terminals in Ägypten. Die Kapazität der algerischen Medgaz-Pipeline nach Spanien könnte mit überschaubarem Aufwand kurzfristig erhöht werden, und die TransMed nach Italien ist nur zu zwei Dritteln ausgelastet. Sowohl Ägypten als auch Algerien können vermutlich kurzfristig begrenzte Mengen zusätzlich liefern. Für langfristig wesentlich höhere Exporte müssten beide Länder massiv investieren, weil sie selber deutlich mehr verbrauchen werden. Ein weiteres Problem könnten außerdem politische Spannungen zwischen einzelnen Ländern sein. So ist die Pipeline von Algerien über Marokko nach Spanien seit 2021 nicht in Betrieb.

An den gesicherten Reserven für Erdöl und Erdgas weltweit hat Afrika einen Anteil von jeweils rund 7 Prozent. Die größten Vorkommen liegen in Libyen, Nigeria, Algerien und Ägypten. Diese Länder und auch Erdölexporteure wie Angola oder Gabun profitieren von höheren Weltmarktpreisen für Öl und Gas.

Beflügeln dürften hohe Energiepreise auch große Energieprojekte namentlich im Osten Afrikas. In Mosambik erzeugt der italienische Konzern Eni nach jetzigen Prognosen Ende 2022 das erste Flüssiggas aus einem über 20 Milliarden US-Dollar (US$) teuren Projekt, das als größtes laufendes Vorhaben in ganz Afrika gilt. Partner Total könnte aus jetziger Sicht 2026 folgen. Der französische Konzern nimmt in den nächsten Monaten die Arbeiten an seinem Teil des Projektes wieder auf, wenn die teils prekäre Sicherheitslage dies zulässt.

Chancen für riesige Öl- und Gasprojekte steigen

Auch in Tansania wollen internationale Konzerne 30 Milliarden US$ in die Förderung und den Bau einer LNG-Anlage investieren, wofür sich der Startschuss allerdings immer wieder verzögert hat. Aus einer Offshore-Förderung zwischen Senegal und Mauretanien in Westafrika will BP 2023 erstes LNG produzieren. Uganda hofft auf Exporte von Erdöl: Total und andere Konzerne hatten im vergangenen Februar "endgültig" entschieden, 10 Milliarden US$ in die Ölförderung und eine Pipeline an die tansanische Küste zu investieren.

Verlierer der höheren Energiepreise sind Länder wie Tunesien, Marokko oder Äthiopien, die Öl oder Gas einführen müssen. In Äthiopien, das ähnlich wie viele andere afrikanische Länder insgesamt sehr viel mehr importiert als exportiert, vergrößert sich jetzt das ohnehin riesige Loch in der Zahlungsbilanz; Devisen sind extrem knapp.

Der Ausbau von Solar- und Windenergie könnte langfristig Exportchancen für Afrika schaffen. Vorreiter ist Marokko, Initiativen für große Anlagen gibt es auch in Ägypten, Namibia und Mauretanien. Blickpunkt ist dabei gerade in Nordafrika auch die Produktion von grünem Wasserstoff. Marokko und Ägypten wollen zudem Unterseekabel ausbauen und Strom direkt nach Europa liefern.

Vorteile gibt es auch für Afrikas Exporteure von Bergbauerzeugnissen. Steigende Preise von Gold, Kohle und Platin werden namentlich die südafrikanischen Ausfuhren anschieben.

Auswirkungen auf Afrikas Gesamtwirtschaft uneinheitlich

Mit Blick auf die Gesamtwirtschaft heizt der Krieg in der Ukraine unmittelbar die Inflation an. Dies bremst den Konsum und die Konjunktur. Die meisten Regierungen können angesichts knapper Kassen nicht wirksam gegensteuern. In vielen Ländern Afrikas stieg die Staatsverschuldung bereits vor 2020 deutlich. Corona hat den Spielraum weiter eingeengt, Kredite haben sich verteuert und internationale Geber fordern Steuererhöhungen. In Nigeria, Afrikas größter Volkswirtschaft, ist die Staatsverschuldung mit einem guten Drittel der Wirtschaftsleistung relativ gering. Beim wirtschaftlichen Schwergewicht Südafrika liegt die Verschuldungsquote dagegen inzwischen bei über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Insgesamt ist Afrikas Wirtschaft nur wenig mit Russland und der Ukraine verflochten. Die Exporte sind vernachlässigbar, die Importe jenseits von Getreide, Stahl und Dünger ebenfalls, ebenso russische oder ukrainische Investitionen in Afrika. Ausnahmen dazu bilden etwa die hohe Zahl russischer und ukrainischer Touristen in Ägypten.

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