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Interview | Afrika | Entwicklungszusammenarbeit

"Wir unterstützen die großen Entwicklungsdynamiken in Afrika"

Im Interview erzählt Martin Kipping von den Entwicklungsprojekten der Afrikanischen Entwicklungsbank und berichtet, welche Sektoren und Länder sich in Afrika entwickeln.

Von Laura Sundermann | Bonn

Dr. Martin Kipping Dr. Martin Kipping | © Moustafa CHEAITELI, Moustafa Cheaiteli for AfDB

Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) finanziert jedes Jahr Entwicklungsprojekte im Wert von etwa 10 Milliarden Euro in ganz Afrika. Deutsche Unternehmen können sich auf die daraus folgenden Ausschreibungen bewerben. Martin Kipping ist einer der 20 Exekutivdirektoren der Bank. Im Interview erklärt er, welche Rolle die AfDB bei Entwicklungsprojekten hat. Außerdem berichtet er, welche deutschen Unternehmen erfolgreich sind, und in welchen Sektoren und Ländern er großes Potenzial sieht.

Herr Kipping, haben Sie ein AfDB-Lieblingsprojekt?

Wir haben viele großartige Projekte, das wird mir jetzt schwerfallen. Ein paar Schlaglichter: Wir haben jüngst in der Zentralafrikanischen Republik ein Projekt für grenzüberschreitendes Wasserressourcenmanagement mit der Demokratischen Republik Kongo mit Flusstransport und Trinkwasserversorgung finanziert. Das ist eine sehr herausfordernde Region mit schwierigen Rahmenbedingungen. Es ist prima, dass sich die Bank daran traut.

Ein anderes Beispiel aus dem letzten Jahr: Im Tschad ermöglichen wir mit einem Darlehen, einem Zuschuss und Garantien zwei Solarkraftwerke und leisten so einen Beitrag, um das enorme Potenzial erneuerbarer Energien zu realisieren.

Außerdem haben wir gemeinsam mit Partnern eine Übertragungsleitung von Côte d’Ivoire quer Richtung Liberia, Guinea und Sierra Leone finanziert, wodurch der durchschnittliche Strompreis um rund die Hälfte gesunken ist. Dieses Großprojekt ist letztes Jahr abgeschlossen worden.

Was ist die Rolle der AfDB bei diesen Projekten?

Die Bank ist der Finanzierer und nicht der Umsetzer, das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Die Bank hat natürlich eine wichtige Rolle bei der Auswahl des Projekts, berät bei der Ausgestaltung und kontrolliert die Umsetzung. Letzten Endes setzt sie die Investitionsprojekte aber nicht selbst um.

Die Umsetzung und die Begleitung vor Ort erfolgen durch die Kundenregierung, also die projektführende öffentliche Stelle im jeweiligen Land. Die Kundenregierung ist auch für die Ausschreibungen zuständig. Allerdings gelten hierfür die Vorgaben der Bank, es gibt ein sehr umfangreiches Procurement-Regelwerk für die Beschaffung der Leistungen.

Und wie können deutsche Unternehmen ins Spiel kommen?

Sie können sich auf die internationalen Ausschreibungen bewerben. Ich höre immer wieder, dass das Interesse an Angeboten deutscher Unternehmen groß ist. Da spielen natürlich die Reputation, die hohe Qualität und die Verlässlichkeit eine große Rolle.

Deutschen Firmen verdienen allerdings nur 2 Prozent am Beschaffungsvolumen AfDB-finanzierter Aufträge. Woran liegt das?

Das hat verschiedene Gründe. Deutsche Unternehmen sind gut vertreten bei Gütern und Dienstleistungen, aber fast gar nicht bei Bauarbeiten. Nach meinem Verständnis liegt das daran, dass wir in Afrika so gut wie keine deutschen Anbieter dafür haben. Das heißt allerdings nicht, dass die deutsche Wirtschaft bei den großen Verträgen, zum Beispiel im Straßenbau oder der Wasserinfrastruktur, überhaupt nicht beteiligt ist. Denn häufig werden Verträge weitervergeben an Unterauftragnehmer, wo dann wieder deutsche Expertise im Spiel ist. Das sehen wir allerdings nicht mehr in der Statistik.

Die AfDB finanziert vor allem Infrastrukturprojekte.

Weitgehend: Infrastruktur, angefangen mit dem Transportsektor, ist im Fokus der Bank – beispielsweise Straßenbau. Ferner hat die Bank Ambitionen, im Transportsektor noch mehr in der Schieneninfrastruktur zu machen, eben nachhaltige Transportsysteme. Der Energie- und Wassersektor sind weitere Schwerpunkte in der Infrastruktur. Die Bank finanziert aber auch Kapazitätsaufbau und Reformprogramme. Ferner fördern wir die Privatsektorentwicklung, beispielsweise in der Landwirtschaft, auch direkt mit Geschäftsbanken und Unternehmen in Afrika.

Welche Firmen sind denn erfolgreich?

Die deutschen Unternehmen, die Ausschreibungen gewinnen, sind viele der etablierten Player. Gauff Engineering gewinnt beispielsweise immer wieder Aufträge, außerdem Fichtner, GOPA und Tractebell. Die Frankfurt School of Finance and Management ist vielleicht weniger bekannt. Auch Siemens schließt immer wieder zum Teil sehr große Verträge. Ich würde mir wünschen, dass sich noch mehr deutsche Unternehmen entschließen, ihren Hut in den Ring zu werfen.

In welchen Branchen ist die Bank besonders aktiv beziehungsweise wo sehen Sie grundsätzlich Potenzial auf dem Kontinent?

Die Bank ist generell sehr breit aufgestellt. Von daher gibt es auch in Zukunft nicht den einen Fokus. Aber wir unterstützen natürlich die großen Entwicklungsdynamiken auf dem Kontinent.

Das ist zum einen der Energiesektor. In Afrika sind immer noch 600 Millionen Menschen ohne Zugang zu moderner Energieversorgung. Es gibt also einen großen Nachholbedarf. Afrika ist zudem der Kontinent mit dem größten Potenzial für erneuerbare Energien. Die Kosten der Erneuerbaren sind massiv gesunken, die Wettbewerbsfähigkeit ist hoch. Das geht über die Stromversorgung der Haushalte weit hinaus: Die Erneuerbaren können ein Fundament für eine nachhaltige Industrialisierung sein.

Die Urbanisierung ist eine weitere starke Dynamik, die es zu gestalten gilt: Afrika ist der Kontinent mit der größten noch erwarteten Verstädterung und hat gleichzeitig ein hohes Bevölkerungswachstum. Diese Entwicklung müssen wir nachhaltig, menschenfreundlich, ökologisch und sozial verträglich gestalten. So müssen wir den öffentlichen Personennahverkehr frühzeitig mit einbeziehen und klimaresiliente Städte bauen.

Die Wasserwirtschaft ist auch ein riesiges Feld. Zum einen Trinkwasser und Abwasser, aber auch Bewässerung in der Landwirtschaft. Der Anteil von bewässerten Anbauflächen ist in Afrika noch minimal.

Wie sieht es mit Ländern und Märkten aus? Welche entwickeln sich da besonders gut?

Da würde ich empfehlen, in unseren jüngsten Wirtschaftsbericht zu gucken. Wir veröffentlichen einmal im Jahr unseren African Economic Outlook und haben Ende Januar den Zwischenbericht Africa‘s Macroeconomic Performance and Outlook veröffentlicht. Dort kann man nachlesen, wie sich die einzelnen Länder entwickeln, wie solide die Rahmenbedingungen, Inflationsraten und der jeweilige Staatshaushalt sind. Es gibt einige sehr dynamische, aufstrebende Volkswirtschaften. In der einen sitze ich hier gerade: Côte d’Ivoire, dem Sitzstaat der AfDB.

Grundsätzlich ist die Bank aber in allen afrikanischen Ländern engagiert. Von daher gibt es a priori in allen afrikanischen Ländern die Möglichkeit, über die Afrikanische Entwicklungsbank ins Geschäft zu kommen. Die Chancen sehe ich deutlich wachsen auf dem afrikanischen Kontinent; es gilt sie zu nutzen.

Wie funktioniert die AfDB als multilaterale Entwicklungsbank?

Die AfDB hat 81 Mitgliedstaaten. Davon sind 54 afrikanische Staaten und 27 nicht-regionale Mitgliedsländer, darunter Deutschland. Alle Mitgliedstaaten halten unterschiedlich große Anteile am Kapital der Bank. Der deutsche Anteil beträgt gut 4 Prozent. 

Die 81 Anteilseigner bilden 20 Stimmrechtsgruppen, die durch jeweils einen Exekutivdirektor vertreten werden. Deutschland ist gemeinsam mit Luxemburg, Portugal und der Schweiz in einer Gruppe, welche mit Martin Kipping einen der insgesamt 20 Exekutivdirektoren stellt. Die Exekutivdirektoren haben die Aufsicht über das Management der Bank, entscheiden über deren operative Ausrichtung und bringen dabei die Positionen ihrer Länder ein.

Germany Trade & Invest bietet einen Überblick über die AfDB: Organisation, Schwerpunkte, Strategien, Beschaffungsregularien und praktische Hinweise.

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